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11. März 2025

Friedens-Kunst

Gemeinsam bewegt können alle gewinnen.

Um zu siegen, müssen andere nicht verlieren. Es ist möglich, Zusammenhänge und Möglichkeiten zu betrachten, sich zu beruhigen und das Nötige zu tun.

Wer Kampfkunst beherrscht, gewinnt ohne Gewalt. Durch Friedenskunst.

Warum führen wir dann Krieg?

Geist – Körper – Umfeld

Bild Jäger 2010

Die Psyche ist einer der vielen Aspekte des Körpers und seines Umfeldes. Innere und äußere Körperfunktionen wechselwirken. Sie klingen. Wie ein Instrument in einem Raum. Solange ein Organismus lebt, sind Nerven- und Bewegungsfunktionen ungetrennt. (Wolpert 2023)

Menschen können sich auf anderes einschwingen, sich synchronisieren und mit dem, was geschieht, zusammenwirken. (Parshall 2025)

Grundlage menschlicher Beziehungsfähigkeit sind die Besonderheiten der menschlichen Schult- und Hüftgelenke. Sie ermöglichten es unseren Vorfahren, mit den Händen zu tasten und sich mit Werkzeugen zu verbinden und gewandt zu töpfern. Menschen werfen und kochen – im Gegensatz zu Schimpansen,

Menschen erweiterten ihre Freiräume tastend, fühlend und gestikulierend. Das erforderte enorme Koordinierungs- und Planungsfähigkeiten. Und damit die Ausbildung der komplexen Informationsverarbeitung im menschlichen Gehirn. Dessen Aufgabe ist es

  • die Zukunft vorherzusagen,
  • Beziehungen einzugehen,
  • Bewegung (optimal angepasst an die Gegebenheiten) zu gestalten.

Gegenstände ergreifen, bewegen, manipulieren und zerschlagen gelingt anderen Tieren auch. Menschen tun mehr: Sie können durch Gegenstände fühlen. Und sich mit ihnen verbinden, um dann gewandt, mit Werkzeugen oder mit Material, etwas zu gestalten. Die Möglichkeiten, den Körper zu nutzen, wurden so erheblich erweitert.

Ruhe in Bewegung. Bild: Jäger 2005

Gehirn & Bewegung: Aspekte ungetrennter Funktions-Zusammenhänge.

Körperliche Erfahrung effektiver Bewegungsabläufe kann in natürlich fließenden Prozessen dazu führen, anders mit psychischen Belastungen umzugehen.

  • Das körperliche Erleben von Wachheit kann den Geist beruhigen.
  • Die Fähigkeit, sich in Bewegung zu verbinden und gewandt Prozesse zu gestalten, kann den Drang besänftigen, zielorientiert handeln zu müssen.
  • Der Zugang zu körperlichen Funktionen über die Psyche (Verstehen, Fühlen, Spüren) kann im Körper harmonischere, reibungsarme Bewegungsformen anregen.
  • Achtsame Bewegungskunst führt zu Ruhe und Ausgleich: heilsam und friedensfördernd.

Es ist möglich, sich körperlich an die angeborene Fähigkeit zu intelligenter, natürlicher, menschentypischer Bewegung zu erinnern. Selbst unter Belastung kann man sich gelöst bewegen: schonend, fröhlich, energievoll und entspannt zugleich. Gewalt muss nicht mit Gewalt beantwortet werden. Oder mit auszuhalten, kämpfen oder fliehen. Es ist möglich, innere und äußere Kräfte anzunehmen, zu nutzen und sie zu leiten.

Öffnen und schließen

Im Gegensatz zu militärischem Kampftraining oder Leistungssport, kann Bewegungskunst heilsam sein. Besonders dann, wenn die Natürlichkeit frühkindlicher Bewegungsmuster gefördert wird:

  • Einrollen und schlafen: Geborgen im Schutz der Mutter. Zu sich selbst finden.
  • Sich öffnen: sich neugierig mit dem verbinden, was geschieht.
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Öffnen. Bild: Jäger, 2010

Kinder kuscheln sich selig ein oder lachen fröhlich-unbekümmert: abwechselnd im Rhythmus des Lebens. Oder ausatmend, beruhigt durch den Impuls des Vagus-Nerven.

Später werden Kindern diese beiden grundlegenden, elastisch-entspannenden Bewegungsmuster wieder ausgetrieben: durch Drill, Zwang und Druck. Dann entsteht aus „dem Muster des Schließens“ verkrampfte Starrheit oder Einfrieren. Und aus dem Öffnen „Gewaltanwendung“ gegen das, was bedrohlich zu sein scheint. Gewandt verbunden sein wird dann ersetzt durch Gewinnen müssen, durch zielorientiertes Kämpfen.

Viele intelligente Bewegungsmethoden helfen dabei, den natürlichen Fluss von Körper und Geist prozessorientiert wiederzufinden. Sie entwickeln (eher nebenbei) Fähigkeiten, sich auf Belastungen friedvoll einzustellen.

Philosophie friedvoller Bewegung

Gesundheitförderndee Bewegungslehren entstanden aus philosophischen oder religiösen Weltbildern. Aus der griechischen Tradition, aus der Dao-Philosophie, dem Konfuzianismus, dem Sufi-Islam, dem Schamanismus, aus dem Yoga (Jain, Advaita, Buddhismus), dem Zen und vielem anderen.

Jedes dieser Konzepte ging oder geht für sich davon aus, dass man sich als Gesamtpersönlichkeit weiterentwickeln könnte: durch ein sorgfältiges körperliches Trainieren, einen geeigneten Atemfluss und eine Reflexion dessen, was man tut. Dabei könne manchmal der Körper die Bewegung anführen (Joggingu. a..), oder der Geist (Mindfulness u. a.). Körper und Geist erweiterten so ihren Wahrnehmungs– und Handlungsraum.

Viele der philosophischen oder religiösen Bewegungslehren schließen ‚Anderes‘ als eine ‚Nicht-Wahrheit‘ aus. Das wird untereinander meist freundlich toleriert. Aber es behindert aber den Austausch und gemeinsames, friedvolles Handeln.

Friedens-Kunst

Vor dem Hintergrund von Bedrohung, Gewalt, Ausbeutung und Krieg beginnen heute manche Bewegungslehrer:innen darüber nachzudenken, welchen Betrag sie durch ihre Kunst zu einer friedlichen gesellschaftlichen Entwicklung beitragen könnten.

Einige Yoga-Lehrer:innen betonen die innere Zentrierung von Körper und Geist, die das Umfeld günstig beeinflussen kann. (Yoga-Journal 2024) Ein Taiji-Lehrer denkt darüber nach, ob und wie „eine friedliche und nachhaltig entwickelte Welt …“ durch „Entschleunigung im Zeitalter der Hyperschallraketen“ Gestalt annehmen könnte. (Mögling, 2024)

Sie leitet sich aus körperlichem Erleben ab. Wenn Gewalt nicht mit Gegengewalt beantwortet wird, sondern mit Ruhe und Besonnenheit.

Für Friedfertigkeit sprechen dann nicht nur moralische und ethische Argumente. (Müller 2023) Sondern ihre Wirksamkeit. Bei Friedens-Kunst entstehen keine Kollateralschäden, aber es kann gelingen, dass die Gewalt ins Leere läuft. Nichts spricht dafür, dass eine denkbare Notsituation lang anhaltend oder nachhaltig besser bewältigt werden könnte, wenn Piloten, Krieger oder Ärzte die Welt nur noch röhrenförmig wahrnehmen und dann zuschlagen oder fliehen oder erstarren.

Kampf- oder Friedens-Kunst?

Manche Kampfkunst-Lehrer:innen betonen die Fähigkeit, Kämpfe gegen Gegner zu gewinnen. Durch schnelles Handeln bei kleinstmöglichem Energieaufwand. Der Sieg wird errungen, weil der andere verliert.

Bei der Friedens-Kunst gibt es keine Gegner, sondern nur Menschen, die sich unterschiedlich verhalten. Ziel ist nicht der Triumph des einen und der Niedergang des anderen, sondern die Gestaltung einer gelingender Kommunikation bei möglichst geringen Schäden (auf beiden Seiten).

In allen Kampfkünsten sind beide Ausgestaltungsmöglichkeiten (Krieg und Frieden) gleichermaßen angelegt.

Entscheidend für die Ausgestaltung angewendeter Techniken ist die Einstellung. Also die Qualität des inneren Zustandes, bevor etwas auf ein anderes einwirken kann.

Herrscht eine kriegerische Einstellung vor oder Stress, dann wird die Einleitung des Handelns aggressiv sein. Um dem anderen möglichst viel Schaden zuzufügen. Oder ihn so zu entspannen, dass er sich nicht mehr wehren kann und aufgibt.

Bei einer friedlichen Einstellung gewinnt der Handlungsprozess an Bedeutung. Die Gewandtheit und die Verbindung in körperlicher Kommunikation. Dafür ist es notwendig, Kriegstechniken zu verstehen. Es erfordert Geduld, Lernen und Erfahrung, bis äußere Gewalt ins Leere gelenkt wird. Dann aber ist Pazifismus nicht mehr passiv, sondern effektiv und dynamisch wirksam.

Die ersten Kampfkünste wurden von armen Bauern entwickelt, die sich der Räuber erwehren mussten. Sie trainierten effektive Selbstverteidigung. Sie lernten, sich mit geringem Energieverbrauch an äußere Kräfte anzupassen und sie so zu lenken und zu leiten.

Angesichts moderner Waffensysteme scheint diese Kunst an Bedeutung verloren zu haben. Denn in modernen Kriegen triumphieren Täuschung, Gewalt, Bösartigkeit, Gier, Mordlust und Hetze.

Gerade deshalb ist es umso nötiger, zu verstehen, wie banal Brutalität wirkt. Und zu lernen, wie man mit roher Aggression intelligent gehen kann, unverletzt bleibt und gewinnt, ohne zu kämpfen.

„Friedensfähigkeit“ muss nicht nur wiederentdeckt werden. Man muss sie trainieren: psychisch und körperlich. Möglichst früh schon, in Kindergärten und Schulen.

Mehr

Literatur

Letzte Aktualisierung: 27.04.2025