17. August 2024

Mit dem Wolf tanzen

Persönliches Erleben

Sie werden erscheinen – magst du sie schauen.
Großväter, ihr seht mich. Geister der Welt, ihr seht!
Was ihr mir gesagt habt, das führe ich jetzt aus. Hört mich und helft mir! Schwarzer Hirsch, Oglala Lakota

„Das Unbewusste ist dein Freund.“

versicherte Milton Ericson, der Vater der Trance-NLP-Psycho-Therapie. Und weiter: „Du kannst es nutzen und mit ihm einen freundschaftlichen Kontakt herstellen, um mit Dir im Einklang zu leben.“

Hypnose
Hypnotische Gottheiten (Sumer >5000 Jahre alt)

Ich war mir da nicht so sicher.

Schwebende, ich-entrückte Gefühle der Verbundenheit, Grenzen zwischen Traum und Realität und schlafwandlerische Zustände außerhalb bewusster Kontrolle machten mir Angst. Die Dynamik der Denk- und Wahrnehmungsprozesse in veränderten Bewusstseinszuständen (Trance Logik) war einerseits faszinierend, aber die Möglichkeit, von anderen manipuliert ins Chaos zu taumeln, schauderte mich.

Ich las gebannt die Geschichten Carlos Castanedas über indianisch-schamanistisches Denken, um daraus theoretisch „Bewusstseins-erweiternde“ Möglichkeiten zu entdecken. Aber, obwohl es damals modern war, reizten mich keine Schwitzhütten oder Kaktusdrogen, weil ich hinter der Trance maskenhafte Fratzen lauern sah. Z. B. die des haitischen Diktators Papa Doc, dessen Mafia-Voodoo-Schergen den klugen, gefühls-starken Arzt und Schriftsteller Alexis zu Tode foltern ließ.

Oder auch die des geist-besessenen Philosophen Kinjikitile Ngawale, der tansanischen Kriegern 1905 geweihtes Wasser zu trinken gab („maji“). Damit machte er sie unverwundbar, und weder Kugeln, noch Feuer, noch Kanonen, noch Wände konnten ihnen etwas anhaben. Solange ihre Trance anhielt, gab es daran keinen Zweifel. Als der Wahn schließlich in sich zusammenfiel, hatten die Deutschen schon den größten Teil der regionalen Bevölkerung ausgerottet.

I had a vision … and the man who has it must follow it
as the eagle seeks the deepest blue of the sky Hokahey!
Today is a good day to die.
Crazy Horse, Oglala Lakota

Massen-Trance

Die Generation meiner Eltern war in einem Massenwahn „durchgeknallt“. Es schüttelte mich, dass banal-farblos-angepasste Menschen, die spießig ihre Vorgärten pflegten, Schäferhunde streichelten und für ihre Kinder Weihnachtsgeschenke verpacken, in Ausnahmesituation zu Bestien, Folterern und Mördern werden konnten. Nicht nur bei den Nazis, sondern in beliebigen Kriegssituation, die es im Stress des Ausnahmezustandes erlaubten, die „Sau herauszulassen“, zu vergewaltigen und Kinder zu morden. Die im Alltag verborgene Urgewalt des Menschen erschien mir böse, gefährlich und „Wahn-sinnig“, so wie die Hornissen-Scharen der Assyrer, die ihre Nomadennachbarn versklavten oder zerstückelten.

Nie haben die Massen nach Wahrheit gedürstet. Wer sie zu täuschen versteht, wird leicht ihr Herr, wer sie aufzuklären sucht, stets ihr Opfer. Gustave Le Bon

Trance schien eine dämonische, animalische, archaische, der Ratio entgegengesetzte Eigenart des Menschen zu sein, die kanalisiert und kontrolliert werden müsse.

Eine Art Krankheit, wie die anfallsartig auftretende Grisi Sickness der Miskito-Indianer in Nicaragua. Zustände wie diese erforderten ein Kontrollsystem, eine kulturell erworbene Zivilisation, eine gesellschaftlich ärztlich-heilende Hand.

Trance-Kraft musste kanalisiert, und nur so dosiert eingesetzt werden, dass sie nützlich werden konnte. Damals schienen mir Erotik, Liebe und politische Wahrheiten die geeigneten Gegenmittel zur hässlichen Seite der Trance sein und die idealen Zutaten, um die schönen Seiten der Trance wie Tanz oder Kunst zu erleben.

Dosierte Trance-Anwendungen zu therapeutischen Zwecken, wie Hypnose, Autosuggestion, NLP u.v.a., fand ich interessant, aber ich selbst fühlte dabei wenig, vermutlich, weil sich in mir etwas gegen mögliche Manipulationen sträubte. Ich fürchtete die Trance (in mir) und wollte dennoch dahin, wo sie in ihren natürlichen Erscheinungsformen zum Alltag zu gehören schien.

Ich suchte sie in mir zu verstehen.

Und so verschlug es mich, eher zufällig, ausgerechnet in ein abgelegenes ländliches Städtchen in der Region Tansanias, in der der Maiji-Maji-Krieg getobt und tiefe Narben hinterlassen hatte. Plötzlich gehörte Trance, die ich nur distanziert und lesend kennengelernt zu haben glaubte, zum Alltag. Ein Rückzug in die europäische Kultur hätte tagelange Busfahrten erfordert.

Von außen betrachtend, fiel mir in meinem Krankenhaus die starke Verbundenheit der Menschen untereinander auf. Von der Ubuntu-Philosophie hatte ich gelesen, und verstand sie als intellektuellen Gegensatz zum europäischen „Ich denke, als bin ich“. Hier galt offenbar „I’m not: we are“, das Individuum war offenbar nachrangig zu den Beziehungen in der Gemeinschaft. Diese Art von Solidarität und Empathie, hatte ich in Europa nie erlebt, aber was hatte das mit mir zu tun? Und dann sah ich, ebenfalls im Krankenhaus, die Kehrseite dieses psychologischen Phänomens. Wenn sich Einzelne von der großen Familie zu entfernen drohten, oder ungeschriebene Gesetze. „Der Geister oder Ahnen“ verletzten, dann wurden sie, psychisch-wahnhaftem Druck ausgesetzt, oder auch mit Nahrungszusätzen vergiftet. Das nannte sich Uchawi, die Hexerei, das Böse, d. h. eine Art von persönlichem Angriff, der einen Heilungs-Experten erforderte. Und das war nicht (westlicher) ein Arzt, sondern der Schamane.

Ich konnte solchen Kranken, wenn sie sich zu mir verirrten, Zuflucht bieten vor dem Wahnsystem, aber ich hatte, im Gegensatz zu den Heilern, mit denen ich mich austauschte, keine Ahnung, was denn sonst zu tun sei. Schlimmer noch, selbst „kulturell-englisch“ ausgebildete, studierte Patienten, interessierten sich nicht wirklich für meine Diagnose „Malaria“, sondern wollten immer wissen „warum sie Malaria hätten“.

Heute weiß ich: Sie stellten damit eine sehr kluge Frage. Denn das Immunsystem versagt bei Stress, und der Druck des vermeintlichen Uchawi verändert die Hirnfunktion. Damals verstand ich die Frage allerdings nicht wirklich, weil sie im Bezug zu meiner Psyche für mich keinen Sinn ergab.

Weiter als Arzt begegnete mir eine schier unglaubliche Leidens- und Schmerztoleranz vieler Patienten nach Verletzungen, die ich bis dahin in Europa nur in Narkose oder tiefer Hypnose gesehen hatte. Das konnte ich mir zunutze machen, wenn das geeignete Narkosemittel für den Kaiserschnitt fehlte. Aber es für mich selbst nachvollziehen, oder gar anwenden, konnte ich nicht.

Die Trance rückte mir auch persönlich auf den Pelz.

An diesem Ende der Welt wäre ich in eine tiefe Kulturschock-Depression verfallen, wenn es nicht das regelmäßige Phänomen von Musik, Trommeln und Dorfdisco gegeben hätte, in dem das „Ich“ verschwand und das „Wir“ explodierte. Alles andere (Sorgen, Elend, Alltagsstress) verlor an Bedeutung, wenn auf (bis heute populäre) Schlagertexte wie „Watu wa Nakufa! Menschen sterben!“ oder „Nkufa mimi! Ich sterbe!“ die „Post abging“.

Freiheit und Verbindung gleichermaßen

Arm, frei & verbunden (Khadja Nin)
Übersetzung (englisch)

Immer mehr faszinierte mich Trance als Freiheit, Unmittelbarkeit und Verbundenheit in einem Geschehen. U.v.a im gemeinsamen Erleben

  •  mit Holzschnitzern, die in schier unglaublicher Gewandtheit mit Dingen und Situationen umgingen, mit und in denen sie sich befanden,
  • oder Jägern, die gelernt hatten der Sehnsucht und Visionen zu folgen (statt Wegen und Zielen), und dennoch scheinbar mühelos dort ankamen, wo sie es wollten.

Während ich gelernt hatte, geschickt und schnell zu handeln, d. h. zu reagieren, wenn etwas geschah, schien es bei diesen Menschen kein Nacheinander zu geben, weil alles sofort, unmittelbar im Prozess entstand. Objekt und Subjekt schienen eins zu sein und zu tanzen. Und diese, persönlicher erlebte, Art von Trance löste Sehnsucht und Fatalismus zugleich aus: Ich hätte es gerne in mir erfahren, aber hielt es für frühkindlich erworben oder gar genetisch bedingt. Also für mich letztlich unzugänglicher, als für Afrikaner.

Aber dann gab es auch die dunkle Seite der Trance:

Ein Soldat, der von seiner Mission und meiner Schlechtigkeit überzeugt, auf mich zukam und seine MP entsicherte. Das Erlebnis eines verschlafenen Busbahnhofes, wo sich urplötzlich aus der Dösigkeit alle auf den Ausruf „Dieb!“ erhoben und einen Jungen lynchten. Da so etwas öfter mal vorkommt, finden sich beim Google-Stichwort „mwizi“ viele hässliche Bilder dazu.

Oder die Mopedfahrt auf einer Staubpiste, als mir eine, wegen was auch immer, aufgebrachte Menschentraube entgegenkam, Gegenstände schwang, schrie und johlte. Oder die Erfahrungen des jungen tansanischen Kollegen, den wir frisch von der Uni, in unverantwortlicher Weise gegen seine Bedenken, auf einen entlegenen Dorfgesundheitsposten schickten, und der drei Monate später mit dem Vollbild einer reaktiven Psychose zurückkam.

Selbstschutz

Um mit meiner Verunsicherung nicht unterzugehen, baute ich in mir einen psychologischen Schutzwall auf. Ich ließ selektiv das zu, was ich verdauen konnte, und schloss die Tore vor dem, was mir Angst machte, verrückt zu werden. Ich beobachtete Trance neugierig und fasziniert, aber ließ mich nicht wirklich darauf ein. Es tat mir gut, manchmal nicht mit dazuzugehören und damit dem Druck des Uchawi, der Hexerei, dem Wahn oder dem plötzlich aufbrechenden Schwarmverhaltens nicht ausgesetzt zu sein. Ich konnte interessiert aus „wissenschaftlicher“ Neugier kleinste Details beobachten, aber dazu musste ich „Es“ in mir selbst, wie ein wildes Tier, anketten.

Ich genoss die Trinkgesellschaften aus der Distanz, war Besucher bei Trommelexzessen und rituellen Feiern, aber gehörte nicht ganz dazu. Aber ich fiel nicht in Trance („Ich doch nicht“), denn ich wollte eher lernen, was zu tun ist, wenn andere in Trance schweben. Was dann auch tatsächlich nützlich war, als bei einer feuchtfröhlichen Feier, bei der offenbar merkwürdige Kräuter ins Essen gekocht worden waren, eine Frau zu brennen glaubte und sich im See ertränken wollte. Da war es günstig, dass ich nüchtern geblieben war und sinnvoll handeln konnte.

Ich hatte gelernt, dass es sinnlos gewesen wäre, mich in den Weg stellen zu wollen. Jemand, der abgehoben und geradlinig unterwegs ist, verfügt über unglaubliche Kräfte, auch wenn er in normalen Situationen wesentlich schwächer wäre. Gewaltsam gegen Trance anzugehen, führt oft zu gewaltigen Kollateralschäden. Flucht vor Menschen oder Tieren, die in Trance angreifen, beschleunigt sie, also auch ein sehr ungünstiges Reaktionsmuster. Rationale Argumente dagegen verstärken den Stress und Ärger, weil sie in Trance nicht verarbeitet werden können. Und in Ohnmacht fallen, d. h. aufgeben, ließe dem Wahn seinen Lauf, mit allen Folgen, die sich daraus ergeben können. Also blieb nur eins. Dabeibleiben, Kontakt herstellen, annehmen, mitgehen, entspannen, durchatmen, sich selbst beruhigen, sich umschauen, die Welt der tausend Möglichkeiten wahrnehmen, den anderen beruhigen, besänftigen, lenken und auslaufen lassen. Dazu braucht es jemanden, der gerade nicht in Trance ist, und dem Trance keine Angst macht.

Uchawi Schach
Uchawi Schach (Tansania 1985)

Das dichte Erleben von Trance-Bewusstsein in Tansania führte relativ schnell dazu, dass unmerklich alle meine lieb gewordenen Dogmen, Wahrheiten, Ideologien und Über-Ichs sich nachhaltig verflüchtigten. Solche Ordnungssysteme waren zwar nützlich, um Trance-Exzesse zu zügeln, aber Menschen konnten offenbar auch Jahrtausende ohne sie klarkommen. Im Gegenteil: ich fühlte mich frei, außerhalb der Zwangsjacken des üblichen europäischen Regelsystems leben zu können, während die Zwangsjacken des Trinkregelsystems mich nicht direkt betrafen. Wahrheiten verwandelten sich in Modelle, die aus Nützlichkeitserwägungen konstruiert wurden. Mich interessierte nicht mehr, wie es „wirklich ist“, aber es ist manchmal sinnvoll, sich so zu verhalten, „als ob es so sei“.

Die Überschwemmung Afrikas mit ausländischen Religionen, Sekten, Fanatikern, Ideologen war mir zuwider. Und die ursprünglich afrikanische Trance-Kultur erschien wie ein Spiel von Licht und Schatten.

Trance Missbrauch  

Ein paar Jahre später fand ich dann in der afrikanischen Megastadt Kinshasa ein anderes Trance-assoziiertes Übel. Es gab keine traditionell-gewachsenen Strukturen mehr, sondern nur ein Chaos unterschiedlicher Kulturbruchstücke und externer Werte und Beimischungen, vieler afrikanischer und anderer Völker, die ineinander verrührt erschienen. In dieser Region (Kongo) hatte eine besonders übel-brutal-aussaugende Art des Kolonialismus das kulturelle Gleichgewicht nachhaltig zerstört. Über dem kulturellen Mix thronte ein Diktator (Mobutu Sese Seko). Er war nach dem Abzug der Kolonialmacht von ausländischen Interessengruppen installiert worden war, und bot anschließend mit quasireligiöser Trance-Macht die nötige Stabilität dafür, das Land ausnehmen zu können wie eine Weihnachtsgans.

In seinem Mafia-Herrschaftsbereich erlebte ich moderne Seiten der Trance:

  • Direkte Bedrohungen: gegen meine Frau und meine Kinder, um mich zu erpressen
  • Folter: U. a. meines zairischen Chefarzt-Kollegen (Bila Kapita), der als erster AIDS in Afrika beschrieben hatte
  • Terror: MP-Salven auf friedliche Demonstranten mit vielen Toten und Schwerverletzten
  • Mord: eines engen afrikanischen Freundes und hochkompetenten Kollegen, der den Zugriff in eine Kasse verweigert hatte (N’gali Bosenge)

All das geschah nicht aus Wahn und Besessenheit heraus, sondern aus erbärmlich-lukrativen Motiven, aber mit den Methoden des Wahns und der Besessenheit, so als hätte jemand ein Tier bösartig trainiert, um es für besonders niedere Zwecke zu missbrauchen.

Skepsis schützt vor dem Missbrauchs-Potenzial der Trance.

Mein Schild, um mich davor zu bewahren, mich auf meine Trance in mir wirklich einlassen zu müssen, war die Skepsis. Die kritische Geisteshaltung half mir, Trance als dummes Zeug zu verlachen, als Hokuspokus, Aberglaube, Wirrniss, Zauberkram, religiösen Wahn, Suchtverhalten, Psychose, genitalverstümmelnden Irrsinn, Mobutu-Mafia, archaischen Psycho-Müll und letztlich als Unterdrückung erotischer Lebensfreunde.

Damit gelang es mir, mich aus dem Zwangssystem von Uchawi, Schamanismus und Maskenherrschaft herauszuhalten. Ich konnte in diesem Schutz die wunderbaren Seiten der Kultur aus vollen Zügen zu genießen: die Farbenfreude der Emotionalität, die Intensität der geschmeidiger Körperlichkeit, die elegante Bewegung im Fluss, den Rhythmus und Klang von Beziehungen und die Dynamik ungekünstelt, energievoller Frauen- und Männerrollen.

In Europa waren sie dann wieder da, die zwanghaften Ordnungssysteme und Ideologien.

Das Leben in Europa erschien mir nach dem Erleben Afrikas grauer, unerotischer, kopflastiger und körperferner. Vom Notwendigen bestimmt und weniger von Leidenschaften. Auch hier half die Skepsis, die einen Abstand schuf zur Welt des „Richtig und Falsch“ ordentlichen Denkens und Handelns, die mein neues Leben bestimmte. Das dann bestimmend werdende Philosophieren, Nachdenken und Meditieren über „Alles und nichts“ hatte etwas Beruhigendes. Und es brachte mich mir näher aus anderen weniger konflikthaften Perspektiven. Die europäische Kultur bot in meiner Wahrnehmung nicht weniger Trance als Afrika, sondern nur mehr Überbau über der Trance. Medien, TV, Videos, Web-2, Moden, passive Sportbegeisterung, Musik, IPhones, Alkohol, Pillen, Drogen, Heilslehren und Glaubenssysteme etc. sind schließlich auch nichts anderes als gelenkte Aufmerksamkeitsfokussierung.

Und in diese Art von Trance flüchten sich fast alle voller Sehnsucht, sobald der Zwang der ordentlichen Normierung ihnen die Zeit dazu lässt. Kreatives Selber Denken, Fühlen, was man „eigentlich“ wolle oder „wirklich“ benötige, ist der Trance fremd, weil es darum geht, was wir „sollen“ und „deshalb wollen müssen“. Darin unterscheidet sich Europa von Afrika nicht. Aber die europäischen Varianten der Trance, im Karneval oder bei der Kirmes erschienen mir, gegenüber dem, was ich in Afrika erlebt hatte, ziemlich fade und unattraktiv.

Die „Trance in mir“ war vorübergehend etwas, was ich früher intensiv studiert und dann wie ein altes Tagebuch in einer Kiste abgelegt hatte. Bis dann in einer Krise offenkundig wurde, dass etwas in mir blockierte und entdeckt werden wollte. Das Naheliegende für Trance-Sucher, Trommelkurse, Esoterik, Samba-Tanzen etc., reizte mich aber nicht: Ich suchte nach Integration von Persönlichkeitsanteilen und nicht nach Ablassen bei einem verdrängten Dampf.

Kontrollierte Neu-Entdeckung der Trance

Chinesische Übungsformen versöhnten mich allmählich mit der Trance. Sie entsprachen meiner „konfuzianischen“ Liebe für Struktur und nützlicher „Ordentlichkeit“. Sie erwiesen sich als ideal für eine solide Annäherung „Schritt für Schritt“. Anfangs gestaltete sich das Üben mit „unbewusster Körperintelligenz“ frustrierend, unharmonisch und angstbesetzt. In Bewegungsabläufen, die eigentlich elegant und harmonisch sein sollten, tauchten immer neue Widersprüche auf. Es dauerte (bei mir) reichlich lange, dem „Unbewussten“, dem „Es“, dem „Körper“ zu vertrauen.

Im Prozess körperlichen Übens verlor dann Trance den Charakter von etwas Besonderem. Sie wurde zu einer alltäglichen Möglichkeit körperlichen Seins. Ich würde sie jetzt in mir eher als harmonischen Fluss des Geschehens bezeichnen. Oder als Flow-Bewegungsprozess, bei dem innere und äußere Zusammenhänge verbunden sind, sich das Gefühl für Zeit verliert, wenn das, was gerade geschieht, stimmig und sinnvoll erscheint. Selbst unter großer Belastung. Obwohl alle Information gleichzeitig verarbeitet wird, kehrt zunehmend Ruhe ein, weil keine Einzelteile herumwirbeln, sondern alles mit allem verbunden ist, und sich natürlich entwickelt und was gerade ist.

Heute ist Trance eine vertraute Facette meines Ichs unter vielen. Sie hilft mir, das gleiche „mühelos“ zu gestalten.

Der Geist sei wie der einer Katze,
die vorhat, eine Ratte zu fangen. Wu Yu-hsiang

Letzte Aktualisierung: 18.08.2024