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8. Mai 2019

Nichts oder Alles?

Inhalt

  • Begriffe klären
  • Was liegt hinter dem Ereignishorizont?
  • Alles oder Nichts?

Begriffe klären

Werden andere überfallen, könnte man es Krieg nennen.

Oder besser begrenzte Militäroperation, vorbeugende Friedenssicherung, Vaterlandsverteidigung? Oder Gewalt-Verbrechen, Massen-Mord, ethnische Säuberung, Vernichtung? Je nachdem – ob man eine brutale Eroberung beschreiben will, oder eine ersehnte Befreiung.

Wird jemand getötet, umgebracht oder ermordet, bezeichnet man den Verursacher als Totschläger, Mörder, Verbrecher, Faschist, Rassist, Psychotiker, Schlächter, oder als Soldat, Spezialagent, Scharfschütze, Drohnen-Programmierer, Held. Je nachdem, für welche Kriegspartei das Lebenslicht anderer ausgeknipst wurde.

Nahezu synchron tauchen ähnliche Varianten und Bezeichnungen in allen Medien der jeweiligen Kriegspartei auf. Wer Krieg einfach nur „Krieg“ nennt, und dessen Ende fordert, macht sich (auf beiden Seiten) verdächtig.

Die Sprach-Begriffs-Verwirrung begegnet uns in allen Formen von Propaganda-Fake-Deep-Fake-Kommerz in unendlich vielen Varianten. Es wird dann für die, die Kriege nicht wollen, aber erleiden müssen, immer schwieriger, nicht verrückt zu werden. Noch herausfordernder wäre es, weiterhin ruhig zu bleiben, und selber zu denken.

Begriffe sind Werkzeuge

Begriffe gleichen Messern, die einen Teil aus einem (in der lebenden Realität) Ungetrennten herauslösen. Das ist nützlich, um einen Schinken von einem Knochen, eine Wolke vom Himmel, ein Quark vom Elektron-Wirbeln, oder den Geist vom Körper zu unterscheiden. Das so Abgetrennte lässt sich dann einfacher handhaben und untersuchen. Es wird (wenn es erst einmal benannt wurde) geformt, manipuliert, verändert, bekämpft, repariert, zerstört oder neu geschaffen.

Unsere Worte gleichen kulturell erlernten Mini-Programmen, die Bewegungsfunktionen triggern: Gestik und Sprache mit Kehlkopf, Händen oder Füssen. Man muss zuerst ein inneres Bild für „Stein“ und „Klinge“ aufscheinen lassen, um dann durch Gesten oder Laute einem Artgenossen zu befehlen, aus dem einen (durch Hämmern) das andere herzustellen.

Sind Begriffe erst einmal in der Welt, kann man sich über sie streiten. Oder mit ihnen herrschen. Oder andere betrügen. Oder manipulieren, Macht ausüben, Geld verdienen. Meist wird in den Wortfeuerwerken im Streit um Begriffe vergessen, dass jeder Begriff (zwangsläufig) einen vielgestaltigen Anti-Begriff definiert. Der Begriff Wasser macht nur Sinn, wenn es etwas gibt, das nicht Wasser ist. Die Betrachtung dieses scheinbaren Gegensatzes hilft dabei zu verstehen, was mit der Nutzung des Begriffs „eigentlich“ gemeint ist. Denn zwischen dem einen („Finger“) und dem anderen („Nicht-Finger“ – z.B. „Unterarm“ uva.) gibt es (solange etwas lebt) zahllose Verbindungen. Es sei denn, sie würden abgetrennt oder zerstört. Das Benannte („eine Maus“) wechselt und fließt in und mit dem Nicht-Benannten, d.h. mit allem, was „Nicht-Maus“ ist.

Ähnliche Überlegungen spielten eine Rolle bei der Einführung der Null in das Zahlensystem. Die kriegerisch-bürokratischen (etwas phantasie-armen) Römer brauchten keine Null. Entweder es gab einen Sklaven, oder es gab eben keinen. Das Null-Konzept formten indo-asiatische Philosophen aus einem runden Kreis, dem Ur-Symbol für ein „Nichts“, das zugleich alles beinhaltete und umfasste. Null war für sie weder „Etwas“, noch „Nichts“. Sondern beides: eine Wandlungsphase, bei der ein Positives (+) ideal ein Negatives (-) aufhebt. Das asiatisch-philosophische „Nichts“ ist voller Energie und Möglichkeiten, und kennzeichnet einen Zustand der Leere, aus dem Gegensätze aufwirbeln, die sich in Ruhe wieder ausgleichen. Etwa so wie sich Physiker Vakuumfluktuationen oder Quantenschaum vorstellen.

„Nichts ist das Glück des aufgeklärten Pessimisten, denn nichts kommt dem Glück so nahe wie Nichts.“ Ludger Lütkehaus: Nichts. Haffmans, 2003

Keine anderen Worte beschreiben die Relativität der Begriffsbildung so gut wie „Alles“ und „Nichts“. Ein stärkerer Gegensatz ist undenkbar, und doch sie sich gleich. Die Beobachtung der Natur scheint (bisher) Heraklit zu bestätigen: dass alles eins sei und das eine alles. Einschließlich des Nichts (z.B. die Leere zwischen Quark und Elektron). Mir erscheinen Begriffe relativ. Ich möchte die Sicht derer verstehen, die sie benutzen. Und ihre Nützlichkeit als Werkzeug einschätzen, oder ihrer Gefährlichkeit als Waffe.

Begriffe klären

Die Forderung Begriffe „richtigzustellen“ (bevor man sich streitet) bleibt zeitlos aktuell. Konkret empfahl Konfuzius, man solle sich zunächst einigen, was man „eigentlich“ (!) meine oder beabsichtige, wenn man einen bestimmten Begriff verwende.

«Wenn die Begriffe nicht richtig sind, so stimmen die Worte nicht …»
Konfuzius vor 2500 Jahren

Diese Art östliche Denken beruht auf aufgemalten Schriftzeichen, die keine scharf trennenden Begriffsbildungen zulassen. Im Westen wird ein exaktes Alphabet genutzt, das eindeutig und klar zwischen A und B unterscheiden kann. Für Konfuzius waren Begriffe (wie „Menschlichkeit“) aber nichts eindeutig Getrenntes. Er suchte vielmehr nach einer idealen Harmonie von Gegensätzen („Taiji“) in einem Gesamtzusammenhang („Wuji“ = ungetrennt). Seine Begriffe sollten vor allem nützlich sein: Als einfache Werkzeuge, auf deren Handhabung man sich einstellen müsse, bevor man rede.

Seine Begriffe enthielten keine Wahrheiten („Genau so ist es! Und nicht anders!“). Sondern nur Empfehlungen, dass man Rituale so handhaben solle, „als ob“ etwas wahr sei. So solle man Rituale so ausführen, als ob es Götter oder Ahnen gäbe, die das (genau so) befohlen hätten. Ob es diese höheren „Wahrheiten“ aber tatsächlich gibt, ist in der von ihm geprägten östlichen Philosophie uninteressant, weil das meiste, was uns an Realität umgibt „unsagbar“ sei (also nicht in Begriffen eingefangen werden kann).

Begriffe sind relativ

Der etwas jüngere chinesische Philosoph ZhuangZi (um 330 v.u.Z.) nutzte für die Beschreibung dieser praktischen, östlichen Einstellung das Bild vom Fisch (= Bedeutung oder Sinn) und der Fischreuse (= Wort-Begriff): Wenn man einen Fisch gefangen habe (= Wort verstanden!) und den Fisch dann brate (= die Bedeutung reflektiere), solle man das Wort (= die Fisch-Reuse) besser weglegen.

In Asien gehen, dieser Tradition folgend, Menschen mit Ritualen, die von oben verordnet werden (u.a z.Z. .. Maske, Test, Impfung, Quarantäne, Verlangsamung des Wachstums, Einschränkungen, Wohlverhalten-Bonus-punkte .. ) anders um als in Europa. Es interessiert dort weniger, ob das Angeordnete auch wahr sei („wissenschaftlich bewiesen“). Viele fragen eher, ob man dem großen Ganzen (z.B. der KPCh und dem von ihr geleiteten System) insgesamt vertrauen könne, weil es dafür sorge, dass es für alle besser werde. Wird diese Frage mit „Ja“ beantwortet, erscheinen bestimmte Rituale sinnvoll zu sein. Im Westen funktioniert diese Art des Denkens nicht. Hier beten wir Zahlen, Einzelfakten und Statistiken an, und wir glauben, dass eine unendliche Summe toter Einzelinformationen die System-Dynamiken erklären könne, die wir erleben. (McGilchrist 2021)

Begriffs-Verformungen

Oft könnte eine Klärung der Begriffe (im Sinne des Konfuzius) weitreichende Folgen haben, die unerwünscht sind. Dann ist es nötig, die Begriffe zu verändern. Denn wenn die Realität der Theorie widerspricht, muss es um so schlimmer werden, für die Realität. (nach Watzlawick)

Ein Editor des Britisch Medical Journal (Peter Doshi) bezweifelt, dass man aus früheren Pandemien für den Umgang mit „rettenden“ Pharmaprodukten gelernt habe. Und stellt dann die Frage, wie sich die Nutzung der Produkte verändert hätte, wenn man die neuen mRNA-Injektionen nicht als Impfungen bezeichnet hätte, weil sie ja der bisherigen Begriffs-Definition von Impfungen nicht entsprachen. Sondern wenn man sie (begriffs-konform) als „gen-therapeutische Medikamente“ bezeichnet hätte (Doshi 2021).

Ähnlich hatte der Biologe Marc Mendelson einige Jahre zuvor gefragt, ob selbst ein so einfaches naturwissenschaftliches Phänomen wie die zunehmende Antibiotika-Resistenz, ihrem Wesen nach, nicht auf einem Sprach-(Verständnis)-Problem beruhe (Mendelson 2017 ). Denn die medizin-beherrschende Sprache benennt Keime, die man „bekämpfen“ und ein Immunsystem, das man für den Krieg „stärken“ müsse. Statt zu schildern, wie man ein Immunsystem „beruhigen“ und ein friedliches Zusammenleben mikrobieller Ökosysteme „fördern“ könne.

Brauchen wir neue Begriffe?

Die verschiedenen Krisen, die uns gerade beuteln (neue Pandemien, sinnlose Kriege, drastische Biosphären-Krankheiten, Zerfall übergeordneter Wertesysteme, …) gleichen sich in der Verwirrung der sprachlichen Versuche, sie zu erklären, oder sie interesse-geleitet zu nutzen. Eigentlich müssten wir (unsere Gattung) anders denken, als die Menschen, die uns in diese Krisen geführt haben. Wir müssten uns dringend sorgen, wie unsere Lebensform ihre verbleibenden evolutionären Chancen nutzen könnte. Stattdessen beharren wir „… innerhalb der Logik des westlichen kapitalistischen Weltbezuges, anstatt das Wachstumsparadigma und den Konsumismus zu überdenken …“. (Schouwink 2022) Noch gilt das beliebteste Motto der Politik:

„Alles muss sich ändern, damit alles so bleibt wie es ist.“ (Tomasi 1987)

Der Hirnforscher Eugen Roth, hat das, was Viktor Frankl „Sinn“ nannte und Aron Antowsky „Kohärenz“, aus biologischer Sicht neu formuliert: „Nur die intrinsische Belohnung, gespeist aus tiefer Überzeugung erschöpft sich nicht in ihrer Wirkung“ (Roth 2021).

Er hat recht:

Um aus den Multi-Krisen herauszukommen, brauchen wir Visionen, die auf dem emotional-körperlichen „Es“ gründen. Auf dieser Basis müssen neue, geeignete Begriffe geformt werden für positive Visionen, damit wir nicht immer von Neuem von einem Tsunami des Irrsinns weggespült werden.

Mehr

Literatur

Was liegt hinter dem Ereignishorizont?

Hätte das schwarze Loch dem Spiegel ein Geheimnis verraten, stünde auf dem Titelblatt eine andere Überschrift. Denn wo genau sollte das Ende liegen, wenn sich Unfassbares in gänzlich Unbekanntes wandelt? Bilder: https://eventhorizontelescope.org, Der Spiegel, Nr. 16. 13.04.2019

Alle Wahrheit … ist einfach. Eine zweifache Lüge. Nietzsche

Das Universum der Physik gleicht einer gleichförmig schwingenden Glocke:

Erstaunlich einfach und vorhersagbar (Turok 2016)

Ähnlich der Sphärenmusik, die sich Pythagoras von Samos vorgestellt hatte. Wir lauschen den Tönen von Churyumov-Gerasimenko, der bei 20-40 Millihertz schwingt, etwa 15 Oktaven tiefer als menschliche Stimmen. Oder lesen von Gravitationswellen oder Geister-„Teilchen“ (Higgs-Boson), oder bestaunen das Klang-Bild eines kreisenden Ereignishorizontes, der aus einem riesigen Daten-Puzzle zusammengesetzt wurde.

Hätte das schwarze Loch dem Spiegel ein Geheimnis verraten, stünde auf dem Titelblatt eine andere Überschrift. Denn wo genau sollte das Ende liegen, wenn sich Unfassbares in gänzlich Unbekanntes wandelt? (Der Spiegel, Nr. 16. 13.04.2019)

Aber jede neue Erkenntnis zeigt uns nur die Unendlichkeit unseres Unwissens. Trotz der immer wieder geweckten Sehnsucht nach einer Weltformel, an die wir glauben dürften. Die uns alles erkläre, weil sie das „“ der dynamisch-lebenden Realität in etwas Kompliziertes“, beherrschbares, verwandeln würde. So wie einst „Blitz und Donner“ durch „Thor’s Hammer und Streitwagen“ erklärt wurden. Solche Wahrheiten beruhigen, weil das Chaotische und Ungreifbare durch die Opfergaben der Hohepriester des Wissens günstig beeinflusst werden kann.

Keiner von uns hat die gigantischen Löcher in der Raumzeit gesehen oder erlebt. Ebenso wenig wie die Mini-Bausteine des Seins (u.ä.). Wir glauben nur, dass es all da gibt, weil uns Wissenschaftler*innen, denen wir vertrauen, davon einprägsame Geschichten erzählen.

Auch die Physiker schließen nur indirekt auf die Realität, indem sie Hypothesen aufstellen und diese überprüfen. Jeder ihrer Apparate, der für uns nicht wahrnehmbare Wellen-Knoten misst, um sie anschließend für die Titelseiten farbig zu drucken, stört die Beobachtung dessen, was betrachtet wird. Zudem verbieten die merkwürdigen Gesetze der Quantentheorie, Ort und Impuls einer solchen Teilchen-Welle gleichzeitig zu messen. Folglich schließen wir auf Teilchen oder Felder (wie das ) oder astronomische Riesengebilde, weil eine Dynamik Spuren erzeugt, die ohne uns postulierte Gebilde nicht erklärbar wären. Dieser Modellabhängiger Realismus ist die Grundlage unserer Naturbetrachtung.

Die Perfektion unserer Modelle hilft uns, immer präzisere Vorhersagen zu zukünftigen Ereignissen zu machen. Die dafür notwendigen Wissenschaftshypothesen werden (aufgrund dessen, was wir gerade zu wissen glauben). Manche verkümmern, kurz nachdem sie entstanden sind, während andere zu wachsen beginnen, erblühen und gedeihen, und schließlich kränkeln und sterben. Verlangt die Praxis nach neuen Modellen, zerfallen die alten.

Soweit ein Nicht-Physiker und Nicht-Mathematiker (wie ich) es nachvollziehen kann, kann ich nach dem aktuellen Modell ziemlich sicher sein, dass u.a.:

  • alle beobachteten Erscheinungen und auch die, die nicht beobachtet werden, miteinander zusammenhängen und wechselwirken,
  • es klare und berechenbare Gesetze gibt, nach denen sich das Universum (oder die Universen) entfaltet und zerfallen wird,
  • es keinen Raum gibt, in dem etwas in einem umgebenden Nichts herum-schwebt.

Raum, Zeit, Sein und Nichts scheinen eine Einheit bilden, die sich ohne Unterlass wandelt. Und alles, was darin wird, entsteht aus eigen-dynamischen Systemen. Es lebt in einem größeren Gewusel von System-Zusammenhängen, in denen alles mit allem wechselwirkt.

Mediziner orientieren sich (wie auch Politiker, Manager und Generäle) weiterhin an der: Sie beschäftigen sich mit linearen Bezügen: Problem → Diagnose → Therapie → Heilung. Beziehungen, Wechselwirkungen, indirekte und schwache Kräfte, Dynamiken, logarithmische Entwicklungen, Oszillationen, Varianzen, Rhythmen, Unwägbarkeiten, Wahrscheinlichkeiten und Zufälle (ohne verdeckte Ursache) spielen in der Medizin noch keine große Rolle.

Die kritischen Denker, die vor 2.500 Jahren zum Sternenhimmel hinaufschauten, entwickelten, ganz ohne Teilchenbeschleuniger, geniale Ideen, die das Standardmodell der Physik vorwegnahmen. Der Lieblings-Philosoph des Physikers Schrödinger vermutete z.B., dass sich nichts bewege, sondern nur etwas flimmere. Eine Auffassung, die mich an Aussagen des Physikers Zeilinger erinnert, der „Wirklichkeit und Information“ für dasselbe hielt. Heraklit, ein Kollege des Parmenides, vertrat eine scheinbar gegensätzliche Ansicht: dass alles in Bewegung sei und voller Energie herum wirbele, etwa wie es sich die modernen Loop– und String-Theorien vorstellen.

Die ersannen immer neue Fragen, und wussten, dass all ihre Antworten höchsten vorläufigen Charakter hatten. Deshalb machte es ihnen Spaß, weiterzufragen und selber zu denken. Bis Aristoteles und Platon (und anschließend viele andere) „die heilige Wahrheit“ (Epistheme) erfanden.

Unsere Aufgabe ist es, alles zu tun, um unsere schönsten Hypothesen zu widerlegen. Reinhard Genzel, Physiker, Der Spiegel 16/2019

Inzwischen scheinen viele der existenziellen Probleme, mit denen unser Planet und wir (als seine „Oberflächen-Bakterien“) konfrontiert werden, durch die Physik besser verstanden zu werden. Aber die Physik ist auf ständige Überprüfungen angewiesen, und sie hört dort auf, zuverlässig zu sein, „wo Unkenntnis durch Vermutung ersetzt wird, statt durch aufrichtige Fehlanzeigen.“ (Kundt 2014) – das heißt bei der Betrachtung der größten und der kleinsten Wechselwirkungen.

Die derzeitige Krise der Physik hat auch einen wesentlichen Grund darin, dass die Auswertung der Rohdaten komplexer Experimente heute praktisch nicht mehr überprüfbar ist.

Wir sollten deshalb nicht nur ehrfürchtig staunend zu den Expert*innen aufblicken, deren Weisheit die Journalisten vertrauen.

Wir könnten auch (mit unserem begrenzten, aber dafür ausreichenden Wissen) darauf hinwirken, dass sich das menschliche Verhalten erd-system-verträglich ändert. Die Physik könnte uns dabei durchaus Mut machen, denn erfahrungsgemäß entsteht auch dort neues Denken in Phasen, in denen Modelle gerade zerfallen oder neu entstehen. (Kuhn, Kundt, Unziger).

Hazmat Modine (www.youtube.com/watch?v=n58tlDXDLO8):

„And Bohemoth sings us his song – While Bahamut wanders along – But in the glory of this spring – You can hear Bahamut sing: Whoa-ho-ho – Are you as big as me? – Whoa-ho-ho-ho – Way too big to see. Whoa-ho-ho-ho-ho – Bahamut he goes so slow – Whoa-ho-ho-ho – Too big a place to go
The entire known universe – Floats suspended in a thin silver bowl – Which rocks gently on the back – Of an immense blue-green tortuga – And the tortuga’s scaly feet – Are firmly placed on the topmost – Of seven craggy mountains – Which arise from a vast and arid plain – Of drifting, fetid, yellow dust – And the plain is balanced precariously – On top of a small thin green acacia tree – Which grows from the snout – Of a giant blood red ox – With 50 eyes that breathes flame – The color of the midnight sky – And the ox’s hooves are firmly placed – On the single grain of sand – Which floats in the eye of Bahamut – Like a mote of dust – No one has ever seen Bahamut Some think it’s a fish – Some think it’s a newt – All we know is that the lonely Bahamut – Floats endlessly through all time and all space – With all of us and everything – Floating in a single tear – Of his eye …“

Literatur

  • Esfeld M (2012): Philosophie der Physik, Suhrkamp, 4. Aufl. 2012
  • Hawking S, Mlodinow L (2010): Der große Entwurf. Eine neue Erklärung des Universums, Reinbek, 2010. : „Physics would have been „far more interesting“ if scientist had been unable to find the Higgs boson. … So remember to look up at the stars and not down at your feet. Try to make sense of what you see and hold on to that childlike wonder about what makes the universe exist.“
  • Krauss L (2012): A Universe from Nothing: Why There Is Something Rather Than Nothing, Vortrag-Video: 03.04.2012
  • Kuhn T (1970): The Structure of Scientific Revolutions, 1970
  • Kundt W, Marggraf O (2014): Physikalische Mythen auf dem Prüfstand. Springer Spektrum, 2014
  • Unzicker A (2013): The Higgs Fake – How Particle Physicists Fooled the Nobel Committee, CreateSpace Independent Publishing Platform, 2013; Auf dem Holzweg durchs Universum. Warum sich die Physik verlaufen hat. Hanser, München 2012. Vom Urknall zum Durchknall. Die absurde Jagd nach der Weltformel. Web-Site: Alexander Unzicker
  • Schrödinger E (1963): Mein Leben, meine Weltansicht: Die Autobiographie und das philosophische Testament, dtv 1963
  • Turok N. (2016): The Astonishing Simplicity of Everything
  • Spektrum der Wissenschaft (2013), Sonderausgabe zur Entdeckung des Higgs-Bosons: SpdW, Okt. 2013
  • Zeilinger A (2003): Einsteins Schleier, Die neue Welt der Quantenphysik, Beck 2003

Alles und Nichts

„Warum ist überhaupt etwas und nicht vielmehr Nichts?“ Ludger Lütkehaus

„Herr Je das Nichts ist bodenlos!“ (Hans Arp)

Texte formulieren, Zeichnen und Auf-Schreiben sind meine Formen des Begreifens.

Die Grinse-Katze (Cheshire-Cat in „Alice im Wunderland“): Sie verschwindet. Ihr Grinsen aber bleibt. Was ist dieses Grinsen (der Katzen-Geist) ohne die Katze?

Ich muss Gedanken, Worte, Zusammenhänge und Begriffe erst in Handarbeit formen, um sie wirklich berühren und halten zu können. Erst über die Hand nehmen sie, wie ein behauenes Figürchen, für mich Formen an, und können dann erst geschliffen werden.

Der folgende Text über „Alles und Nichts“ entstand 2004.Damals wollte ich (wie viele in ihrem Mittelalter) wissen, wer „Ich“ bin.

Mich faszinierte die Antwort des Zen-Buddhisten Suzuki: „Ich bin nicht. Na und!“, und auch die des Vedanta-Lehrers Sankara: „Die Welt ist Schein!“

Warum aber war „Ich“ (körperlich deutlich spürbar) trotzdem?

Offenbar war dieses „Ich“ mehr als der Teil von mir, der gerade versuchte, über das Nichts nachzudenken.

Also stand ich (nach dem Niederschreiben) von dem Sitzkissen auf, und begann mich intensiver für das (wortlose) Spüren des ganzen Körpers und seine Beziehungen zu interessieren:

„Lass dich. Werde. Wirke.“ Eckhart von Hochheim (1260-1328 n.u.Z)

Die Beschäftigung mit dem Nichts führte noch zu etwas Zweitem: zu Neugier. Ich wollte herausfinden, warum „Nichts wirkt“:

Also die Welt der Systemwirkungen, Beziehungen und Wechselwirkungen besser verstehen und daraus praktische Konsequenzen für die Medizin ableiten.

ochse
Die Geschichte vom Ochsen. (Kakuan, 12. Jhh, Wiki-Commons: Ox-herding pictures). (1.) Der Ochse (das Selbst) ist nicht sichtbar. (2.) Das „Ich“ entdeckt Spuren des „Selbst“. (3.) Ich und Selbst finden sich. (4.) Das innere Team ist mit sich versöhnt. (5.) Ich=Selbst=Körper (6.) Alles betrachten (über „Ich-Selbst-Körper“ hinaus). (7.) Nichts (8.) Alles ohne „Ich-Selbst“. (9.) Gelassen tätig sein.

Alles ist möglich. Nichts ist auch möglich.

Die Ausgangsfragen: Ist Sein und Nichts dasselbe? Oder begrenzt das eine das andere?

Physiker erklären uns, dass es ein eindeutiges „Nichts“ nicht geben könne. Selbst in einem absoluten Vakuum, aus dem alles (auch die Strahlung) entfernt sei, entstünden weiterhin fröhlich-virtuelle Paare aus Teilchen und Anti-Teichen, die sich gleich wieder zerstörten und so ins (nur scheinbare) Nichts zurückfielen. Vielleicht, so sagen sie, sei unsere Welt aus so einer Quantenfluktuation entstanden, bei der zufällig einige Pünktchen nicht durch Anti-Pünktchen ausgelöscht worden seien.

Oben: Alles oder Nichts. Unten: Alles und Nichts in dynamischer Beziehung.

Sicher sei alles (was wir erleben) mit Allem verbunden und in Systemen verwoben. Scharfe Trennungen und eindeutige Grenzen existieren deshalb nur in unseren Begriffen. Die Realität des sich ausdehnenden Universums sei ungetrennt.

Wir erkennen aber nur das, was vor uns erscheint, und nicht das, was uns und alles andere durchströmen mag. So wie ein Fisch nur einen anderen Fisch erkennen kann, nicht aber das Wasser, in dem er schwimmt, und dass ihn zugleich in seinen Organen überwiegend ausmacht.

Das scheinbare „Nichts“ könnte deshalb als Beziehung beschrieben werden, in die „Etwas“ eingebettet sein muss, um existieren zu können.

Sein oder / und Nicht-Sein?

Das Universum hält sich an klare Regeln, und niemand scheint es zu manipulieren. Die Natur handelt gesetz-mäßig. Allerdings könnten die Naturgesetze auch zufällig entstanden sein. In einem anderen Universum mögen völlig andere Naturkonstanten gelten.

In diesem Universum aber, ist es eine grundlegende Erkenntnis, dass  die Unordnung, der Grad des Chaos unserer Systeme (die sogenannte Entropie) zunimmt. Deshalb verbrauchen (relativ) abgeschlossene Systeme immer Energie, und können sie niemals erschaffen.

Unser Raum scheint sich, gleich einem aufgepusteten Luftballon, auszudehnen, und alles was darin ist, verteilt sich immer feiner. Die Gesamtenergie des Universums verringert sich, um uns herum wird es kälter und bewegungsärmer.

Solche Gesetzmäßigkeiten müssen wir hinnehmen, ob wir wollen oder nicht. Selbst dann, wenn wir nicht verstehen, warum es sie gibt. Gegen die Naturgesetze zu handeln, wäre eine sinnlose Energieverschwendung.

 „Alles ist Eins.“ und  ‚Alles fließt.‘
Heraklit und LaoTse vor etwa 2.500 Jahren.

Der Zoo subatomarer Teilchen verwandelt sich ineinander oder in (scheinbares) Nichts. Bewusstes und unbewusstes Denken, Körper, Umwelt und sozial-gesellschaftliche Bezüge gehen ineinander über. Alles Leben mit seinen Genen, Zellen, Bakterien entsteht und vergeht in vernetzten, sich wandelnden und ineinander verschachtelten Ökosystemen. Es wächst und erschafft sich immer wieder von innen heraus neu (Autopoiese). Zugleich ist Leben Beziehung, Austausch und Wechselwirkung mit anderen lebenden Systemen.

Der leere (nur in sich bewegte) Kreis. Das Symbol für das ursprünglich Ungetrennte.

Sein ist selten.

Alles, was wir sehen, erfahren und messen, wirkt über große Entfernungen hinweg aufeinander ein. Dabei ist „das Sein“ in dem „umgebenden Nichts“ sehr dünn und großräumig verteilt. Im Vergleich zur Unendlichkeit des „Nichts“ besteht „das Sein“ aus seltenen Ereignissen, obwohl unsere Sinnesorgane, die nur auf das Sein reagieren, uns ohne Hilfsmittel das Gegenteil vermitteln.

Könnten wir einen Atomkern auf die Größe einer Kirsche aufpusten, wäre die „verschmierte“ Hülle der Elektronenwelle etwa so groß wie ein Fußballfeld. Dazwischen erstreckte sich „Nichts“.

Auch der Atomkern bestünde fast vollständig aus Leere. Wäre die glühende Sonne so klein wie ein Fußball, tanzte die Erde als Stecknadelkopf in etwa fünfzehn Metern Entfernung im Geflimmer ihres Feuers. Jupiter kreiste als Nuss in achtzig Meter Entfernung, und Saturn wäre etwas kleiner und doppelt so weit entfernt. Der nächste brennende Fußball (Proxima Centauri) läge, von Hamburg aus gesehen, irgendwo in der Wüste Saudi Arabiens.

Dazwischen: Nichts.

Durch diesen leeren Raum braucht Licht acht Minuten von der Sonne bis zur Erde, sechs Stunden bis zum Pluto, vier Jahre bis zu Proxima Centauri und 75.000 Jahre quer durch das Gewimmel von einhundert Millionen Sonnen unserer Milchstraße. Die „letzte“ der über 100 Millionen Milchstraßen, sehen wir etwa in 13-14 Milliarden Jahren Entfernung in der Vergangenheit: Ist es vielleicht unsere eigene?

Der Raum, der überwiegend aus einem riesigen, sich dehnenden, beschreibbaren „Nichts“ bestehe, sei zerbeult, und er verforme sich, erzählen uns die Physiker.

Warum konzentrierten wir uns dann bei dem Versuch, die Welt zu verstehen, auf das messbare „Sein“? Wenn es doch gegenüber dem „Nichts“ (der „dunklen Energie“, der „Quintessenz“, dem „Unsagbaren“) eine so seltene Ausnahme darstellt?

Was könnte „das Nichts“ sein?

Die technischen Entwicklungssprünge der Menschheit hingen häufig mit der Beschäftigung mit dem „Nichts“ zusammen. Wenn man plötzlich damit begann, zu versuchen, etwas Leeres nutzbar zu machen. Zum Beispiel, indem man Massives aushöhlte und dünnwandige Gefäße forme, oder Netze knüpfte, oder Tücher webte, oder Speicherräder baute, schließlich mit der Null die Mathematik revolutionierte und dann auch Maschinen konstruierte, die das Nichts (das Vakuum) nutzen konnten.

Im 17. Jahrhundert ging Spinoza einer genial einfachen, etwa zweitausendfünfhundert Jahre alten Vermutung nach: Alles (Materie, Strahlung, Gott, Natur, Geist, Körper) sei nichts anderes als eine Anregung einer Grundsubstanz, die wir nicht wahrnehmen könnten, und die alles durchdringe und zugleich sei.

„Gott ist das absolut unendliche Sein, alles was ist, in sich oder in einem anderen. Gott sei die Substanz, die Natur. Diese Substanz muss ewig sein, einfach, unteilbar, vollkommen. Sie muss sich selbst erschaffen haben und ist weder schön noch hässlich, weder geordnet noch verwirrt.“ Spinoza

Die Eleganz seines Denkens entstand aus einer Not, die ihn zu konzentrierter Hand-Arbeit zwang. Er schliff optische Gläser, in einem so gleichmäßigen Rhythmus, dass sich offenbar unnötige Gedankenverrenkungen verloren. (s. Occams Rasiermesser)

Seine Theorie wurde nicht nur als ketzerisch, sondern auch bis heute als paradox empfunden: schließlich könne aus „Nichts“ nichts kommen („Ex nihilo nihil fit“).

Hume, ein Philosoph der gleichen Zeitperiode, entdeckte jedoch, dass auch die Annahme, dass eine Wirkung eine Ursache haben muss (Kausalität), nichts anderes sei, als ein Erklärungsmuster. Kraft und Notwendigkeit (Ursache und Wirkung) seien Attribute der Art, wie wir Objekte vorstellen, nicht Attribute der vorgestellten Gegenstände selbst. Also seien sie etwas innerlich Gefühltes und nicht etwas äußerlich Gegebenes.

Heute scheint die Physik vor allem drei Varianten zu erwägen (Riess 2016):

Der Raum an sich sei energiegeladen und erzeuge ständig virtuelle Teilchen. Seine Vakuumenergie (oder seine kosmologische Konstante) sei unendlich und unveränderbar.

Es gäbe eine Quintessenz, wie schon die antiken Griechen vermuteten. Ein Kraftfeld, das den ganzen Kosmos durchzöge, das plötzlich entstand („Big Bang“), und vielleicht irgendwann zerreiße („Big Rip“) oder in sich zusammenfalle („Big Crunch“)

Dunkle, unklare Energieformen (die das Universum aufbliesen) gäbe es gar nicht. Sondern wir vermuteten sie nur, weil wir die Gesetze der Gravitation bisher nicht verstünden.

Was ist Alles?

Das ursprüngliche Universum sei, nach der heute allgemein für richtig gehaltenen Theorie, unmittelbar nach seiner Geburt, etwa so groß gewesen wie eine Pampelmuse. Diese Ur-Pampelmuse soll alles enthalten haben, was wir heute sehen, haben und sind.

Der Raum, den es vorher nicht gab, dehne sich seither aus.

Was hat die Ur-Fluktuation des Nichts angeregt? Und warum gibt es uns überhaupt, wenn sich virtuelle Teilchen, die aus dem Nichts entstehen, doch immer wieder auslöschen. Wo sind unsere Anti-Teilchen geblieben?

Die Geburt der Dynamik (Big Bang): Die Schlange, die sich selbst frisst, teilt das Universum. Schmuck aus Armenien.

Es finden sich keine Spuren, die uns darauf hinweisen könnten, dass seither irgendetwas auf die natürliche Entwicklung der Dinge Einfluss genommen haben könnte. In unserer strikt gesetzlich geregelten Welt, gab und gibt es keine Wunder.

Physiker diskutieren zurzeit zwei große Theorien, wie Alles aufgebaut sein könnte:

Die eine stammt letztlich von griechischen Naturphilosophen, die sich vorstellten, alles bestünde aus Kügelchen, die sich immer neu mischen, um ständig Neuem Gestalt zu verleihen (Demokrit). Die Masse des Alls (Strahlung, Quintessenz, Materie etc.) bliebe konstant, sei unbegrenzt und unvergänglich. Das All bestehe nur aus winzigsten Teilchen, die in unendlicher Bewegung seien und eine grenzenlose Zahl von Welten hervorbrächten, die entstünden und vergingen. Nichts gehe zugrunde – alle Kügelchen seien in ständiger Verwandlung. Wenn wir die kleinsten Einheiten „Energiepäckchen“ oder „Quanten“ nennen, bleibt dieses antike Weltbild aktuell, auch wenn der Materialismus („Alles ist Materie“) seit Einsteins Energieformel mausetot ist. Zahlreiche Physiker nehmen trotzdem an, alles, auch Raum und Zeit, seien „körnig“ oder „gequantelt“. Was aber soll dann zwischen den Quanten-Körnchen sein?

Die konkurrierende Alternative zur „Tropfentheorie der Zeit“ ist die String Theorie: Ihr zufolge soll in einem Prozesscharakter der Wirklichkeit, Werden (Veränderung) diskontinuierlich geschehen. Nach der String Theorie wirbele alles in vielen (mindestens elf) Dimensionen: Die Welt schwinge. Dieser Gedanke, eines rhythmisch klingenden, „musikalischen“ Universums, stammt ursprünglich von Pythagoras. Er stellte sich das Universum als einen Klangkörper für Musik vor, nach Harmonie strebend und so mathematisch und künstlerisch erfahrbar. Aber: Welche Saiten sollen da erklingen?

Beide Theorierichtungen machten bereits vor 2.600 Jahren die Götter in Europa und China arbeitslos. Geister als extern auf natürliches Wachsen einwirkende Instanzen waren überflüssig geworden. Epikur nannte die Götter, wenn es sie denn gäbe, „glückselig, unver­gänglich und an den Menschen nicht interessiert“. Während Konfuzius erklärte, es sei völlig belanglos, ob sie real existierten, solange man sich nur so moralisch gut verhielte, als ob es sie gäbe.

Für den Alltag aber waren (und sind) die „gottlosen“ Theorien zu wenig anschaulich und „hoffnungslos“ gefährlich. Sie konnten sich trotz zahlreicher philosophischer Bemühungen als praktische Lebenslehren gegenüber Religionen nie durchsetzen.

The devil, who plays a big part – has tricked his way into my heart – by the mere insistence of his non-existence – which really is devilish smart! Limerick mit teuflischem Existenz-Beweis

Was ist Energie?

Alles, was wir kennen, besteht entweder aus Materie oder Energie. Und seit Einstein müssen wir annehmen, dass Materie nur eine Energieform sei. Was aber soll Energie sein?

Der „Materie-Begriff“ ist anschaulich, weil wir glauben, ihn „begreifen“ zu können. Genauer betrachtet sind aber all die kleinen, Teilchen, die wir beobachten, gar keine „Gegenstände“, sondern Wellen, die sich nur für uns scheinbar so verhalten, als seien sie Teilchen.

Materie kann deshalb als eine Ansammlung unvorstellbar schnell drehender Wirbel beschrieben werben. Die kleinsten Wirbeln können wir mit großem Aufwand isolieren und geben ihnen Namen wie Quark oder Photon. Aber was da wirbelt, wissen wir nicht. Das was sie ausmacht, ist ihre Bewegung in Beziehung zu allem anderem. Und diese Fähigkeit zu Bewegungsdynamik nennen wir Energie. „Sie“ kann Arbeit leisten und wird daran gemessen (in Joule (Nm): Kraft x Weg).

Also müssen wir akzeptieren, dass es so etwas wie Energie gibt, ohne zu wissen woher sie stammt: Denn wir spüren sie, verbrennen uns die Finger und setzen sie in Bomben oder Kraftwerken frei.

Trennung ist eine Hilfskonstruktion.

Wenn es in unserer Realität also keine scharfe Trennung geben kann, und Alles (und auch „das Nichts“) in Beziehungen zueinander stehen: Warum trennen wir dann?

Offenbar tun wir es mit jedem Wort, das wir aussprechen. Wir haben gelernt, in Begriffen zu denken, Übergänge in Gedanken abzuschneiden und Dinge oder Ereignisse in Kategorien zu packen.

Denn es verschafft uns Klarheit:

Es hilft uns ein Modell der Welt zu konstruieren, in dem wir die Dinge wie in einem Puppenhaus sortieren und verändern können.

Tiere sind Blitz und Donner hilflos ausgeliefert, unsere Steinzeit-Vorfahren dagegen waren es nicht mehr. Denn sie hatten ein Modell konstruiert mit einem gewaltigen Gott auf einem Streitwagen am Himmel, den man (in der Logik des Modells) beeinflussen und besänftigen konnte. So beruhigt konnten sie im Gegensatz zu Hasen und Antilopen bei Gewitter rationaler (ohne Angst und Panik) handeln.

Möglicherweise steht deshalb die Trennung am Beginn der Kultur. Begriffe wie „Hand“ und „Stein“ waren ursprünglich vielleicht nur Teile eines Befehls: Etwas (die Hand) solle etwas anderes, ein Objekt bearbeiten. Dazu war es unwichtig zu definieren, wo denn (genau) eine Hand anfangen soll und wo sie aufhört? Und es war auch nicht mehr wichtig, ein Objekt als etwas mit dem Subjekt verbundenes zu betrachten. (s. Noe).

Ohne die Fähigkeit zu trennen, lebten Menschen noch wie die Gorillas, wunderbar in ihre Umwelt integriert, kulturlos und ohne zivilisatorische Höchstleistungen.

Zwar sind Menschen zur Liebe fähige Tiere, aber der trennenden Anschauung der Welt wohnte ebenfalls ein entscheidender evolutionärer Vorteil inne. Trennendes Bewusstsein war schnell, innovativ, aggressiv, „bösartig“, räuberisch, „männlich“ und zielführend.

Wir können eben mit zwei jeweils darauf spezialisierten Gehirnhälften beides: „Alles“ zugleich wahrnehmen, leben und sein, und „Alles“ in Begriffe und tote Einzelteile zerlegen. Und das ist auch gut so. Irre wird es nur, wenn das „Klar getrennte“ für „das Wahre“ gehalten wird, denn

„Das Weiß eines Steines liegt nicht im Stein, sondern im Betrachter“ (Mo Tse).

und

„Die Dinge sind nicht ausgedehnt oder fest. Wir sehen Ihre Ausgedehntheit und fühlen ihre Festigkeit … Das Sein ist Wahr-genommen-werden“. (Berkeley)

und

„Der Mensch kennt weder Sonne noch Erde, sondern immer nur ein Auge, das die Sonne sieht und eine Hand, die die Erde fühlt.“ (Kant)

oder (weniger bier-ernst):

As Bradley is said to have said – If I think that I’m lying in bed – with a girl that I feel – and can touch – is it real? – or just going on in my head? Limerick mit neurologischer Erklärung des Sex

Wir erahnen in einem bestimmten Marmorfigürchen nur deshalb „einen Löwen“, weil in uns bereits ein Löwenbild ruht. Wir glauben, es seien die Musikinstrumente, die ertönten, dabei sind es sind unsere Reaktionen auf nur Luftschwingungen, die erst in uns in Musik umgewandelt werden müssen. Wenn wir also von Dingen oder Ereignissen reden, meinen wir meist eine selbst gewählte Auswahl von Empfindungen, die wir selbst erzeugt haben.

Hypothesen, wie die Welt funktionieren könnte, können nie als wahr erwiesen werden. Popper

Die Essigkoster. Das Gleiche (das Leben) erscheint dem einen (Konfuzius) sauer, dem anderen (Buddha) bitter, und dem dritten (LaoTse) angenehm (en.wikipedia.org)

Die einzig wirklich absolute Wahrheit in dieser verrückten Natur ist deshalb die, dass sie innerhalb unseres Erkenntnishorizont niemals erfahren werden kann.

Sicher wissen wir nichts.

Keine Wahrheit ist Gewissheit. Welterklärungen, die heute die größten Anhängerschaft um sich sammeln, haben nur gemeinsam, dass sie irgendeine Form von Unterscheidung überbetonen: Leiden und Nicht-Leiden, Seele und Körper, Ich und Andere, Gott und Nicht-Gott und vor allem Gut und Böse. Diese Trennung in nützliche Wahrheit (das Gute) und Bedrohung oder Feindseligkeit (das Böse) befriedigt Geborgenheits-Sehnsüchte und vertreibt Unsicherheit.

In der ungetrennten Realität sind wir aber nur ein winziger, sich selbst und das äußere spiegelnder, Teil von etwas, das in zahllosen Richtungen schwingt. Ein poetisches Kunstwerk, in dem wir (was immer wir sein mögen) als Dichter, Maler und Musiker wirken können: künstlerisch schaffend, mitklingend und nach Harmonien suchend.

„… ich kreise um Gott, den uralten Turm und ich kreise Jahrtausende lang – ich weiß noch nicht, bin ich ein Falke, ein Sturm oder ein großer Gesang …“ (Rilke)

Wir könnten also „… die Begriffe fröhlich zerschlagen und die Welt ständig neu erfinden.“ (Nietzsche), und unser zivilisatorisch überspanntes entspanntes Denken so etwas beruhigen und angenehmer leben:

„..Wer hinsichtlich der natürlichen Güter oder Übel keine bestimmte Überzeugung hegt, der meidet oder verfolgt nichts mit Eifer, weshalb er Ruhe hat. …

Unsere wesentliche Krankheit ist das vorschnelle Urteil, der dogmatische Glaube! …

Jedes Urteil erzeugt ein Gegenurteil, unendliche Argumentationsketten und jeder Beweis setzt etwas voraus, was noch zu beweisen bleibt. Deshalb halte dich an die Erscheinungen, lebe undogmatisch nach der alltäglichen Lebenserfahrung, darin wir gänzlich untätig sein können.“ (Sextus Empirikus).

„Zur Hölle mit der Todesangst“ (Ludger Lütkehaus)

Bei allem Nicht-Wissen ist es tröstlich, dass Vergangenheit (und selbst Gegenwart) nur Geschichten sind, die wir uns immer neu und dabei stets verändert erzählen müssen. Das Fabulieren selbst, und auch der Glaube an die Wahrheit unserer Erzählungen, sind aktive, zukunftsorientierte und Energie verbrauchende Prozesse.

Alles Lebende ist aber (wenn es wahrgenommen wird) bereits unwiederbringlich und unabänderlich verstorben.

Himmelblau und rosenrot sind die schönsten Farben.
Öfters ist man plötzlich tot, und solche Leute starben. von Scheffel

Was sich nicht neu erschafft, ist nicht. Real ist nicht das, was sich entwickelt hat. Nur die Möglichkeiten sind es, wie sich etwas entwickeln könnte.

Bücher

  • Höck W.: Herr Je, das Nichts ist bodenlos. Unsinn in Poesie und Prosa. Ehrenwirt Verlag, München 1968 (neu 1982)
  • Lütkehaus Ludwig: „Warum ist überhaupt etwas und nicht vielmehr Nichts?“. Gerd Haffmanns Verlag, Frankfurt 2003
  • Genz H: Die Entdeckung des Nichts. Leere und Fülle im Universum, Carl Hanser 1994, Rororo 2002. Neuere Ausgabe: Nichts als Nichts. Die Physik des Vakuums, Wiley-Verlag 2004

Links zur Physik des Nichts

Aufgrund aktueller Wissenschaft z.Z. als ziemlich sicher angenommene Sichtweisen:

Zitierte Denker:innen

  • Aristoteles 384-322 v. Chr., Erfinder der Zweiteilung und Lieblingsphilosoph des Christentums. A. zu Alexander: „Sorge für die Griechen wie für Freunde und Verwandte und gebrauche die Barbaren wie Haustiere oder Nutzpflanzen.“
  • Arp Hans:  1886-1966
  • Bauer Joachim: Warum ich fühle, was du fühlst – intuitive Kommunikation und das Geheimnis der Spiegelneurone. Hof
  • Berkeley George, 1684-1753, Bischof von Cloyne (Irland)
  • Bohr Niels, 1885-1962, dänischer Physiker
  • Buddha („Erleuchteter“, „Erwachter“) Ehrentitel für Siddharta Gautama 450-370 v. Chr. in Nordindien.
  • Capra Ritjof, Physiker und Philosoph: Das Tao der Pyhsik
  • Dawkins Richard, *1941: Vertreter des Neo-darwinismus
  • Demokritos von Abdera (Thrakien), 460-370 v. Chr., Materialist: Alles Sein besteht aus Atomen, kleinsten unteilbaren Einheiten. Nur das Leere und Volle existiert, keine Schöpfung aus Nichts, kein Gott
  • Eckhart von Hohenheim: Bischof von Köln, 1260-1327
  • Einstein Albert, 1879-1955, Physiker und Vater der allgemeinen und spezielle Relativitätstheorie: Raum-Zeit, Verwandlung von Materie in Energie und umgekehrt, Gravitation als Phänomen der Raumkrümmung u.a.
  • Epiktet, 55-135: Stoischer Philosoph und Sklave, Amor fati = Das Schicksal lieben
  • Epikur: 342-271 v. Chr., Gartenphilosoph des Glücks, auf der Basis des Denkens Demokrits Materialist, Skeptiker, Genießer und Schöpfer der Philosophie des Glücks. Ratschlag: Verberge dein Leben: Dissimule ta vie
  • Fechner Gustav Theodor: 1801-1887 idealistische Identitätslehre, Panpsychismus, wonach das Geistige das An-sich dessen ist, was von außen als materiell erscheint
  • Genesis: Joh.1,1-27: Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Dasselbe war im Anfang bei Gott. Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist.
  • Gorgias aus Leontini (Sizilien), um 380-375 v. Chr., sophistischer Philosoph
  • Greene Brian: Das elegante Universum (Siedler, 2000), Der Stoff aus dem der Kosmos ist (Siedler, 2004)
  • Heraklit: Herakleitos von Ephesos, 540-480 v. Chr., „der Dunkle“, Monist, denn die Mannigfaltigkeit der Dinge und Geschehnisse ist nur Ausdruck einer Welteinheit, und Pantheist, denn diese Einheit, das Weltfeuer, ist zugleich die Gottheit
  • Homer: Als Schöpfer seiner Werke ist H. (700 v.Chr) umstritten, vielleicht war er oder auch andere nur Sammler und Dichter wie die Gebrüder Grimm. Zwischen Ilias und Odysee liegen Generationen der Sprachtechnik, hinsichtlich der weit zurückliegenden historischen Hintergrundereignisse vielleicht noch größere Zeitabstände.
  • Hume David 1711-1776, englischer Philosoph  des Skeptizismus und Empirismus
  • Iphigenie die Tochter Agamemnons wurde auf Wunsch der verärgerten Jagdgöttin Artemis für Wind für die auslaufende Flotte geopfert
  • Jaynes J.: Der Ursprung des Bewusstseins, Rowohlt, Science Sachbuch, Reinbek,1993.
  • Kant Imanuel: 1724-1804, Begründer des Kritizismus: Synthese von Rationalismus, Empirismus und Skeptizismus
  • Konfuzius, Kong Fu Zi, K’ung-fu-tzu (Meister Kong) oder Kong Qiu, (551 bis 479 v. Chr.), chinesischer Philosoph, Begründer des Konfuzianismus und eine der einflussreichsten Persönlichkeiten in der Geschichte Chinas.
  • Kopernikus Nicolaus, 1473-1543, Theologe und Astronom
  • Kratylos, Lehrer Platons, Anhänger der Philosophie Heraklits. Nach K. kann man noch nicht einmal in denselben Fluss steigen, da er keinen Moment sich gleich bleibt.
  • Lao-tse (~570-490 v. Chr.?), chinesischer Philosoph  dessen Existenz historisch nicht gesichert ist. Möglicherweise ein Denker, der Werke eines älteren legendären Weisen weitergab: Wu-Chi (Nichts) oder Tao wandelt sich in Yin und Yang. Empfehlung: „Wu-Wei“ (Nicht-Handeln)
  • Marcus Aurelius: römischer Philosoph (Stoiker) und Kaiser, 161-180 n.Chr.
  • Mo Tse, chin. Philosoph, etwa 500-400 v. Chr
  • Nietzsche Friedrich Wilhelm, 1844 – 1979, Philosoph
  • Noe Alva: Out of our heads
  • Occams Rasiermesser: „Entia non sunt multiplicanda praeter necessitatem
  • Platon: 428-347 v. Chr., der Erfinder der Ideen, der Ideale und des Jenseits
  • Popper Karl, 1902-1994, Vater des kritisc hen Realismus, Wissenchafts- und Methodentheorie
  • Pyrrhon von Elis, Skeptiker, 360-272 v. Chr
  • Pythagoras.*570 v. Chr: Mathematiker, Mystiker, Sektengründer
  • Rilke Rainer Maria: Dichter, 1875-1926
  • Santayana Georg *1893, pragmatischer Philosoph
  • Schmitz Hermann, *1928, Philosophieprofessor in Kiel
  • Schopenhauer, Albert: 1788-1860, der Buddha aus Frankfurt
  • Schrödinger Erwin, 1987-1961: Atomphysiker
  • Schweitzer, Albert (1875-1959): Arzt und Mensch: „Humanist“
  • Seneca, 4-65 n. Chr, Lehrer Neros, Stoiker
  • Sextus Empirikus, Arzt in Athen, Skeptiker etwa 2.200 vor heute
  • Spinoza Baruch (1632-1677), Optiker und Philosoph in Holland
  • Suzuki Shunryu: Zen Mind; Beginner’s Mind, Weatherhill, 1970
  • Upanishaden: Teil der mystisch-philosophischen Veden 400-200 v.Chr
  • Watzlawick Paul: Konstruktivist, Psychotherapeut, *1921
  • Whitehead Andrew N., 1861-1947
  • Wittgenstein Ludwig, 1889-1951, Philosoph und Sprachwissenschaftler: „Kampf gegen die Verwirrung unseres Verständnisses durch die Sprache”
  • Zeilinger Anton: Einsteins Schleier. Die neue Welt der Quantenphysik, Beck 2003
Letzte Aktualisierung: 11.12.2023