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5. Juni 2020

Schweinegrippe: Pandemrix®/Tamifu® 2009

Inhalt

  • Narkolepsie & Pandemrix®
  • Schweinegrippe-Impfung 1976
  • Tamifu®-Story

Narkolepsie & Pandemrix®

Der Influenza-Impfstoff Pandemrix® wurde 2009 millionenfach verimpft. Die Zulassungsstudien dieses Impfstoffes bezogen sich auf relativ wenige Testpersonen. Die Versicherungen der Gesundheitsbehörden, der Impfstoff sei sorgfältig geprüft worden, erwiesen sich im Nachhinein als falsch. Interne Reports der Herstellerfirma hatten offenbar frühzeitig auf Sicherheitsmängel hingewiesen (Doshi 2018, Spiegel. 21.09.2018). Warnungen, wie u.a. die der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin (DEGAM), wurden ignoriert: BMJ 2009

Die Probleme, die durch diese Intervention entstanden, erwiesen sich als vielfach größer als die, die gelöst werden sollten.

Infographik BMJ 2018 Download
Vollständiger Artikel: BMJ 2018;362:k3948

Massenversuch der Anwendung eines unausgereiften Produktes

In Deutschland wurden 2009 etwa fünf bis sechs Millionen Dosen verimpft, und weitere 29 Millionen unverbrauchte Dosen mussten anschließend entsorgt werden. Zusätzlich wurden die Grippe-Medikamente Tamiflu® und Relenza® eingelagert, in den USA im Wert von 1,3 Mrd. US$ und in England von 424 Mill Pfund (Cochrane 2014).

Die Vermutung, das Sterblichkeitsrisiko an Influenza bei nicht-geimpften Bevölkerungsgruppen erhöht, erwies sich als unbegründet. Denn die Influenza-Epidemie verlief im Vergleich zu den Vorjahren relativ mild.

Die europäischen Gesundheitsbehörden verzichteten 2009 auf systematisch-begleitende Studien, obwohl es sich um die massenhafte Vermarktung eines neuartigen Medizinproduktes handelte. In Europa untersagte nur Polen de Verkauf von Pandemrix®. Trotz fehlender Impfung wurden dort aber keine ungewöhnlichen Erkrankungs- oder Sterblichkeitszahlen nachgewiesen.

Narkolepsie

Im Anschluss an die Massen-Impfkampagne von Pandemrix® fiel zunächst in Finnland, und dann auch in anderen europäischen Ländern, ein Anstieg der Zahl der sonst seltenen neurologischen Erkrankung Narkolepsie auf.

Narkolepsie-Patienten leiden an einer Hirnfunktionsstörung mit Tagesschläfrigkeit, gestörtem Schlafverhalten, insbesondere der Ein- und Tiefschlafphasen. Den Betroffenen gelingt es nicht mehr, einen geregelten Tag-Nacht-Wechsel aufzubauen. Bei der schweren Form (Typ 1) treten zusätzlich Halluzinationen und plötzliche Muskelschwäche auf. (AASM 2014, AG Psychoso. Gesh.)

Bei dem Narkolepsie-Typ 1 handelt es sich um eine immunvermittelte Krankheit, bei der Neuronen im Mittelhirn zerstört werden, die für den Schlaf-Wachrythmus von essentieller Bedeutung sind.

Der schweren Form der Narkolepsie mit kurzzeitigem Muskelversagen liegt der Verlust von Nervenzellen zugrunde, die das Mini-Hormon (Neuropeptid) Hypocretin (Orexin) herstellen. Hypocretin wird von den Nervenzellen im Mittelhirnbereich unterhalb des Thalamus (demTor zum Bewusstsein“) hergestellt. Bei der Entstehung der Narkolepsie spielen sowohl genetische als auch Umweltfaktoren eine Rolle, die fehlgeleitete Immunreaktionen auslösen können. Bei den meisten Patienten, die an Narkolepsie leiden, wurde ein bestimmter Gentyp nachgewiesen (Leukozytenantigen HLA-classII-DQB1*0602). (Sarkanen 2018)

Sarkanen: Narcolepsy Associated with Pandemrix Vaccine. Current Neurology and Neuroscience Reports. 2018: 18:43

Zellen der Immunabwehr können ein natürlich-vorkommendes Zell-Eiweiß bei bestimmten Immun-Anregungen als fremd erkennen, wenn die Struktur eines von außen herangetragenen Fremd-Eiweißes Ähnlichkeiten mit dem Körper-Eiweiß aufweist. Als potentielle Auslöser für solche autoimmun-vermittelten Mechanismen können entweder Influenza-Viren selbst in Frage kommen (wie bei Narkolepsie in China vermutet) oder bestimmte Impfstoffe, wie Pandemrix®. (Dye 2016)

Narkolepsie und Pandemrix®

Die Ergebnisse sorgfältiger Nachuntersuchungen in Finnland, Großbritannien und Frankreich lassen vermuten, dass das Risiko für das Entstehen einer Narkolepsie bei 1: 10.000-15.000 Pandemrix®-Impfungen lag. (Ahmed 2015) Bei Kindern stieg das Risiko für Narkolepsie nach Impfung um das 4 bis 14-Fache und um das 2 bis 7-Fache bei Erwachsenen. (Stowe 2016, Sarkanen 2018).

Insgesamt sollen durch Pandemrix® in Europa etwa 1.300 Personen an Narkolepsie erkrankt sein. (Vogel, 2015, Doshi 2018) Die Dunkelziffer ist groß, denn die Vermarktung von Pandemrix® an dreißig Millionen Europäern wurde 2009 nicht durch epidemiologische Studien begleitet.  Die bekannten Fälle an Narkolepsie beruhen ausschließlich auf den individuellen Meldungen betroffener Patienten und deren Ärzte. Sie beinhalten weder leichtere noch untypisch-ähnliche Störungen, noch Fälle, die erst einige Jahre nach dem auslösenden Ereignis auftreten. (Verstraeten 2016, Bollaerts 2016).

Auslöser Impfbestandteil oder Zusatzstoff?

Zunächst war als Auslöser der Narkolepsie-Epidemie der Pandemrix®-Zusatzstoff „AS03“ im Verdacht. Mit diesem Zusatzstoff versehene Impfstoffe wurden daher für Kinder und Schwangere vom Markt genommen.

„ASO3“: Öl-in-Wasser-Emulsion: Inhalt pro Impfdosis:
0,5 ml 10,69 mg Squalen, 11,86 mg DL-α-Tocopherol

und 4,86 mg des Emulgators Polysorbat 80 in einer Phosphatpufferlösung

Zusatzmoleküle, wie u.a. ASO3, sind bei Impfstoffen wichtig, um eine wirksame Immunantwort auf die Impfung auszulösen (Jackson 2015). Dieser Wirkmechanismus birgt bei einem vorgeschädigten Immunsystem ein Risiko für Immunfunktionstörungen. (Shoenfeld 2018)

Bei ähnlichen Influenza-Impfstoffen, die mit dem gleichen Zusatzstoff u.a. in Kanada hergestellt wurden (Arepanrix®), wurden aber keine vermehrten Narkolepsie-Fälle nachgewiesen. (Ahmad 2015)

Auch in folgenden Untersuchungen konnte kein Zusammenhang zwischen AS03 (in Pandemrix®) und dem Narolepsie-Risiko nachgewiesen werden (Ahmed 2016, 1, 2). Dagegen wurden die Hypothese eine Autoimmunstörung bei genetischer Disposition (HLA-DQB1*0602) zunehmend bestätigt, und konnte erklären, warum die Narkolepsie-Risiken weltweit so ungleich verteilt gewesen sei (Canelle 2016).

Immunstörungen, Diabetes Typ 1 u.a.

Pro einer Million Impfungen mit Pandemrix® sei es zu 3-6 Fällen schwerer Nervenerkrankungen (PEI 2012, Romio 2014) gekommen. Guillain-Barré / Miller-Fisher-Syndrom (GBS/FS) ist eine akute Entzündung des peripheren Nervensystems und der Nervenwurzeln (Polyradikuloneuritis) mit der Folge einer aufsteigenden Lähmung. Todesfälle sind möglich. Die Ergebnisse der Studie in Deutschland wiesen auf ein erhöhtes Risiko eines GBS/FS innerhalb des Zeitraums von 5 bis 42 Tagen nach der Impfung gegen Influenza A/H1N1 2009 hin. Das PEI schätze im Zeitraum von 5 bis 42 Tagen nach A/H1N1 2009-Impfung etwa sechs zusätzliche Fälle eines GBS/FS auf 1 Million geimpfter Personen.

2014 war in Schweden über erhöhte neurologische und immunologische Störungen nach der  Impfkampagne mit Pandemrix® berichtet worden (Perrson 2014). 2017 habe eine genauere Analyse bisher nicht zugänglicher Daten ergeben, dass in Schweden etwa 150 zusätzliche Diabetes-1-Fälle, insbesondere in den Zielgruppen 10-19 Jahre, aufgetreten seien (Anderson 2017).  Diese Personen hätten ebenfalls ein Anrecht auf Entschädigung.

Pandemrix® : mehr Risiken als Nutzen?

Pandemrix® sollte 2009 einer (fälscherweise erwarteten) „hohen Sterblichkeit“ durch ein neuartiges Influenza-virus (H1N1) vorbeugen. Wie alle sogenannten „Grippe“-Impfstoffe, beruhte die Vermutung der Wirkung gegen einen bestimmten Influenzavirustyp auf Messungen von Antikörperanstiegen nach Impfungen gesunder Testpersonen. Es war nicht bekannt, ob die Impfung tatsächlich die Personen schützen würde, die aufgrund von Vorerkrankungen oder ihrer Konstitution für „Grippe“ besonders gefährdet gewesen waren. Denn bei Immungeschwächten fällt natürlich auch der Impferfolg geringer aus.

Wie viele Personen durch die Impfstoffvermarktung während der milden Influenzasaison 2009 durch Pandemrix® vor dem Tod oder vor Langzeitschäden bewahrt wurden, ist nicht bekannt. Wäre diese Zahl groß gewesen, hätte man in Polen (ohne Impfkampagne) einen Anstieg der „Grippe“-Todesfälle beobachten müssen, was nicht der Fall war.
(siehe Ländervergleich)

Obwohl viele 2009 viele Information zu den Risiken und dem begrenztem Nutzen der massenhaft vermarkteten Produkte Pandemrix® und des Grippemittels Tamiflu® vorlagen, wurde die Öffentlichkeit weder sachgerecht noch transparent und umfassend informiert. (Doshi 2018)

Erste Schweinegrippe-Impf-Katastrophe

An expert is a person who avoids the small errors
while sweeping on to the grand fallacy.
Murphy’s Law

1976 breitete sich in der Militärregion Fort Dix (USA) ein neuartiges Influenzavirus aus. 230 von 19.000 Soldaten erkrankten. Bei 13 Patienten entwickelten u.a. Lungenentzündungen. Ein Soldat verstarb.

Im März 1976 begann eine nationale Kampagne mit der Produktion von 150 Mio. Impfstoffdosen. „Jede Frau, jeder Mann und jedes Kind“ in den USA sollte geimpft werden. Dann stellte sich heraus, sich der neue Erreger außerhalb von Fort Dix nicht nennenswert verbreitet hatte. Von Oktober 1976 bis Januar 1977 waren 40-48 Millionen Personen geimpft worden. Bei den Geimpften wurden 532 Fälle von Guillain-Barré-Syndrom diagnostiziert. 25 dieser Personen verstarben (Langmuir, 1979, s.u.).

Die Regierung setzte eine Kommission ein, um zu prüfen, wie es zu der Katastrophe kommen konnte. Ihre Schlußfolgerung ist auch heute noch aktuell:

We believe that in the absence of manifest danger, all-out action was a mistake. Beforehand … and after the decision. … the thing that was needed was a day around the table brainstorming Murphy’s Law: ‚If anything can go wrong it will!‘ When decisions are based on very limited scientific data, the Ministry should establish key points at which the program should be re-evaluated. (Neustadt 1978)

Einfache Intervention mit komplexen Folgen

Bei der Auslösung von Autoimmunerkrankungen handelt es sich nicht um eine einfache Ursache-Wirkungsbeziehungen.

Relativ einfache Interventionen hochkomplexe Systeme können manchmal zu unkalkulierbaren Folgen führen, die niemand im Voraus erahnte und die im Nachhinein nicht mehr in allen Details aufklärt werden können.

The complexity of this disease process is why our original investigation assembled an international team of 20 experts spanning vaccine discovery and development, informatics, formulations, in vitro cell biology, biologics (antibody) profiling, quantitative sciences, assay development, epidemiology, neurosciences, immunology, and mass spectrometry. … More lessons are sure to be learned from ongoing studies in narcolepsy and vaccine-associated narcolepsy. Ahmed 2016

Die Narkolepsie und Diabetes-1-Risiken  wurde eher zufällig durch spontane Meldungen entdeckt und nicht im Rahmen systematischer Nach-Vermarktungs-Studien (Gadroen 2016).

Folgerungen

„Der Zusammenhang zwischen dem Empfang von Pandemrix und der Entwicklung der Pandemrix der Narkolepsie war in den Ländern, in denen sie durchgeführt wurde, konsistent. Die beobachteten Risiken unterschieden sich gering, je nach Umfeld. … weitere epidemiologische und grundlagenorientierte Forschungsarbeiten sind erforderlich … Die Kommunikation muss verbessert werden … Die Gesundheits-gemeinschaft muss Lehren aus dieser Pandemie ziehen. …“ Tagungsbericht der IABS (International Alliance for Biological Standardization) im Mai 2019

Welche Lehren könnten waren hier gemeint?

Die Experten der IABS fordern mehr Forschung, mehr Mittel, mehr Vernetzung, mehr Mittel … das heißt ein weiteres Aufblähen des Apparates der das untersuchte Problem verursacht hatte.

Gibt es nicht auch andere Lehren:

  • Wenn einem zweifelhaften Nutzen der Impfung unkalkulierbare Risiken gegenüberstehen (wie in der Schwangerschaft), sollte man sie unterlassen. (siehe Grippeimpfung & Schwangerschaft) Denn auch nicht-adjuvantierte Influenzaimpfstoffe können in der sensiblen Phase der Ausreifung von Hirn- und Immunfunktion Risiken bergen.
  • Massenimpfungen mit geringem Nutzen und nicht kalkulierbaren Risiken sollten nicht mehr durchgeführt werden (Lundgren 2016).
  • Wenn wieder neue Impfstoff an großen Bevölkerungsgruppen getestet werden sollten (z.Z. gegen Zika-Viren in den USA, oder weltweit in Kürze gegen Dengue-Fieber) sollten diese Versuche von systematischen Post-Marketingstudien begleitet werden, und eine eindeutige Entschädigungsregelung bei Schadensfällen etabliert sein. (Halabi 2017)
  • Die Bevölkerung muss von den Gesundheitsbehörden vollumfänglich und rückhaltlos transparent aufgeklärt werden. (Doshi 2018)
  • Das Vorbeugeprinzip (Zuerst nicht schaden) sollte bei einer Impfstoffvermarktung besonders beachtet werden, da die Interventionen bei Gesunden erfolgen.

Mehr

Video

Pandemie-Management, 2010

Literatur

  • Ahmed S et al: Antibodies to influenza nucleoprotein cross-react with human hypocretin receptor 2,  Science Translational Medicine 2015, Vol. 7, Issue 294, pp. 294ra105
  • Ahmed S et al (2016-1): Mechanistic insights into influenza vaccine-associated narcolepsy. Hum Vaccin Immunother. 2016 Dec;12(12):3196-3201. Volltext
  • Ahmed S et al (2016-2): The Safety of adjuvanted vaccines revisited. Vaccine induced Narcolepsy. IMAJ March-April 2016
  • Ahmed S et al (2017) Narcolepsy and influenza vaccination-induced autoimmunity. Ann Transl Med. 2017 Jan;5(1):25
  • Anderson P: Hidden authority study data have come to light: besides narcolepsy, the swine influenza vaccine Pandemrix caused type 1 diabetes. J Intern Med 281, 2017. 99-101
  • AASM: American Academy of Sleep Medicine. International classification of sleep disorders. 3rd ed. Darien: American Academy of Sleep Medicine; 2014.
  • Bollaerts K et al: Application of Probabilistic Multiple-Bias Analyses to a Cohort- and a Case-Control Study on the Association between Pandemrix™ and Narcolepsy. PLoS One. 2016 Feb 22;11(2):e0149289.  eCollection 2016. Volltext
  • Canelle Q et al: Evaluation of potential immunogenicity differences between Pandemrix™ and Arepanrix™. Hum Vaccin Immunother. 2016 Sep;12(9):2289-98. Volltext
  • Doshi P: Pandemrix vaccine: why was the public not told of early warning signs? BMJ 2018;362:k3948
  • Vaccine. 2016 Sep 22;34(41):4892-7. Epub 2016 Aug 28.
  • FDA: Lessons learned from 1976 Swine Influenza Programm
  • Gadroen K: Patterns of spontaneous reports on narcolepsy following administration of pandemic influenza vaccine; a case series of individual case safety reports in Eudravigilance. Vaccine. 2016 Sep 22;34(41):4892-7
  • Halabi S et al: A Global Vaccine Injury Compensation System JAMA. 2017;317(5):471-472
  • Dye TJ et al.: Epidemiology and Pathophysiology of Childhood Narcolepsy. Paediatr Respir Rev. 2016 Dec 21. pii: S1526-0542(16)30134-8
  • Jackson et al., Effect of Varying Doses of a Monovalent H7N9 Influenza Vaccine With and Without AS03 and MF59 Adjuvants on Immune Response, A Randomized Clinical Trial, JAMA, 2015, 314(3):237-246
  • Langmuir AD: Guillain-Barré syndrome: the swine influenza virus vaccine incident in the United States of America, 1976-77: preliminary communication. J R Soc Med. 1979; 72(9): 660–669
  • Lundgren  B et al: ‘Rhyme or reason?’ Saying no to mass vaccination: subjective re-interpretation in the context of the A(H1N1) influenza pandemic in Sweden 2009–2010 Med Humanit. 2015 Dec; 41(2): 107–112.  Volltext
  • Neustadt RE: The Swine Flu affair, University Press of the Pacific, 1978.
  • Paul Ehrlich Institut Zusammenhang zwischen pandemischer Influenza A/H1N1v-Impfung und Guillain-Barré-Syndrom / Miller-Fisher-Syndrom in Deutschland, 2012
  • Perrson I et al: Risks of neurological and immune-related diseases, including narcolepsy, after vaccination with Pandemrix: a population- and registry-based cohort study with over
    2 years of follow-up. J Intern Med 275, 2014. 172-90
  • Romio S: Guillain-Barré Syndrome and Adjuvanted Pandemic Influenza A (H1N1) 2009 Vaccines: A Multinational Self-Controlled Case Series in Europe, PLoS One 2014
  • Sarkanen T et al: Narcolepsy Associated with Pandemrix Vaccine. Current Neurology and Neuroscience Reports. 2018: 18:43: https://link.springer.com/article/10.1007%2Fs11910-018-0851-5
  • Sarkanen T et al: Incidence of narcolepsy after H1N1 influenza and vaccinations: Systematic review and meta-anal. Sleep medicine 2018, 38:177–186 https://www.smrv-journal.com/article/S1087-0792(17)30001-1/fulltext
  • Watad A et al: The autoimmune/inflammatory syndrome induced by adjuvants (ASIA) syndrome: descriptive analysis of 300 patients from the international ASIA syndrome registry. Clin Rheumatol. 2018 Feb;37(2):483-493
  • Stowe J et al Risk of Narcolepsy after AS03 Adjuvanted Pandemic A/H1N1 2009 Influenza Vaccine in Adults: A Case-Coverage Study in England. Sleep. 2016 May 1; 39(5): 1051–1057.  Volltext
  • Verstraeten T et al: Pandemrix™ and narcolepsy: A critical appraisal of the observational studiesHum Vaccin Immunother. 2016 Jan; 12(1): 187–193. Volltext
  • Vogel G: Narcolepsy link becomes to pandemrix flu vaccine becomes clearer, Science 2015 Vol 349(6243):17, Link

Tamifu®-Story

Angesichts der Covid-19-Pandemie forderten einige eine Be-schleunigung der Zulassungsverfahren von Medizinprodukten. Die Erfahrungen mit dem Grippe-Mittels Oseltamivir (Tamiflu®) lehren Ent-schleunigung:

Owen Dyer: What did we learn from Tamiflu? BMJ 2020;368:m626

freie, gekürzte Übersetzung

„… Seit der Angst vor Vogelgrippe (H5N1) im Jahr 2004, horteten Regierungen, in riesige Mengen Neuraminidase-Inhibitoren (anti-virale Medikamente) wie Zanamivir (Relenza®) und insbesondere Oseltamivir (Tamiflu®):

  • 2003- USA nahmen Oseltamivir in den strategischen nationalen Lagerbestand auf
  • 2004 – Erster Ausbruch der Vogelgrippe H5N1 beim Menschen
  • 2005 – Großbritannien kündigte an, 14 Millionen Dosen Oseltamivir zu lagern
  • 2006- Cochrane-Review kam zu dem Schluss, dass Oseltamivir Komplikationen reduziert
  • Schweinegrippe-Pandemie 2009-H1N1 von der WHO ausgerufen
  • 2009- Das BMJ veröffentlichte kritischen Cochrane-Update-Review von Oseltamivir
  • 2011- Europäische Arzneimittelagentur veröffentlicht auf Antrag 20.000 Seiten Oseltamivir-Original Daten klinischer Studienprotokolle
  • 2013 – GSK und Roche veröffentlichten Versuchsdaten zu Zanamivir und Oseltamivir
  • 2014 – Cochrane-Überprüfung fanden unzureichende Beweise dafür, dass Oseltamivir die Komplikationen der unteren Atemwege reduziert oder die Übertragungen einschränkt
  • 2017 – WHO stufte den Status von Oseltamivir herab
  • 2020 – Cochrane-Teammitglied Thomas Jefferson verklagte Roche in den USA weil sie Oseltamivir fälschlicherweise als Pandemie-Medikament in Rechnung gestellt hatten

Von 28 europäischen Staaten, die einen Pandemie-Reaktionsplan veröffentlicht haben, machen alle (bis auf Polen) Oseltamivir bis heute zur Hauptstütze ihrer Reaktion auf eine Influenza-Pandemie, bis ein Impfstoff entwickelt werden kann. …

The Tamiflu-Story Tom Jefferson (Cochrane): Video März 2019 (4/9):

Versteckte Daten

Im Jahr 2009, als die Weltgesundheitsorganisation die neuartige Typ-A-H1N1-„Schweinegrippe“ zur Pandemie erklärte und die weltweiten Ausgaben für die Vorratshaltung von Oseltamivir fast sieben Milliarden Dollar erreichten, gab der NHS bei Cochrane eine systematische Überprüfung des Medikaments in Auftrag. … Die Grundlage für ihre früher Überprüfung im Jahr 2006, war eine 2003 durchgeführte, gepoolte Analyse, die auf zehn randomisierten kontrollierten Studien basierten, von denen nur zwei veröffentlicht worden waren. Die meisten Daten, die die Behauptung (zum Nutzen) von Oseltamivir unterstützen, hätten nie das Licht der Welt erblickt. Die Gutachter nahmen Kontakt mit den Autoren der Arbeit von 2003 auf, aber ihnen wurde gesagt, dass ihnen die Daten zu den fehlenden acht Studien nicht vorlägen. Also ging das Cochrane-Team zur Quelle, dem Hersteller, Roche. Das Unternehmen weigerte sich, die Daten freizugeben, es sei denn, die Gutachter unterzeichneten eine Vertraulichkeitsvereinbarung mit einer Geheimhaltungsklausel. Dazu waren sie nicht bereit, da dies sie davon abhalten könnte, ihre Ergebnisse zu melden. So begann eine öffentliche Kampagne, die vier Jahre lang andauerte und sich größtenteils auf den Seiten des BMJ abspielte. Sie brachte kritischen Details der Methoden und Ergebnisse von Arzneimittelstudien ans Licht, die die Industrie zuvor eifersüchtig als Geschäftsgeheimnisse gehütet hatte. Einem Antrag auf Informationsfreiheit 2011 folgte schließlich Freigabe von 20 000 Seiten unvollständiger Oseltamivir-Daten der Europäischen Arzneimittelagentur. Im Jahr 2013 veröffentlichte der Pharmariese GlaxoSmithKline, der Hersteller des anderen gelagerten Virostatikums Zanamivir, seine Daten zu dreißig Studien. Im gleichen Jahr gab auch Roche schließlich nach und veröffentlichte 77 vollständige klinische Studienberichte über Oseltamivir-Studien. Ein Cochrane-Review im Jahr 2014, bei dem die neu veröffentlichten Daten verwendet wurden, fand keine ausreichenden Belege für die Behauptung, dass Oseltamivir Komplikationen der unteren Atemwege verringerte oder die Virusübertragung behinderte. Die Gutachter warfen zudem neue Fragen zum Schadensprofil des Medikaments auf.

Diese Ergebnisse hatten jedoch keinen nennenswerten Einfluss auf die Abhängigkeit der Regierungen von Oseltamivir. … Bis heute werden die Pandemievorräte immer noch gewissenhaft aufgestockt, wenn auch zu niedrigeren Kosten, seit 2016 das Generikum Oseltamivir auf den Markt kam. … Ein Mitglied des Cochrane-Teams, Thomas Jefferson, verfolgte die Zusammenhänge bis heute. Papiere, die im Januar vor einem US-Bundesgericht entsiegelt wurden, zeigten, dass er Roche .. im Rahmen des US-False Claims Act verklagt, um 1,5 Milliarden Dollar zurückzuerhalten, die das Unternehmen seiner Ansicht nach zu Unrecht in Rechnung gestellt hat, indem es Oseltamivir als Pandemie-Reaktionspräparat an die US-Gesundheitsbehörden verkauft hat.

Der Zugang zu (allen vollständigen) Studien-Daten ist die wesentliche Lehre des Kampfes um Oseltamivir. Wie Roche hat auch der Rest der Pharmaindustrie die Behauptung aufgegeben, dass die detaillierten Berichte über klinische Studien (clinical study reports – CSRs), die sie den Aufsichtsbehörden zur Verfügung stellt, tabu sein sollten. CSRs zeigen oft mehr unerwünschte Ereignisse als veröffentlichte Versionen der gleichen Studien. CSRs „tendieren dazu, vollständiger zu sein“, … Oft sind sie Tausende von Seiten lang und können entscheidende Fehler in den Studienmethoden aufzeigen, wie z.B. sich in der Mitte des Studienverlaufs ändernde Studienendpunkte …

Forscher, die CSRs verwendeten, stellten fest, dass die Verzerrung durch Veröffentlichungen den Nutzen überbewertet oder den Schaden in den Fällen der Off-Label-Verwendung von … unterbewertet hat.“ (Zitat Ende)

Download (Artikel vom 19.02.2020, inkl. Literatur):

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Letzte Aktualisierung: 08.04.2023