Heilung ist ein friedlicher Prozess
Medizin wird bestimmt durch moderne Kriegsführung gegen Viren, Krebs, Bakterien oder gegen Probleme, Störungen oder Unpässlichkeiten. Die Bekämpfung von Krankheit erfordert eine Architektur, in der optimale Ablaufprozesse des Patienten-Management Kosten- und Zeit einsparen, ohne die Erreichung kurzfristiger Ziele zu gefährden.
Manche Krankenhaus-Neubauten ähneln Fabriken
Dort werden dringende Reparatureingriffe erledigt und die Patient:innen effizient im Rahmen des „patient-processing“ durchgeschleust. Die eigentliche Genesung soll nach der „zeitnahen“ Entlassung, „da draußen“ im ambulanten Bereich stattfinden.
Angesichts baulicher Wucht erwarten die Patient:innen dort technisch-hochpräzise handelnde Expert:innen, die mit modernsten Algorithmen komplizierte Reparaturaufgaben erledigen.
Dort werden dringende Reparatureingriffe erledigt und die Patient:innen effizient durchgeschleust. Die eigentliche Genesung soll nach der „zeitnahen“ Entlassung in den ambulanten Bereich stattfinden.
Angesichts der baulichen Wucht erwarten die PatientInnen dort technisch-hochpräzise handelnde Expert:innen, die mit modernsten Algorithmen komplizierte Reparaturaufgaben erledigen.
Aber es fehlt dort oft an Räumen und Orten, die heilende Prozesse begünstigen könnten. Obwohl die Auswirkungen lichtdurchfluteter Raumgestaltung seit vielen Jahren bekannt sind.
Heilungsförderndes Bauen
Gesundheitsförderliches, lichtdurchflutetes wurde bereits früher beschrieben. Einer Gruppe von Designer:innen und Architekt:innen in England gelang es aber erstmalig erfolgreich ein Konzept für friedvoll-lichtdurchflutete Orte für schwer erkrankte Menschen zu gestalten.
Nach dem Bau eines ersten Modells entstanden seither immer mehr „Oasen für Menschen mit Krebs“ Großbritannien, aber auch in Barcelona und in Hongkong.
Architektur der Hoffnung
Die in England erfolgreiche Oasen-Bewegung, hat sich das Ziel gesetzt, durch einfühlsame Raumgestaltung Heilungsprozesse zu begünstigen – unabhängig von Bekämpfungsstrategien.
Zitat: Maggie Keswick Jencks war siebenundvierzig Jahre alt, als bei ihr Brustkrebs diagnostiziert wurde. Fünf Jahre später bekam sie starke Rückenschmerzen, die zunächst für Störungen des Bewegungsapparates gehalten wurden. Bis ihr ein Arzt mitteilte, dass sich der Krebs vermutlich auf ihre Knochen, Leber und Knochenmark verbreitet hätte. Daraufhin wurde sie in eine Spezialklinik in Edinburgh überwiesen. Dort musste sie in einem „schrecklichen, kalten Innenraum mit Neonbeleuchtung“ warten, bis eine Krankenschwester sie aufforderte, mit Ihrem Ehemann in den Behandlungsraum zu kommen. Sie fragte dort sehr direkt: „Wie lange haben wir?“ Darauf der Arzt: „Wollen Sie das wirklich wissen?“ – „Ja, wir wollen es wirklich wissen.“ – „Zwei bis drei Monate.“ – „Oh …!“ Und dann unterbrach die Krankenschwester: „Es tut mir sehr leid, Dear, aber wir müssen dich in den Korridor verlegen. Es warten so viele andere.“ Sie fand sich in einem fensterlosen Korridor wieder, und versuchte mit der Vorstellung umzugehen, nur noch zwei bis drei Monaten zu leben. Zufällig kamen Bekannte vorbei, die fröhlich fragten: „Na Kleine, wie geht’s?“ Ihr gelang ein verkrampftes Lachen: „Gut geht’s mir!“ (Guardian 11.02.2011)
Sie spürte noch Leben in sich.
Maggie Keswick Jencks hatte erkannt, dass es für sie keine Heilung geben konnte. Sie hatte ihre Krankheit angenommen. Und wollte etwas Sinnvolles tun. Sie hatte erlebt, dass nicht nur sie angesichts lebensbedrohlicher Erkrankungen in Krankheit-verstärkende Umgebungen gezwungen wurde.
Sie wollte „zu sich zu kommen“, und das eigene Leben selbst bestimmt gestalten.
Respekt, Zeit und Raum
Bis zu ihrem Tod (1995) arbeitete Maggie mit einer jungen Krankenschwester an der Gestaltung von Krebsbetreuungszentren. Sie (Designerin) und ihr Mann (Architekt) realisierten Oasen: Ruhe- und Schutzräume, die allein durch die Schönheit ihrer äußeren Gestalt und durch die liebevollen Details ihrer Innenausstattung heilsam wirken sollten.
Die Maggie’s-Center entstanden in der Nähe von Krebsbehandlungszentren, sind aber von diesen organisatorisch und inhaltlich unabhängig.
Die Hemmschwelle diese Orte zu betreten ist sehr niedrig. Betroffene sind immer willkommen, für einen ersten Kontakt, für einen Tee oder ein Gespräch. Die Angebote, die den Raum füllen, helfen zu entspannen und zu akzeptieren, und sie unterstützen den Aufbau von neuem Selbstwertgefühl. Der ganze Mensch mit allen seinen geistigen, körperlichen und sozialen Aspekten steht im Zentrum der Aufmerksamkeit. Damit Harmonie entstehen kann, und die Zahl der Möglichkeiten für günstige Entwicklungen zunimmt.
Der Kampf gegen einen Feind (den Krebs) bleibt Aufgabe der Behandlungszentren. Bei Maggies beruhigt sich das Kämpfen, und ein Frieden (mit sich und dem Schicksal) erhält eine kleine Chance.
In den vergleichbaren Projekten anderer Länder stehen dagegen die kämpferischen Aspekte im Vordergrund. Hier gilt es wieder fit zu werden, um den inneren Feind besiegen zu können.
Maggie’s Idee ergänzt (manchmal notwendiges) Kämpfen durch eine versöhnende Perspektive, die zu Ruhe führt, zu Lebenskraft und zu neuen Perspektiven, trotz Krankheit.
Die Maggie’s-Zentren regen an, etwas anzunehmen, wie es ist, etwas Unbekanntes zu entdecken, etwas auszuprobieren, es zu entwickeln, es zu gestalten und es selbstbestimmt und kreativ mit Sinn zu erfüllen.
Maggie Keswick Jencks lebte und wirkte, nachdem man ihren einen nahen Tod angekündigt hatte, noch weitere sieben Jahre.