Ökosystem Mensch: Mikrobiom
„Ich hatte keine Ahnung, dass alles so integriert und schön ist … jede Organelle zeigte sich in einem dynamischen Tanz von Teilen, die sich ständig umarmen. I had no idea everything was so integrated and beautiful … each organelle could be shown in a dynamic dance of parts that continuously embrace.“ Dolgin 2019
Wir bestehen aus Viren und Bakterien

Ohne menschentypische Bakterien und Viren gäbe es uns nicht. (Virom, Mikrobiom) Andere Kleinlebewesen können für uns als Gäste nützlich sein (Kommensale Mitbewohner). Manche benutzen uns, wie die Parasiten, die uns am Leben lassen. Und einige greifen uns auch an und bedrohen unser Leben (Infektionserreger). Die Grenzen zwischen diesen Möglichkeiten und Kommunikationsformen in Ökosystemen fließen und verändern sich.
Alle lebenden Bestandteile eines Körpers kommunizieren miteinander. Hoch-organisierte Lebewesen gleichen komplexen Staatsgebilden, in denen zahllose, unterschiedliche Einzel-Lebewesen zusammenwirken. Leben entsteht, und formt sich aus, in dem fließen unterschiedliche, energieverbrauchende Funktionen zu einem Ganzen zusammenfließen. Zu einer Gestalt, die sich flexibel an ihr Umfeld anpasst, austauscht und sich dabei immer wieder neu aus sich selbst heraus erzeugt. Fließen die inneren und äußeren Beziehungen reibungsarm und friedvoll, gelingt es erfolgreichen Lebens-formen, sich Belastungen anzupassen, und Störungen ohne bleibende Schäden zu bewältigen.
Krankheit ist eine Kommunikationsstörung. Sie folgt Störungen, Blockaden und Kriegen.
Ob Menschen eine Besiedlung mit einem Erreger überstehen, oder ob sie sterben, hängt nicht nur ab von der Art der äußeren Bedrohung. Wesentlicher ist die Qualität des Zusammenspiels körpereigener Viren, Bakterien, Zellen und Zellbestandteile. Und die Fähigkeit eines gesunden Organismus ruhig und gelassen auf äußere Belastungen zu reagieren.
Die Fließ-Gleichgewichte und Wechselwirkungen in lebenden Organismen werden von vielem beeinflusst. Vom Immunsystem, dem Mikrobiom & Virom (im Darm und auf anderen Körperoberflächen), der Psycho-Neuro-Endokrinologie, der Mitochondrien-Gesundheit, der Genetik, dem Alter, den vor-bestehenden Erkrankungen, der Fähigkeit zur Stressbewältigung u.v.a. Un natürlich auch von der Menge äußerer Stressoren, von der Zufuhr chemischer Substanzen, von Umweltgifte und vielen anderen Schadeinwirkungen.
Gesunde Lebewesen verfügen über ungestört, harmonisch ablaufende Körperfunktionen und flexibel mit Belastungen flexibel um, und kommunizieren störungsfrei.
Auch Zellen sind Ökosysteme
Eine menschliche Zelle gleicht einer mittelalterlichen Stadt. In deren Zentrum ruht, geschützt von einer Maier, das Rathaus (Zellkern). Vor der Stadtmauer (im Zytoplasma) grast eine Ziegenherde (die Mitochondrien). In Friedenszeiten stehen die Stadttore offen. Nach außen tauscht sich die Stadt intensiv mit den benachbarten Ländereien und mit anderen Städten aus. Ohne ihre „Ziegenherde“ wäre eine Zelle nicht lebensfähig. Mitochondrien stellen die notwendige Energie zur Verfügung (durch Sauerstoff-Verbrennung). Dafür besitzen sie ihre eigenen Gene. Mitochondrien werden vom Zellkern kontrolliert, bestimmt und beeinflusst, aber umgekehrt wirken sie auch in den Zellkern hinein. Sie verändern sich, verschmelzen miteinander, teilen sich. Wenn sie altern, erkranken oder zu viel Abfall produzieren, müssen sie, wie kranke Nutztiere, beseitigt werden.
Bei friedvollen Wechselwirkungen im Zellinneren können äußere Herausforderungen elastisch angenommen werden. Ist diese grundlegende Funktion menschlicher Zellen aber gestört, entstehen Krankheiten. Z.B. durch Überlastung der Mitochondrien im Rahmen medikamentöser Übertherapie, bei hohem Alter, durch Überlastung mit Giftstoffen, bei hoher Stress-Belastung, Bewegungsmangel (u.v.a.).
Sonst relativ kleine Herausforderungen können dann Immun-Überreaktionen auslösen, wenn Mitochondrien massiv Notsignale senden. In der Folge kann dann das gesamte Immunsystem (explosionsartig) aktiviert werden (sogenannter Zytokinsturm).
Im Zusammenhang mit solchen Überreaktionen können die normalen körperlichen Funktionen massiv gestört werden: Es entstehen chronische Erschöpfungszustände, (auto-immune) Entzündungen, neurodegenerative Erkrankungen oder viele weitere Störungen, die bleibenden Schaden anrichten.
Mikrobiom und Immunsystem
Das Mikrobiom und das Immunsystem bilden eine funktionelle Einheit. Die komplexe Interaktion der Mikroorganismen auf den Körperoberflächen hat im Laufe der Evolution zur Ausbildung eines reifen Immunsystems geführt, das den Organismus ernährt und schützt.
Ohne Bakterien im Darm würden wichtige Botenstoffe fehlen, und der Stoffwechsel bestimmter Zellen des Immunsystems würde nicht reguliert werden. Wird bei einer Infektion eine Immunantwort ausgelöst, spielen sogenannte konventionelle dendritische Zellen (cDC) eine Schlüsselrolle. Sie gehören dem angeborenen Immunsystem an und sind mit einer Reihe von Mustererkennungs-Rezeptoren ausgestattet, die es ihnen ermöglichen, eindringende Erreger schnell zu erkennen. Die Zellen reagieren zunächst mit der Ausschüttung von Botenstoffen (Zytokinen), weitere Immunzellen anlocken. Gleichzeitig nehmen sie Mikroben auf, zerlegen sie und präsentieren anschließend einzelne Bruchstücke als Antigene auf ihrer Zelloberfläche. Das wiederum aktiviert T-Zellen des adaptiven Immunsystems und kann eine gezielte Immunantwort gegen Eindringlinge auslösen. Werden die T-Zellen dagegen durch cDC aktiviert, die Eiweißbestandteile aus dem eigenen Körper (als fremd) präsentieren, führt dies zu einer fehlgeleiteten, unerwünschten Immunantwort gegen körpereigene Strukturen. Die Folge sind dann Autoimmunerkrankungen. (Schaupp, Cell 2020)
Die Bedeutung der ersten Lebenstage
In den ersten Lebenstagen und Wochen ist das Gleichgewicht zwischen unreifem Darmepithel, Immun- und Nervenzellen und dem intestinalen Mikrobiom noch instabil. Die postnatale mikrobielle Ausreifung verläuft parallel zur Hirnentwicklung und zur Ausgestaltung der Immunfunktion. Die frühe Interaktion zwischen Bakterien, Immunfunktion und Nervensystem beeinflusst die kognitive, immunologische und motorische Entwicklung eines Kindes.
Zur Prävention psychiatrischer, neurologischer und autoimmunologischer Erkrankungen ist es notwendig, Schwangere, Mütter, Feten und Neugeborene in dieser essenziell wichtigen Lebensphase umfassend zu schützen.
Medizinische Interventionen sind im Zeitraum fetaler Programmierung und frühkindlicher Anpassung nur dann ethisch vertretbar, wenn lebensbedrohliche Gefahren abgewendet werden, und von dem Eingriff selbst keine nennenswerten Risiken ausgehen. Alle nicht notwendigen medizinischen Interventionen sollten unterlassen werden.
Menschen sind »Mischlinge«

Die menschliche Erbmasse im Zellkern besteht aus etwas mehr als 22.000 Genen. Damit besitzen wir immerhin 8.000 Gene mehr als ein Regenwurm. Allerdings auch 9.000 Gene weniger als der Wasserfloh Daphnia. Das Besondere des Menschen kann sich also nicht in seiner Zellkern-Genetik erschöpfen. Die Art, wie unterschiedliche Träger von Information in einem Gesamtsystem schwingen und interagieren muss eine erhebliche Bedeutung haben, die bisher kaum erforscht ist. Inzwischen ist außerdem bekannt, dass menschentypische Erbinformation auch während und unmittelbar nach der Geburt übertragen wird (Mikrobiom).
Dem Medizin-Nobelpreisträger Svante Pääbo, gelang der Nachweis, dass einige Prozent der Zellkern-Gene der Europäer von Frühmenschen abstammen. Auch bei Afrikanern und Asiaten werden Gen-Übertragungen von anderen archaischen Menschen vermutet (Bodensis, Denisova, Naledi).
Mitochondrien sind ehemals selbständige Bakterien, die in Urzellen integriert wurden. In der mütterlichen Eizelle sind Mitochondrien in großer Zahl in einem „Schlafzustand“ eingelagert, um auf das Ungeborene übertragen zu werden. Väter übertragen in ihren Spermien nur die Zellkern-DNA, während die Mitochondrien ihrer Spermien nach der Vereinigung mit der Eizelle einen kollektiven Selbstmord begehen.
Gene menschlicher Mitochondrien, die nicht von der Gattung Homo sapiens stammen, wurden bisher nicht nachgewiesen (Forster 2004). Auch nicht von Pääbo, der lange (vergeblich) danach suchte. (SpdW 12/2022)
Folglich scheinen die mitochondrialen Gene vollständig von Homo Sapiens Menschen abgeleitet zu sein, die vor über 60.000 Jahren aus Afrika auswanderten.