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Das Grauen in Zahlen

Ob jemand gestorben ist oder nicht, ist eindeutig.

Theoretisch. Denn die Meldungen zu Todesraten können geschönt, bereinigt oder überhöht werden. Sie werden in Kriegen bearbeitet und verfärbt, um sie propagandistisch als Waffe einzusetzen. Man meldet die Gefallenen des Feindes, verschweigt eigene Verluste und verdrängt „Kollateralschäden“ bei Unbeteiligten. Außerdem sagen Meldezahlen, ohne sorgfältige Vergleiche, nichts darüber aus, ob Menschen ohne, mit, an oder wegen unterschiedlicher Ereignisse oder Gegebenheiten verstorben sind.

Trotzdem ist die Zahl der Toten ein wichtiger Hinweis für den Umfang der gewaltigen Zerstörungen, die moderne Kriege anrichten. Die Zahl der Verletzten und Traumatisierten ist immer um ein Vielfaches größer, aber schwieriger zu bestimmen. Und noch komplexer ist es, alle bleibenden Schäden der Biosphäre durch moderne Kriegsführung zu beurteilen.

In der medizinischen Fachzeitschrift Lancet wurde im Februar 2025 eine Untersuchung zur Sterblichkeit durch Kriegsverletzungen im Gaza Strip veröffentlicht, für den Beobachtungszeitraum vom 7. Oktober 2023 bis zum 30. Juni 2024. Sie kommen zu dem Schluss, dass die Todesfälle in den Berichten des Gesundheitsministeriums um 41 % unterschätzt wurden:

„Im Oktober 2024 lag die offizielle Schätzung des Gesundheitsministeriums bei 41.909, was darauf schließen lässt, dass die tatsächliche Zahl der Todesfälle wahrscheinlich über 70.000 liegt. Diese Studie unterstreicht, wie wichtig es ist, statistische Methoden zur genauen Schätzung der Todesfälle im Zusammenhang mit bewaffneten Konflikten einzusetzen und sich nicht nur auf die gemeldeten Zahlen zu verlassen. Die hohe Sterblichkeitsrate, die unsere Studie in Verbindung mit früheren Erkenntnissen belegt, unterstreicht die schwere Krise im Gazastreifen. Unsere Ergebnisse bestätigen die von palästinensischen und internationalen Organisationen, einschließlich angesehener Menschenrechts- und humanitärer Organisationen und UN-Sonderberichterstattern, geäußerten Bedenken über das Ausmaß der zivilen Opfer. Unsere Studie stützt die Ansicht, dass die Zahlen des Gesundheitsministeriums die Sterblichkeit eher unterschätzen als überschätzen.“ Jamaluddine et al.: Lancet 2025; 405: 469–77

Daten der UN

Das Büro der humanitären Hilfe der Vereinten Nationen (OCHA) versucht, Elend, Trauma und Leid der Menschen in der Region in Worte und Zahlen zu fassen, abgerufen am 16.05.2025.

Opferzahlen Gaza, Palästinenser, Israelis, OCHA, 30.04.2025 www.ochaopt.org/content/reported-impact-snapshot-gaza-strip-30-ap bei einer Gesamtbevölkerung im Gaza-Streifen (45 qkm) ~ 2,2 Mill. (Statista)

Mich schaudert es:

Mehr als zwei Millionen Menschen sind Kriegs-traumatisiert, mit Folgen, die erst nach ein bis zwei Generationen verheilt sein werden. Ein großer Teil wird ein Posttraumatisches Stress-Syndrom (PTSS) erlitten haben, mit psychischen und körperlichen Langzeitschäden. Dazu kommen Verletzungen und Invalidität, die Folgen von Unterernährung, mangelnder Gesundheitsversorgung und Vergiftungen (Strahlung, Verseuchung des Grundwassers, Asbest, Pestizide …). Ein relativ gut untersuchtes Beispiel ist der Irak-Krieg 2003-2011:

WHO: https://www.who.int/news/item/12-05-2025-people-in-gaza-starving–sick-and-dying-as-aid-blockade-continues, aufgerufen am 16.05.2025

„… etwa ein Drittel (der Sterblichkeitsrate im Irakkrieg) ist indirekten Ursachen zuzuschreiben, z. B. Versagen des Gesundheitswesens, der sanitären Einrichtungen, des Verkehrs, der Kommunikation und anderer Systeme. Ungefähr eine halbe Million Todesfälle im Irak könnten auf den Krieg zurückzuführen sein.“ Hagopian A et al.: Mortality in Iraq associated with the 2003–2011 War and Occupation: PLOSMed 15.10.2013

Sicher ist: über zwei Millionen Menschen sind krank und leiden

Können fühlende Menschen etwas tun?

Ja, wir können dem Kriegswahn widersprechen und für Friedenstüchtigkeit werben.

IPPNW Jahreshauptversammlung, Berlin, 14.05.2025, https://www.ippnw.de/startseite/artikel/de/aerztinnen-und-gesundheitsfachkraefte.html

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Letzte Aktualisierung: 16.05.2025