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Entwicklungszusammenarbeit

Entwicklungshilfe gibt es erst seit einem halben Jahrhundert

Ihr folgte die Entwicklungszusammenarbeit. Das klingt weniger patriarchal.

Development prägte mich als „Entwicklungshelfer“ in Tansania, als „GTZ-Entwicklungs-Experte“ in Zaire (heute Kongo), als Leiter der Gesundheitsvorhaben des Deutschen „Entwicklungsdienstes“. Und dann auch im Unterricht, bei der Evaluierung von Projekten oder der Begleitung von „Entwicklungs-Programmen“.

Erfunden wurde die „Entwicklung“ nach dem Zusammenbruch der Kolonial-Imperien Englands und Frankreichs. Die im Weltkrieg siegreichen USA suchten im neuen Kalten Krieg dringend eine Alternative zum bürokratischen Sozialismus und den nationalen Befreiungsbewegungen. 1947 kristallisierten sich unter Präsident Truman mehrere wirksame Strategien heraus

  • Investitionen in neue Märkte (Marshallplan)
  • Eindämmung (UdSSR und andere Risiko-Länder isolieren) (Containment)
  • Interventionismus als Weiterentwicklung der Monroe Doktrin „… freien Völkern beistehen, die sich der angestrebten Unterwerfung durch bewaffnete Minderheiten oder durch äußeren Druck widersetzen“. (Truman 1947)
  • Development: „Wachstum der Produktion ist der Schlüssel für Wohlstand und Frieden!“ (Truman 1947)

Als ein „freies Volk“ im Kongo in der ersten freien Wahl Afrikas den falschen Präsidenten wählte (den jungen Gewerkschaftsführer Patrice Lumumba), befahl Präsident Dwight Eisenhower (wie seit 2000 bekannt ist) seine Eliminierung. Denn Uranvorkommen waren damals im Rüstungswettlauf mit der UdSSR von überragender Bedeutung. Man unterstützte seither Regierungen, die ihr Land dem Weltmarkt gegenüber öffneten und an dem die einheimischen Türsteher am Ressourcenverkauf verdienten. Wie in Niger, dessen Uran in den französischen AKW’s verfeuert wurde, während die Bevölkerung unverändert arm blieb. Eisenhowers Nachfolger J. F. Kennedy erkannte: „Wenn eine freie Gesellschaft der Masse der Armen nicht helfen kann, kann sie die kleine Zahl der Reichen nicht retten.“. Er gründete folgerichtig Peace Corps, USAID …, die seither das militärische und kommerzielle Wachstum der US-Politik humanitär ergänzten.

In Deutschland folgten kaum ein Jahr später Schwesterorganisationen wie der Deutsche Entwicklungsdienst oder der Expertendienst GAVI/GTZ/GiZ.

Als Student und junger Arzt war ich von „Entwicklung“ überzeugt. Ich glaubte, dass gut gemeinte Hilfe von engagierten Menschen immer mehr nutzen kann, als sie schaden könnte. Es zog mich 1980 in die „Entwicklungshilfe“ in ein Land, das von einem Freund Lumumbas regiert wurde (Julius Nyerere), und der überlebt hatte, weil man damals die Bodenschätze dieses Landes noch für unbedeutend hielt. Später dann erlebte ich in einer ganz anderen Position die Realität im reichen Kongo, das von dem Mörder Lumumbas regiert wurde. Als ich 1987 dort einreiste, schrie der Präsident in einem fernseh-übertragenen Korruptionsprozess einen Minister an, der in die Porto-Kasse gegriffen hatte: „Il faut voler avec intelligence!“ („Man muss intelligent klauen, du Depp!“). Spätestens angesichts dieser unvergesslichen Erfahrung wuchsen meine Zweifel.

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Wie in der Medizin begegneten mir auch in der Entwicklungszusammenarbeit viele engagierte, kluge, empathische Menschen, die sich, von Werten geleitet, leidenschaftlich für einen Sinn einsetzten. Die aber immer wieder erkennen mussten, dass die Dynamik der globalen Wirtschaft nachhaltige Entwicklung verhindert, erreichte Erfolge zunichtemacht oder auch zu neuen Problemen führt, die man zuvor nicht erahnen konnte.

Die Bürokratien der EWZ sorgten für ein Wachstum ihres eigenen Geschäftsmodells, berichteten von den positiven Ergebnissen („lessons learned“) und verdrängten Fehler und Misserfolge.

Der Grund dafür war (und ist) relativ einfach:

In einem normalen Wirtschaftsverhältnis stehen sich Produzent und Käufer gegenüber. Das fördert Kundenfreundlichkeit.

Charakteristisch für die Entwicklungszusammenarbeit ist ein Dreierverhältnis von Geldgebern (im fernen Norden), dem europäischen Team im „Gast“-Land und einer fernen Bevölkerungsgruppe, um deren miserablen Lebensbedingungen es eigentlich geht. Die Zielgruppe ist schwach und die Auftraggeber mächtig. Folglich muss der Teamleiter, der zwischen beiden steht, dafür sorgen, dass er seine Bosse im Norden beglückt, mit schönen Berichten, Zahlen, Indikatoren, Fotos, T-Shirts und Hochglanzbroschüren. Es geht darum, zu zeigen, wie die Realität im Projekt SEI. Nicht, wie sie tatsächlich IST. Ob und was bei der eigentlichen Zielgruppe (und wie) ankommt, ist nur von sekundärer Bedeutung. Dann wird das Projekt abgeschlossen, das Projektbüro übergeben, der Fahrzeugpark und die Elektronik verkauft, und das Team fährt nach Hause oder erhält den Folgeauftrag in einem anderen fernen Land.

Bei diesem Spiel werdender und sterbender Projekte und Programme erlebte ich häufig nach der Anfangseuphorie eine Langzeitdepression. Oft wurden nach einem Scheitern Entwicklungsruinen zurückgelassen, die mangels Haftung und Verantwortlichkeit anschließend nicht beseitigt wurden. Besonders zwei Interventionen in komplexe Zusammenhänge, die erhebliche Probleme verursachten, die es ohne die Intervention nicht gegeben hätte, sind mir sehr vertraut (s. Literatur und Links).

Auf Publikationen und Diskussionsbeiträge zu solchen Themen hatte ich früher konkreten Widerspruch erwartet. Der blieb in der Regel aus. Die dominierende Rückmeldung bestand in Schweigen. Manchmal zeigte man mir Verständnis und stimmt mir auch zu. Aber man riet, meine Zeit nicht zu vergeuden, da Haftung (accountability) und Verantwortlichkeit (responsibility) in der Entwicklungszusammenarbeit nun mal Fremdwörter seien.

Bei Unterrichtsreisen ins Ausland sah ich in den vergangenen Jahren zunehmend Auswirkungen von Umweltproblemen. Wie die Vergiftung der Böden, der Luft und des Wassers. Um diese wirksam zu beeinflussen, wären soziale Anstrengungen erforderlich gewesen, die ein gesamtes Gemeinwesen betreffen. Die Projekte der Entwicklungszusammenarbeit mussten sich aber jeweils auf die Ausrottung bestimmter Einzelprobleme beschränken und trugen deshalb eher dazu bei, die Krankheit des Gesamtsystems zu stabilisieren, statt zu seiner Gesundung beizutragen.

Heute steckt die Menschheit definitiv in der Klemme. Die Entwicklungszusammenarbeit erwies sich als eine Alibi-Unternehmung zur Linderung der Folgen des globalisierten, kapitalistischen Wachstums. Sie hat angesichts drohender Katastrophen keine schlüssige Antwort parat.

2025 wurde die Entwicklungszusammenarbeit von der neuen amerikanischen Regierung beerdigt. USAID ist abgeschafft. Im Zeitalter der klaren Deals soll es nur noch um die Sicherung der Minen und Bohrstellen gehen. Die Maske ist gefallen. Das Alibi („Wir tun Gutes!“) wird nicht mehr benötigt.

Eine fundierte Analyse der Entwicklungszusammenarbeit im Umweltsektor (Naturschutz) kommt zu dem logischen Schluss, man solle aufhören, um bestimmte Aspekte herumzureden. Stattdessen müsse man endlich die Wurzeln des Problems benennen: kapitalistisches Wachstum, Gier und Gewalt. Solange sich daran nichts ändere, sei jede Form von Entwicklungszusammenarbeit vergebens. (Büscher 20204, Video)

Vollständiger Artikel

„Entwicklung“ (Development)

  • Einfache Interventionen in komplexe Zusammenhänge
  • Weitere Artikel, Vortrag, Links, Literatur
Letzte Aktualisierung: 12.05.2025