23. Januar 2025

Buddhismus, Ethik, Konfuzius, Tianxia

Buddhismus

Ethik im Kapitalismus

Chinesische Philosophien

China war dem Westen im Mittelalter weit überlegen (s. u. Links)

Eine der vielen Besonderheiten und Stärken Chinas war (und ist) es, Erkenntnisse, die außerhalb seines Kulturkreises entstanden, aufzusaugen. Zum Beispiel vor 1.500 Jahren die indischen Nichts-Philosophien des Ghandara-Buddhismus. Eigene Philosophien, wie Konfuzianismus und Daoismus, traten vorübergehend in den Hintergrund. Aber einige hundert Jahre später wurden die Fremdlinge dann wieder vertrieben. China hatte inzwischen ihre Ideen gemeinsam mit den alten ursprünglichen Philosophien und in qualitativ vollkommen Neues verwandelt: in Chan (Ch’an, jap. Zen) und die Wudang-Kampfkünste.

Das ur-alte chinesischen Bild des Hirten (die konfuzianische Hierarchie), die den Ochsen (das Kapital) am Nasenring führt. Bild: Tuschezeichnung, um 1955, Künstler unbekannt, Privatbesitz

Eine zu starre (konfuzianisch) Kontrolle im Korsett rituell-festgeschriebenen Handelns führte China im 19. Jahrhundert in die Stagnation. Der Konfuzianismus wurde zum wesentlichen Entwicklungs-Hemmnis. Er erstickte die Gesellschaft mit sinnentleerter Bürokratie. Und so ließ es dem Westen den Freiraum für koloniale Eroberungen und (den von protestantischen Gebeten inspirierten) Kapitalismus.

Erst nachdem die alten Strukturen (durch die „Kultur“-Revolution) komplett zerschlagen wurden, konnte der Konfuzianismus neu entdeckt werden. Und schließlich als einzigartiges Modell einer Machtsäule neben Staat und Wirtschaft wiedererstehen. Für einen Konfuzianer ist es gänzlich belanglos, ob sich die KPCh „kommunistisch“ nennt. Wichtig ist nur, dass ein straff organisierter Beamtenapparat den parallel organisierten Staat und das Kapital beherrscht.

Im Westen zerfällt der moralische-protestantische Werte-Überbau gerade. Der moral-, wert-, sinn- und geist-lose Kapitalismus des westlichen Imperiums hat dort die Macht an sich gerissen, und zeigt sich mit einigen aggressiv-unkalkulierbar-bösartigen Fratzen. Die verbliebenen Religionen des Westens haben ihren Biss verloren.

Chinas Wiedergeburt

Im 20. Jahrhundert zerfiel chinesisches Denken in tausend Stücke. Mao Tse Tung war vielleicht kein großer Philosoph, und kein langfristig erfolgreicher Religionsgründer. Aber unter seiner Führung wurde „das Alte“ konsequent zerschlagen, ohne sich sofort (wie in Hongkong, Taiwan und Südkorea) mit „dem Fremden“ (dem westlichen Kapitalismus) zu vereinen. Stattdessen entstand in den Trümmern der Kultur ein Freiraum, der zur Selbstbesinnung zwang. Ohne das militärisch-hierarchisch organisierte Beamtentum der Partei zu gefährden, konnten die westlichen Errungenschaften des Kapitalismus rezipiert werden. Das ebenfalls westliche Konzept des „Kommunismus“ wurde dafür problemlos abgelegt.

China saugte, wie ein Schwamm, alles Wissen des Westens auf, und kopierte es. Alles, was so von außen eindrangt, wurde aus dem Schwamm ausgepresst und in einem riesigen Kochtopf eingerührt, in dem (der fast vergessene) Rest einer uralten Suppe vor sich hin köchelte und einen würzigen Bodensatz bildete. Jetzt, im 21. Jahrhundert, wandelt sich die Suppe, für den Westen vollkommen überraschend und erschreckend, und bildet eine völlig neue Geschmacksrichtung aus.

Tianxia (Alles unter einem Himmel)

In China werden verschiedene philosophische Strömungen von der Staatsführung toleriert. Sie entwerfen aus dem Reich der Mitte heraus, neue Konzepte für die Welt, die es lohnt, auch im Westen wahrzunehmen (Ownby)

Einer der Denker:innen, die nach einer neuen Perspektive für die Menschheit suchen, ist der chinesische Philosoph Zhao Tinyang.

Zhao hält die Kulturen der Mittelmeer-Religionen für sterbenskrank. In China dagegen entstehe ein neues Wertesystem auf der Grundlage 3.000 Jahre alter chinesischer Philosophie. Sein wiederbelebtes Konzept heißt „Tianxia“: Welt-Innenpolitik.

Tinaxia bedeutet „Land unter dem Himmel“ oder einfach „die ganze Welt“. Das Schriftzeichen symbolisiert eine Summe aller Teilsysteme, deren Erkennen jede Trennung in „Innen und Außen“ ad absurdum führt. Das westliche Denken, das nach einem wahren Endpunkt suche, veröde, weil ihm die Moral abhandengekommen sei. Und auch deshalb, weil es unnötige Energie in immer neue lineare Bekämpfungs-Strategien von „Heiden“ verschwende, und sich in der Gier des Fortschrittsglaubens erschöpfe. Längst überfällig sei dagegen integrierendes System-Handeln. In China könne es erwachsen. (Littlejohn 2007)

Aufgehender Mond. Eingescannt aus „Chinesische Holzschnitte“. Inselbücherei, Leipzig 1954. Künstler dort nicht genannt

Im „Westen“ sind Wissenschaft-Hierarchien und Finanz-Kapital Werten und Moral untergeordnet.

Die neuen Werte dienen Interessen. Das schwächt ihre Glaubwürdigkeit. Bei Tianxia dagegen soll die (konfuzianische) Moral bestimmend sein.

In der Covid-19-Krise wurde „Gesundheit“ in China vorübergehend zum wichtigsten moralischen Wert überhöht. Alle anderen gesellschaftlichen Bereiche (Wirtschaft, Kultur, Recht u. v. a.) mussten sich unterordnen. Aus übergeordneten Gründen war es nötig, „uneinsichtige Menschen“ zu ihrem Glück zu zwingen.

Der Nutzen des Befolgens dieser strengen Rituale wurde (im Osten) eher akzeptiert, weil man glaubte, einer Führung vertrauen zu können, die (im Prinzip) Gutes wolle. Ob etwas tatsächlich „wahr“ ist, ist in konfuzianisch geprägten Kulturen weniger wichtig, als im „Westen“.

Philosophie in der „Covid-Periode“

Im Gesundheits-Notstand 2020–2021 zelebrierte die Regierung Kontroll-Rituale.

Aus konfuzianischer Sicht war es unerheblich zu wissen, ob Atemschutzmasken beim Einkaufen „wirklich“ vor „Grippeviren“ schützen.

Konfuzius hatte gelehrt, dass es unbedeutend sei, ob es ein abstraktes Konzept (wirklich) „gibt“ (Wahrheit, Gott, Geist …). Wichtig sei allein, sich (sehr streng) so zu verhalten, „als ob“ es eine solche Vorstellung tatsächlich „gäbe“. Und darauf zu achten, dass die (in frommen Glauben ausgeführten) Rituale wirksam „seien“. (Littlejohn 2007)

Folglich war es für viele Menschen in China belanglos, ob es „wahr sei“. Solange nur die Rituale so ausgeführt wurden, ‚als ob‘ es einer Wahrheit ‚entspräche‘.

Wichtig war für den Staatsapparat, dass die Betroffenen ihre Sorge für das Gemeinwohl beibehielten. Und sie glaubten, persönliches Fehlverhalten schade. Und sie taten, was sie sollten. Bis die Maßnahmen ohne logische Erklärung einfach abgesagt wurden.

Neo-Konfuzianismus

Ranjoo Seodu Herr: Confuzianism’s Political Implications for the Contemorary World, 2024 (pdf)

Text-Interprtation von Dr. Klaus Hornetz, Yunnan, China, 2024:

Der Text untersucht die politische Relevanz des Konfuzianismus für die heutige Welt. Er rekonstruiert die konfuzianische
Ethik, insbesondere die Tugend ren (Wohlwollen) und Selbstkultivierung, und beschreibt ein ideales konfuzianisches Regierungssystem basierend auf Jeong Do-Jeons Theorie. Der Text argumentiert, dass dieses System – unter Berücksichtigung moderner Anpassungen – ökonomische Gerechtigkeit, Menschenrechte und demokratische Prinzipien fördern kann. Schließlich wird die Möglichkeit einer Revolution im Falle eines tyrannischen Herrschers diskutiert. Der Text hebt mehrere zentrale konfuzianische Werte hervor, die die politische Philosophie beeinflussen: Ren oft als Wohlwollen, Menschlichkeit oder Güte übersetzt, ist der wichtigste konfuzianische Wert. Es umfasst andere Tugenden wie Gerechtigkeit (yi), Anstand (li) und Weisheit (zhi). Ren wird durch Selbstkultivierung (xiushen) erreicht, ein lebenslanger Prozess des moralischen Wachstums. In der Politik manifestiert sich Ren als „people-centeredness“ (min-bon), bei dem das Wohlbefinden der Menschen der oberste politische Wert ist. Li bezieht sich auf Anstand, Rituale, Normen und Regeln des angemessenen Verhaltens. Li gibt Ren
eine konkrete Form und leitet das Verhalten in sozialen Beziehungen. In der Politik schafft Li eine
harmonische Gesellschaft, indem es jedem seine richtige Rolle und seine entsprechenden Pflichten zuweist. Yi bedeutet Rechtschaffenheit oder Gerechtigkeit. Es impliziert das Tun, was moralisch richtig ist, selbst wenn es schwierig ist. Im politischen Kontext bedeutet Yi, sich für das Gemeinwohl und das
Wohlbefinden der Menschen einzusetzen. Zhong-shu: Dieses Prinzip betont Loyalität (zhong) und Vergebung/Empathie (shu). Es ist die Grundlage für harmonische zwischenmenschliche Beziehungen. Zhong bedeutet, andere so zu behandeln, wie man selbst behandelt werden möchte, während Shu bedeutet, anderen nichts aufzuerlegen, was man selbst nicht möchte. In der Politik legt Zhong-shu die Grundlage für eine wohlwollende und fürsorgliche Regierung. Diese konfuzianischen Werte prägen die konfuzianische politische Philosophie in folgenden Punkten: Die Politik des Ren (renzheng): Die konfuzianische Politik sollte auf Ren basieren und das Wohlbefinden der Menschen in den Vordergrund stellen. Der Herrscher als moralisches Vorbild: Der Herrscher hat die Pflicht, sich selbst zu kultivieren und ein moralisches Vorbild für das Volk zu sein. Seine Tugendhaftigkeit inspiriert und erzieht das Volk. Wohlfahrtsstaat: Der konfuzianische Staat ist ein Wohlfahrtsstaat, der sich um die wirtschaftliche
Gerechtigkeit und das Wohlergehen aller Bürger kümmert. Dies beinhaltet die Sicherstellung einer
gerechten Landverteilung und die Unterstützung der Bedürftigen. Meritokratie: Die Regierung sollte auf Meritokratie basieren, wobei fähige und tugendhafte Gelehrte-Beamte (junzi) ausgewählt werden, um zu regieren 13 . Diese Beamten werden durch ein strenges Prüfungssystem ausgewählt, das auf konfuzianischen Prinzipien basiert. Behaglichkeit des Volkes: Das Volk ist die Grundlage des Staates, und seine Zufriedenheit ist entscheidend für die Legitimität des Herrschers. Wenn der Herrscher die konfuzianischen Prinzipien nicht einhält und das Volk unterdrückt, ist eine Revolution gerechtfertigt.
Der Text betont, dass diese konfuzianischen Prinzipien zeitlos sind und auch in der modernen Welt relevant bleiben. Sie bieten eine alternative Vision zur liberalen Demokratie und betonen die Bedeutung von Moral, Gemeinschaft und dem Wohlbefinden aller.“ Zitat: Dr. Klaus Hornetz 2024

Das chinesische Gemisch aus konfuzianisch-geprägter Staatsmacht, glaubt den Kapitalismus wie einen Ochsen an einem Nasenring führen zu können. Dieses Modell strahlt zurzeit nicht nur auf Nordkorea, Vietnam und Laos, deren Staatssysteme dem Chinas ähneln. Würde sich der Neokonfuzianismus als Erfolg-versprechend herausstellen, könnte er die Welt beherrschen. Der „Westen“ hat nichts Vergleichbares zu bieten. 2025 wurde hier die Ideologie des Raubtiers entfesselt: MAGA.

Die von Oligarchen geprägte Politik im Westen ist entweder schwach, willig, korrupt oder korrumpierbar. Sie kann ihrem Volk kein übergeordnetes, allgemein akzeptiertes Wertesystem bieten.

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Literatur

  • Fehr B: Bewegungsweisen und Verhaltensideale. Moreland Editions, Bad Bramstedt 1979
  • Bin-Reza F et al. The use of mask and respirators to prevent transmission of influenza: A systematic review of the scientific evidence. Resp Viruses 2012;6(4):257-67. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5779801/)
  • Cook J: The Method Taken for Preserving the Health of the Crew of His Majesty’s Ship the Resolution during Her Late Voyage Round the World, Phil. Trans. R. Soc. Lond. 1776 66
  • GFP 26.05.2020: www.german-foreign-policy.com/news/detail/8287
  • Littlejohn R: Kongzi on Religious Experience, South East Review of Asisan Studies 2007, 29:225-32
  • Nefiodow A (2020): www.kondratieff.net/der-sechste-kondratieff
  • Ownby David: Texte zum Konfuzianismus
  • Weber M: Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus. Hrsg. Kaesler D Beck, München 2010
  • Zhao Tinyang Z.: Alles unter dem Himmel, Vergangenheit und Zukunft, Ed. Suhrkamp 2020
Letzte Aktualisierung: 03.02.2025