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1. Juni 2019

Arzneimittelfälschungen

Viel Gerede, wenig Taten.

26.04.2017

Alle reden von Arzneimittelfälschungen in Afrika,aber keiner handelt. Newton 2014

Fake-Drug-Epidemie im Kongo

Im Dezember 2014 wurde im Nordosten der Demokratischen Republik Kongo, im Distrikt Ituri, ein Ausbruch von Meningitis gemeldet. Über eintausend Patienten waren erkrankt, ein Drittel von ihnen jünger als fünf Jahre. Als Ursache vermutete man zunächst Meningitis-Infektionen, weil die Betroffenen Nackensteifigkeit aufwiesen, und behandelte die ersten Fälle mit Antibiotika. Genauere Untersuchungen deuteten dann aber auf eine Vergiftung hin: Nahezu alle Patienten waren (aus welchen Gründen auch immer) dem Beruhigungsmittel Diazepam® (ein Benzodiazepin) behandelt worden. Im Blut der Betroffenen fand man jedoch hohe Konzentrationen einer anderen Substanz: von Haloperidol. Die Tabletten, die Diazepam® enthalten sollten, waren offenbar gefälscht worden. Die Nachfrage nach Diazepam® war in der vom Bürgerkrieg betroffenen Region hoch, und die Tabletten waren frei in Kram-Läden verkauft worden.

Die Bevölkerung von der eigentlichen Gefahr gefälschter Arznei zu überzeugen, erwies sich als schwierig, denn Diagnosen „äußerer Angriffe“ durch Infektionserreger oder durch Hexerei erschienen den meisten Betroffenen als wesentlich nachvollziehbarer. (Peyraud 2017)

Die Medizinsysteme finanzschwacher Länder können die Gesundheit gefährden.

Denn die meist unkontrollierten Märkte werden mit schlechten Medizinprodukten überschwemmt. Und hochwirksame medizinischer Substanzen werden oft falsch oder völlig unnötig angewendet.

Der Verkauf gefährlicher Medizinprodukte nimmt weltweit zu.

Zunahme der Arzneimittelfälschungen. Quelle Nayyar 2015

Die Gesamtmenge der in dieser Zeit gehandelten Müll-Präparate kennt niemand. 2014 wurden in Afrika 113 Millionen gefälschte Antibiotika und Anti-Malaria-Medikamente beschlagnahmt (AFP 2014). Die  Verpackungen dieser „Fake drugs“ unterschieden sich  kaum von den Originalen. Sie stammen meist aus Süd-Ost-Asien stammen. So sollen 97% der gefälschten Pharmaprodukte in Nigeria u.a. in Indien, China (und Taiwan) hergestellt worden sein. Dort die Produktion der Fake drugs  von den Behörden offenbar toleriert, weil Abgaben gezahlt werden. (Euroaktiv 24.01.2017) Von 2012 bis 2016 seien in afrikanischen Häfen (laut Welthandelsorganisation) mehr als 750 Millionen Fake Drugs sichergestellt worden. Und eine Studienanalyse deutet in siebzehn Ländern auf einen deutlichen Anstieg des Verkaufs gefälschter Medikamente hin. (Nayyar 2015)

Gesundheitsschäden durch Arzneimitteltherapie.

Qualitativ minderwertige Arzneimittel enthalten manchmal nicht nur andere Inhaltsstoffe, als auf der Packung angegeben: Sondern eventuell auch die richtigen Inhaltsstoffe in zu hoher, oder zu niedriger Dosierung. Oder ihre Wirksubstanzen sind durch unsachgemäße Lagerung bereits zerfallen. Oder sie bestehen aus giftigen Abfallprodukten anderer chemischer Prozesse. Außerdem ist es natürlich auch möglich, dass qualitativ gute Medikamente von Ärzt*innen falsch dosiert oder unsachgemäß angewendet werden.

Das Gesundheitsrisiko durch schlechte Medizin ist vermutlich hoch. Das Geschäft mit der Medizin gehört zu den stabil und krisenfest wuchernden Wirtschaftszweigen, und vieles was in diesem Markt angeboten wird ist unnötig, von schlechter Qualität oder gefährlich.  Die Auswirkungen der Gesundheitswirtschaft auf die Gesundheit wurden noch nicht systematisch untersucht. Wirksamer und guter Hochleistungsmedizin steht in vielen Ländern gefährliches Geschäft mit Leidensdruck und Angst gegenüber, das schadet und wenig nutzt.

Fake Drug. Quelle: U.S. Food & Drug Administration

Kein Land dieser Erde ist mehr in der Lage, den gesamten Umfang der umlaufenden Arzneimittel zu kontrollieren. Aber in Entwicklungsländern stellt schlechte Medizin eine besondere Bedrohung dar: Selbst in den wackeligsten Krämerläden am Ende der Welt verschimmeln zwischen Coca-Cola-Flaschen, Zigarettenpackungen und Dosenfleisch, die Psychopharmaka, Blutdrucksenker und Antibiotika. Solche Pillen werden dort, je nach Kaufkraft der Kunden, stückweise abgegeben. Ob sie dann gefälscht sind oder nicht, verändert nur das Risiko des Schadens, den sie anrichten. Ein Nutzen geht von ihnen aber nur sehr selten aus.  Und die Verbraucher, die wegen ihrer Lebens- oder Gesundheitsprobleme Pharmaprodukte und medizinische Dienstleistungen einkaufen, können die Qualität meist nicht beurteilen.

Die Herstellung von Fake Drugs ist nicht eindeutig illegal.

Arzneimittelfälschungen sind, im Gegensatz zur Herstellung gefälschter Banknoten, kein internationaler Straftatbestand (Newton 2014).

Eine Resolution des Europarates von 2010, die die Herstellung und den Verkauf von gefälschten Medikamenten untersagt, wurde bisher nur von wenigen Staaten unterzeichnet. Auch Deutschland die Resolution bis heute nicht ratifiziert.

Das liegt u.a. daran, dass ein Straftatbestand so schwierig zu definieren wäre: Denn als „counterfeit drug“ (gefälschtes Medikament) würde auch ein qualitativ hochwertiges Produkt gelten, das im Widerspruch zu einer registrierten Trademark verkauft wird, als ein Generikum, dessen Verkauf die Profite des Originalherstellers mindert. (Buckley 2013) Generika (die den richtigen Inhaltstoff ohne Markennamen verkaufen) sind aber für viele Menschen in ärmeren Ländern die einzige Möglichkeit, um an qualifiziert-gute Medizin heranzukommen.

Weil also Wirtschaftsinteressen gefährdet sein könnten, ist die Definition „gefälschter Medikamente“ nach internationalem Recht offenbar nicht einfach (siehe SSFFC, WHO 2017). Bisher hatte die WHO vor allem Sorge die Herstellungsrechte von Firmen zu sichern, und fürchtet, sich durch schärfere Kontrollen zu sehr in den freien Handel einzumischen. (Burci 2013)

Sie setzt stattdessen auf Programme, die die Qualität der Medikamente verbessern sollten. Bidungs-Initiativen, die Patienten aufklären könnten, wie sie sich so verhalten können, dass sie nur möglichst wenige Medikamente konsumieren müssen, sind dagegen weitgehend unbekannt.

Pharma-Shopping und Medikamente online

Online Apotheken sollen in Deutschland bereits einen Marktanteil von über fünf Prozent halten. Sie können staatliche Vorgaben und Kontrollen bei der Beschaffung ihrer Produkte leichter umgehen. Darüber hinaus ist es möglich sich die Chemie direkt aus dem „dunklen Netz“ (Dark-Net) zu besorgen.

Die Online-Beschaffung von Pharma-Produkten ist nicht nur deshalb gefährlich, weil sie ein höheres Risiko gefälschter oder minderwertiger Medikamente mit sich bringen: Denn das meiste, was  geschluckt wird (selbst bei reinen Inhaltsstoffen) ist oft unnötig oder falsch dosiert.

Literatur

Letzte Aktualisierung: 13.06.2019