30. August 2024

Kommerz-Medizin

Inhalt:

  • Der Triumph der Medizin
  • Gesundheitskulte 2020-2022

Der Triumph der Medizin

Vor 100 Jahren, am 15.12.1923, wurde das Theaterstück „Knock oder der Triumph der Medizin“ im Théâtre des Champs-Élysées erstmalig aufgeführt, eine beißende Satire auf die allumfassende Deutungsmacht der Medizin, der offensichtlich auch zu der Zeit schon spürbar war. …

Endlich sie da: Die Volksdroge.

Gesundheitskulte

2020 – 2022

„… Die Bürger vertrauen der Regierung weitgehend – sie respektieren alles, was von oben kommt, sie halten sich an die Vorschriften, sie mucken nicht auf, zumindest nicht öffentlich. … Umgekehrt … vertraut die Regierung den eigenen Bürgern kaum. Sie kommuniziert nicht offen, ihre harten Maßnahmen werden nicht klar begründet. … Man scheint davon auszugehen, dass die Leute nur dann verantwortungsvoll handeln werden, wenn man sie wie Primarschüler behandelt. … das Vertrauen der Bürger in die Regierung ist auch der Not geschuldet – sprich: der Angst. … Wir haben im Zeichen von SARS-CoV-2 noch keine Herden-Immunität erreicht, wohl aber kurzfristig eine Herden-Mentalität! … Aber diese Art des Konformismus wird auch wieder abnehmen …“ Interview O. Zimmer, 13.05.2020, NZZ

Die Übernahme der Macht durch „Ärztliche Kommissar:innen der Volksgesundheit“ um 2020 war der Höhepunkt einer bereits ablaufenden Medikalisierung aller Lebensbereiche, durch stetig und Krisen-stabil wachsende Marktangebote.

Im Rahmen der Coronitis wurden Simulationen, Hochrechnungen, Politikermeinungen, Kommerz und Statistiken als neue Religion aufgebaut, die zum Konsum von Pharmaprodukten und ärztlichen Interventionen nötigt.

Das ur-alte chinesischen Bild des Hirten (konfuzianische Hierarchie), der den Ochsen (das Kapital) am Nasenring führt. Bild: Tuschezeichnung, um 1955, Künstler unbekannt, Privatbesitz

China nachäffen?

Dort reagierte man auf den Covid-Ausbruch sehr konsequent. Vielleicht, weil sie einen Laborursprung vermutete.

Der Staatsführung ging es aber nicht nur um die Bedrohung durch „ein Virus“, sondern zugleich um die Chance, das neokonfuzianische Staatsmodell zu festigen. Man überhöhte die Bedeutung eines starken, äußeren Feindes. Und verdrängte zugleich andere Faktoren, die Atemwegsinfektionen IN China begünstigten, und die für den Ausbruch mitverantwortlich waren: z. B. die schlechte Luftqualität in Wuhan).

Im so ausgerufenen (scheinbaren) Krieg wurden die Freiheitsrechte radikal eingeschränkt, und in kurzer Zeit eine perfekte Überwachung und lückenlose Kontrolle der gesamten Bevölkerung etabliert. Die Hierarchie des Parteiapparates erwies sich als leistungsstark, und der chinesische Kapitalismus musste sich unterordnen. Das chinesische Gemisch aus konfuzianisch-geprägter Staatsmacht, und dem am Nasenring geführten Ochsen (Kapital) scheint aus der Krise gestärkt hervorgegangen zu sein.

Solle das chinesische Modell der neokonfuzianischen Kontrolle des Kapitalismus sich als Erfolg versprechend herausstellen sollte, könnte es die Welt beherrschen.

Denn „der Westen“ hat nichts Vergleichbares zu bieten. In „westlichen Industriegesellschaften“ wird die Staatsmoral vom Finanzsystem beherrscht. Die Politik erscheint folglich oft als korrupt oder korrumpierbar. Sie kann „das Volk“ (ohne Werte- und Moralsystem) nicht mehr durch ein übergeordnetes, allgemein akzeptiertes Wertesystem zusammenhalten. Daher entsteht jetzt der Versuch auch im „Westen“ den Konfuzianismus im Rahmen „einer (vorübergehenden?) „Gesundheits-Religion“ nachzuäffen:

Wie im Konfuzianismus werden in der Gesundheits-Notstands-Regierung Kontroll-Rituale zelebriert. Unbewusst wird dabei die Kernaussage des Konfuzius übernommen:

Es sei unbedeutend, ob es ein abstraktes Konzept (tatsächlich) „gibt“ (Wahrheit, Gott, Geist …) – Wichtig sei allein, sich (sehr streng) so zu verhalten, „als ob“ es eine solche Vorstellung tatsächlich „gäbe“. Und darauf zu achten, dass die (in frommen Glauben ausgeführten) Rituale wirksam „seien“. (Littlejohn 2007)

Es wäre etwa aus konfuzianischer Sicht vollkommen unerheblich, ob Atemschutzmasken beim Einkaufen wirklich vor „Grippeviren“ schützen, und auch die Untersuchungen, warum sie das nicht tun, interessieren nicht. (Bin-Reza 2012) Nötig ist es nur, dass die Betroffenen ihre Angst behalten. Dass sie glauben, Fehlverhalten schade. Und dass man daher das tue, was man solle.

Es drängen sich noch weitere Ähnlichkeiten zwischen Gesundheits-Notstand und Neo-Konfuzianismus auf, bei der Kinder- und Frauen-Feindlichkeit, der Ordnungsamts-Strenge, den schmerzhaft-einprägsamen Ritualen uva. – Emotion, Spaß, Liebe, Spiel, Lachen – all das hat angesichts ernsthafter Frömmigkeit keine Bedeutung.

Niedergang und Wiederaufstieg des Konfuzianismus

Aufgehender Mond. Eingescannt aus „Chinesische Holzschnitte“. Inselbücherei, Leipzig 1954. Künstler dort nicht genannt

China war im Mittelalter dem Westen eigentlich weit überlegen.

Aber Kontrolle und das Einzwängen in ein starres Korsett rituell-festgeschriebenen Handelns führte es in die Stagnation. Es ließ dem Westen den Freiraum für katholisch-gesegnete Kolonialeroberungen und den von protestantischen Gebeten inspirierten Kapitalismus.

Der Konfuzianismus wurde in China zum wesentlichen Entwicklungs-Hemmnis. Er erstickte die Gesellschaft mit sinnentleerter Bürokratie.

Erst nachdem die alten Strukturen (durch die „Kultur“-Revolution) komplett zerschlagen werden, konnte der Konfuzianismus neu entdeckt werden. Und schließlich als einzigartiges Modell einer Machtsäule neben Staat und Wirtschaft wiedererstehen. Für einen Konfuzianer ist es vollkommen belanglos, ob sich die KPCh „kommunistisch“ nennt. Wichtig ist nur, dass ein straff organisierter Beamtenapparat den parallel organisierten Staat und das Kapital beherrscht.

Im Westen zerfällt der moralische-protestantische Werte-Überbau gerade. Der moral-, wert-, sinn- und geistlose Kapitalismus des westlichen Imperiums hat die Macht an sich gerissen, und zeigt sich mit einigen aggressiv-unkalkulierbar-bösartigen Fratzen an der Spitze. Die verbleibenden Religionen des Westens wirken demgegenüber zunehmend zahnlos.

Nachäffen des Neo-Konfuzianismus im Westen?

Der Versuch 2020 eine neue „Neue Normalität“ zu errichten, war getrieben von der Illusion, durch Überhöhung von „Gesundheit“, den „Westen“ wieder moralisch aufzurüsten.

Allerdings sind die konfuzianischen Rituale nicht ganz so einfach übertragbar, wie es scheint. In Asien sind sie seit mehr als 2.500 Jahre etabliert. Sie werden dort von vielen geglaubt. Der Konfuzianismus ist in Asien, besonders in der selbst-disziplinierenden Variante des Mengzi, eine der erfolgreichsten Religionen. Durch seine Wiedererweckung in China vermitteln die Führer moralische Werte. Die Chance ist deshalb groß, dass dort die Massen folgen, und die Zweifler kontrollieren werden.

So aber, wie in Asien, wurden die westlichen Bevölkerungen nicht sozialisiert. Man glaubt hier nur vorübergehend an etwas Neues, solange man Angst hat. Die aber vergeht, auch wenn sie immer wieder neu erzeugt wird. Auch ein zeitlich unbegrenztes Tragen von albernen Doppelkinn-Schonern wird daran nichts ändern. Einmal wird man „Angst-Wahrheiten“ verdrängen, ignorieren oder verlachen.

Ein ganz anderer Grund ist, dass „Gesundheit“ im Westen kapitalistisch-gewinn-maximierend bestimmt wird. Das ist aber der „Gesundheit“ oft nicht zuträglich. Also könnten sich viele Patient*innen übersättigt und durch Gesundheitsprodukte beherrscht fühlen. Sodass dann der Bedarf zunähme, sich so zu verhalten, dass man dem Gesundheitsmarkt möglichst aus dem Weg geht, in dem man einfach gesund lebt.

Wer durch Ausübung der Moral seinen Staat regiert, was für Schwierigkeiten könnte der haben? Wer aber nicht durch Ausübung der Moral den Staat regiert, was nützt dem die Moral? Zitat aus Konfuzius (Kung-Fu-Tse) Gespräche (Lun Yü): Übersetzung Richard Wilhelm, Deutscher Bücherbund 1954:

Konfuzianische Moral und Sitte könnten zwar (formal und scheinbar) problemlos im Rahmen der Errichtung einer „westlichen Gesundheitsdiktatur“ kopiert werden. Michel Foucault ahnte diese Strategie voraus. Er bezeichnete „die Bannung der Pest“ als „Traum einer disziplinierten Gesellschaft“.

Der Versuch im Westen ein „Gesundheits-Religionssystem“ zu etablieren war lächerlich und ist in den darauffolgenden Jahren als psychologisches Phänomen gescheitert. Die Mehrheit der Bevölkerung glaubt nicht daran und möchte sich dafür nicht aufopfern.

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Letzte Aktualisierung: 27.04.2025