Ökosystem Zelle
Ich hatte keine Ahnung, dass alles so integriert und schön ist … jede Organelle zeigte sich in einem dynamischen Tanz von Teilen, die sich ständig umarmen. I had no idea everything was so integrated and beautiful … each organelle could be shown in a dynamic dance of parts that continuously embrace. (Dolgin 2019).
Der folgende Text ist ein Auszug aus:
„Die Bedeutung der Toleranz der Mitochondrien für Gesundheit und Lebenslänge“.
Internistische Praxis 15.03.2021, IP 2021 63(3)373-380 (pdf 150 KB)
Mitochondrien: Viel mehr als Haustiere der Zelle
Mitochondrien schwimmen in der Zellflüssigkeit. Sie verschmelzen miteinander, teilen sich und werden, sobald sie kränkeln, abgebaut und verdaut. Diese kleinen Lebewesen sind für wesentliche Zell-Funktionen verantwortlich:
- Atmung
- Stoffwechsel
- Energiebereitstellung
- Übertragung von Immuninformationen, uva.
Störungen der Mitochondrien führen zu Fehlfunktionen, die zahlreiche Zellkrankheiten auslösen können
- überschießende Immunreaktionen
- Krebs
- Neurodegenerative Erkrankungen … uva

Bild: Das Mikrobiom gleicht einer Herde von Haustieren. Bakterien und Viren sind untrennbarer Teil dessen, was wir sind. Das gilt ebenso für die ehemaligen Mini-Bakterien in unseren Zellen. Wir haben keine Mitochondrien, sonder wir (uva. auch) Mitochondrien. Bild: ronin@posteo.de
Mitochondrien sind 100% Homo-sapiens-typisch
Die Zellkern-Gene der Menschen in Eurasien enthalten zwei oder mehr Prozent Erbinformation anderer Frühmenschentypen. Frauen afrikanischer Homo sapiens-Einwanderer nach Europa hatten offenbar (mehr oder weniger freiwillig) Sex mit (männlichen) Neandertalern. Sie gebaren Mischlings-Kinder, die, sofern sie die Geburt und die Frühkindheit überlebten, sich besser an das raue nördliche Klima anpassen konnten, als ihre ursprünglichen, aus Afrika eingewanderten Vettern.
Auch in anderen Weltregionen mischten sich Homo-sapiens-Gruppen mit menschenähnlichen Vettern. Die Gene im Zellkern entsprechen also weltweit nicht mehr denen der ersten Homo-sapiens-Menschen.
Wirklich exakt Homo-sapiens-typisch ist daher nur die zirkuläre DNA der Mitochondrien.
Denn die siebenunddreißig Mitochondrien-Gene wurden und werden (nur) über die weiblichen Eizellen (in reiner Linie) vererbt.
Funktionen der Mitochondrien
Würde man eine Zelle mit einer mittelalterlichen Stadt vergleichen, wäre der Zell-Kern das Rathaus mit der Stadtregierung und einer Bibliothek. Die Mitochondrien dagegen glichen eine Ziegenherde, die innerhalb der Stadtmauern friedlich graste.
Mitochondrien liefern als Zell-Haustiere nützliche Produkte. Sie versorgen den Rest der Zelle mit ausreichend Energie. Sie sind ohne die Gene des Zellkerns nicht mehr lebensfähig, da sie diesen (mit-)bestimmt werden. Aber sie besitzen (durch eigene Gene) noch eine gewisse Eigenständigkeit.
Und genau wie Nutztiere produzieren sie Abfall, der entsorgt werden muss:
- Kohlendioxid (das über die Lunge abgeordnet wird),
- Wasser (das über die Niere ausgeschieden wird), und
- freie Radikale.
Freie Radikale sind aggressiv-reaktionsbereite Moleküle, die bei chemischen Prozessen anfallen, bei denen Sauerstoff beteiligt ist (Oxidation). Sie sind nicht nur für die Zellen, sondern auch für die Mitochondrien selbst gefährlich.
Normalerweise sehen Mitochondrien gurkenartig aus. Unter Stress (bei einer zu hohen Konzentration freier Radikale) nehmen sie eine donut-ähnliche Form an. Wenn der Stress zu groß wird, verklumpen sie.
Wird das Immunsystem aktiviert, steigt die Konzentration von freien Radikalen an. Umgekehrt führt ein Anstieg der freien Radikale zu einer Stimulierung der Immunreaktion. Die Konzentration der freien Radikale (in einem physiologischen Rahmen von Belastung und Ruhe) hat Signal-Charakter. Freie Radikale durch Medikamente (z.B. durch Antioxidantien in Nahrungsmittel-Ergänzern) komplett auszuschalten, ist daher keine gute Idee.
Als Energiekraftwerke der Zellen besitzen Mitochondrien ein Eiweiß, das unter Nutzung von Sauerstoff ein hochenergiereiches Molekül aufbaut (die „ATP-Synthetase“). Zudem helfen sie bei der Entgiftung der Zellen bei sauerstoffabhängigen Abbauprozessen (im Rahmen von Oxidation).
Ihre Funktionen sind besonders wichtig an Orten mit hohem Energieverbrauch, wie z. B. in den Kontaktstellen zwischen Zellen (den Synapsen), in rasch wachsenden Geweben und vor allem auch im Gehirn.

Rongvaux A: Innate immunity and tolerance toward mitochondria, Mitochondrion 2018, 41:14-20, https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S1567724917302350?via%3Dihub
Geht es den Mitochondrien gut, ist der Körper gesund.
Die Dynamik des mitochondrialen Stoffwechsels und ihre Beziehung zu den anderen Zell-„Organe“ sind Grundlagen menschlicher Gesundheit.
Das Gleichgewicht des Spiels zwischen intrazellulärer Toleranz der Mitochondrien und ihrer Entsorgung schützt vor Krankheit.
Körperliche Bewegung, Meditation, Schlaf, freier Atem, Sonnenlicht, wenig Stress und Ernährungsweise wirken günstig auf die Gesundheit der Mitochondrien und ihre Lebensdauer.
Medikamentöse Eingriffe nutzen bisher nicht nachweisbar. Zuviel Medikamente und Umweltgifte schaden.
Alle Versuche „mechanistisch“ in diesen hochkomplexen Wechselwirkungen des Zellinneren herumfummeln, sind riskant: Das unbekannte Nicht-Wissen ist in diese komplexen Zusammenhängen unbegrenzt.
Daher gilt hier ganz besonders: Zuerst nicht schaden!
Mitochondrien und Covid-19
Wenn SARS-CoV-2-Erbgut in die Mitochondrien gelangt, manipuliert es deren Funktion. In der Folge kann es zu Schädigungen kommen, die entzündliche Reaktionen auszulösen. Manchmal reagiert das Immunsystem dann stürzt („Zytokin-Sturm“), und das kann im Zusammenhang mit anderen Störungen auch tödlich enden.

Vollständiger Text und Literatur
- Ökosystem Zelle: Internistische Praxis März 2021, IP 2021 63(3)373-380 (pdf 150 KB) –
- Ökosystem Mensch (Mikrobiom)
- Artensterben