Multi-Krisen-Philosophie

Inhalt

  • Kriege „gegen was auch immer“
  • Systemkrisen-Angst
  • Möglichkeiten in der Krise

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Krieg „gegen“ was auch immer

Friede gilt wieder als ein Schimpfwort.

Die Vorstellung von „Ausgleich“ schwäche den Willen zu kämpfen. Friede nutze dem Feind und schade den Opfern. Ist das so?

Im Gegensatz zu anderen Tieren sind Menschen in der Lage, intensive soziale Beziehungen einzugehen. Wir können, anders als unsere Vettern, die Schimpansen, Konflikte (manchmal) auch ohne Gewalt lösen. Und natürlich wären wir, wie alle Säugetiere, in der Lage, unter starken Belastungen, anders zu reagieren als Reptilien. Die kennen nur drei primitive Handlungsmuster: angreifen, weglaufen oder tot-stellen.

Warum handeln wir nicht menschlich?

Weil „gegen etwas kämpfen“ wirksamer ist? Als sich in Konflikten selbstsicher zu entspannen, und nach kreativen Möglichkeiten für intelligente Lösungen zu suchen?

Aljazeera 06.04.2023. Chinas Vermittlung eröffnete eine Chance, das Morden zu beenden. Es gibt hier keine „Guten“. Aber ganz offensichtlich menschliche Intelligenz. Besonders „Böses“ (Krieg) könnte abflauen. Aljazeerah meldet am 09.04.23 den Beginn von Friedensgesprächen zwischen Oman (Saudi Arabien) und den Houthi im Jemen.

Kurzfristig, wenn sind Kriege scheinbar für Stärkere nützlich, wenn Schwächere erschlagen werden.

„Noch so ein Sieg, und wir sind verloren!“ König Pyrrhos I. von Epirus 279 v. Chr. nach seinem Sieg in der Schlacht bei Asculum.

Den Siegen in den Kriegen „gegen“ Viren und „gegen“ Bakterien folgen Kollateralschäden und Resistenzen. Dem Sieg über die Natur folgen Artensterben, Klimakrise, Versauerung der Böden, Plastikseuche uva. Dem Kampferfolg in Libyen, Irak, Afghanistan folgten bittere Niederlagen. Das was gedacht war, um Situationen brutal zu verbessern, verschlimmerte sie.

Krieg zerstört. Neues wächst nur ungestört.

Babys lernen unmittelbar nach ihrem ersten Schrei, dass Belastungen – beruhigt – wesentlich besser bewältigt werden können. Nach wenigen Jahren können sie sich dann selbst besänftigen, und sich in soziale Beziehungen einfinden. Später könnten sie jede denkbare Situation auch ohne Stress und ohne Gewalt beherrschen: souverän und effektiv.

Warum wird ihnen ihr kluges Kinder-Verhalten beim Erwachsenwerden wieder ausgetrieben? Warum nehmen Stress-Störungen in modernen Gesellschaften so rasant zu?

Seit über einem halben Jahrhundert rutscht die Menschheit einer evolutionären Sackgasse entgegen.

Mit kriegerischem Verhalten im Kampf „gegen“ unsere eigenen Lebensgrundlagen besiegen wir die Natur im Äußeren (Klima, Böden, Meere, Luft) und beherrschen sie im Inneren (Mikrobiom, Viren, Bakterien). Wir zerstören die Artenvielfalt, ohne die wir nicht existieren können. Wir beschleunigen unseren Niedergang durch immer gewaltigere Kriege zwischen uns selbst, und mit dem, was uns ausmacht und durchdringt.

Wenn wir mit diesen Kriegen „gegen“ (was auch immer) nicht aufhören, wird es in erdgeschichtlich sehr kurzer Zeit für uns und unsere Kinder langfristig keine Überlebenschancen geben.

Wir könnten auch Innehalten.

Wir könnten uns versöhnen. Wir könnten versuchen Systeme zu verstehen. Für Ruhe sorgen. Aufhören mit den Kämpfen. Heilung zulassen. Ökologische Gleichgewichte fördern.

Damit wir langfristig in friedlichen Beziehungen leben können.

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Literatur

Möglichkeiten in der Krise

Uns erschüttern Multikrisen. Sie werden durch Menschen verursacht. Soweit besteht Einigkeit.

Warum handeln wir nicht? Der Direktor des „Think Tank“ RSA (thersa.org) fordert „ein solides Basislager, von dem aus wir neue Wege für die Menschheit aufzeigen können. Ein gemeinsames Verständnis, wie grundlegende menschliche Bedürfnisse und Motivationen mit sozialen Kräften interagieren, um die Dynamik des Wandels zu gestalten und voranzutreiben … um neue Wege zu ihrer Bewältigung und Lösung zu entwickeln.“ RSA Animate 2021 Aber: Wie stehen die Chancen für mutige Gipfelstürmer:innen, wenn ihnen Lawinen, entgegenstürzen?

Wankt die herrschende Ordnung des Wachstums-Wahns? Trotz diverser Re-Set-Versuche? Die Implosion von Imperien könnte allerdings für die Biosphäre noch gefährlicher sein als Klimawandel, Artensterben und die Vergiftung der Böden, der Meere und der Luft. Weil schlagartig alle höheren Lebensformen ausgelöscht werden können.

Weitblick (erst) hinter dem Tunnel?

Die Röhrenwahrnehmung der Realität bringt uns in der Evolution dem Abgrund näher.

Wie können wir, die Getriebenen „im Angst-Tunnel“, das Weit-Sehen wiederentdecken? Und dafür werben, dass sich mehr Menschen für System-Zusammenhänge interessieren? Oder neugierig Unbekanntes, Entstehendes, Nicht-Verfügbares betrachten?

Sind Menschen (in ihrer Mehrheit) durch genetische Fixierung dazu verdammt, punktförmig-fokussiert auf tote Einzelheiten zu starren? Um gegen irgendetwas etwas zu kämpfen ohne den Kontext zu verstehen? Oder um ein Problem nach dem anderen zu erschlagen, und dann weiter so zu wuchern wie bisher?

Ist menschliche Lebens-Lust chancenlos angesichts der Todes-Kulte?

Wiedergeburt der Aufklärung?

Einige, die empirisch denken (wie u.v.a. McGilchrist, Boehm, Peterson …) hoffen auf eine „radikale“ Renaissance der Aufklärung, die von „rationalen Universalgelehrten“ (engl. polymath) eingeleitet werden müsste:

Zitat: „Ein Weiterdenken der Aufklärung würde bedeuten, den Ort des Menschen radikal weiter zu denken, als ein Element in einer Natur, die keine unterworfene Erde mehr ist, sondern ein unendlich vernetztes, interdependentes System von Systemen, die Grenzen verwischen und anderer wissenschaftlicher Kategorien, Erzählungen und Bilder, und anderer künstlerischer Interventionen und persönlicher Erfahrungen bedürfen, um fassbar zu werden.“ Philip Blohm: Die Unterwerfung, Hanser 2022.

„How an entiry population becomes mentally ill“ (Youtube-Link 2022) erstellt von Academy of Ideas.com

Manchmal eröffneten Neugierige, die im Brei frommer Ideologien selber dachten, tatsächlich völlig neue Wege des Denkens. Zum Beispiel diese beiden:

  • Immanuel Kant: „Handle so, dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne.“ Immanuel Kant
  • Baruch de Spinoza: „Gott ist Natur.“

Aber schon das (eintausend Jahre frühere) Aufblühen der so genannten „Achsenzeit des Denkens“ belegte vor allem eins: Mit Selber-denken kann man weder große Armeen zusammenhalten, noch Kriege gewinnen.

Kritisches Denken flackerte deshalb immer nur dann auf, wenn der Taschenlampenstrahl des Tunnel-Denkens in die Sackgasse führte. Dann war es nötig, (kurz) die gesamte Bühnenbeleuchtung anzuknipsen.

So geschah es vor 100 Jahren, als das Denkgebäude der linear-ziel-orientierten Mechanik in sich zusammenbrach. Ohne Wechsel vom alten Denk-Modell zu Quanten-Physik und Relativität wäre es nicht möglich gewesen, die Realität der Systeme, die uns durchdringen und ausmachen, besser zu verstehen.

Der Paradigmenwechsel der Naturwissenschaft läutete leider keinen Bewusstseinswandel der Gattung Homo sapiens ein. Im Gegenteil.

Die von der Philosophie entkoppelte technisch-wissenschaftliche Dynamik lieferte den mechanisch-röhrenartig Denkenden in Politik, Medizin, Banken, Industriekomplexen und Armeen immer effektivere Waffensysteme. Für ihre diversen Kriegen „gegen irgend-etwas“, um noch mehr „von irgend-etwas anderem“ an sich zuraffen. (Der Fall Oppenheimer)

In der Berichterstattung zur Verleihung der Physik-Nobelpreise 2022 interessierte sich kaum jemand dafür, dass „die Realität“ offenbar völlig anders gestaltet ist, als wir sie im Alltag oder in Modellen wahrzunehmen glauben. Stattdessen schauten die meisten Bewohner:innen dunkler Erkenntnis-Höhlen gierig auf die praktisch-technisch-kommerziellen Anwendungen „spukhaften Fernwirkungen“: Um „Quanten-PC!“ zu entwickeln, „sichere Verschlüsselungen!“ oder „noch präzisere Waffen!“

Wenn Zwangsstörungen normal sind, hilft dann Esoterik? Geo 12/2022 und Berliner MoPo 15.11.2022

Der überfällige Paradigmenwechsel vom Nutzen des Komplizierten zum Verstehen des Komplexen hat zurzeit keine Konjunktur.

Rational Denken allein reicht nicht

Skeptiker:innen, die in finsteren Zeiten als Querdenker verteufelt oder als Ketzer bekämpft werden, fehlt, wenn sie sich einmal Gehör verschaffen können, oft der Bezug zu den entwicklungsgeschichtlich älteren Anteilen ihres „Selbst“.

Sie überschätzen die Bedeutung der beiden Frontalhirne (die das sich-bewusste „Ich“ erzeugen). Und unterschätzen die archaischen Programme der Psyche („die Mannschaft“). Also die Anteile der Psyche, die Denkende, die bewegungslos vor Bildschirmen sitzen, oft verhungern lassen oder wegsperren.

Erst die unbewussten Anteile des Nervensystem-Bewegungs-Apparates ermöglichen uns, mit Innerem und Äußerem in Kontakt, und vielleicht auch in Resonanz zu treten.

Diskutieren rational Denkende miteinander, lösen bei ihnen Worte, die Verbindungen oder Wechselwirkungen andeuten, Bauchschmerzen aus. Wenn es zum Beispiel um Aspekte der Realität geht, die unserer Wahrnehmung nicht zugänglich oder völlig unbekannt sind. Für Facetten der Wirklichkeit, für die es keine klar begrenzenden Begriffe geben kann.

Denn ein trennendes Wort, für etwas, das uns nicht nur umgibt, sondern zugleich durchdringt (so wie Wasser einen Fisch), ist unsagbar. Und so huschen Bezeichnungen wie „heilig, unbestimmt, transzendent“ wie Schreckgespenster durch die Philosophie (zumindest im Westen).

Trennende Ratio und verbindende Kunst

Bleibend aktueller Comic: Vortrag, Vortrag Ian McGilchrist, 2011:

Denken unterscheidet. Zum Beispiel ein „Ich“ vom „Nicht-Ich“. Kunst dagegen entsteht aus einer Verbindung mit dem, was geschieht. Daher verliert im Handlungsfluss der Kunst das „Ich“ an Bedeutung.

In Beziehung und Wechselwirkungen (mit der Leinwand, dem Instrument, der Kamera, dem Publikum) sind alle Aspekte des Körpers beteiligt. Besonders dann, wenn Kunst improvisiert wird und spontan fließt. Wenn so „Leib und Seele“ mehr Raum gegeben wird, geschieht das zwangsläufig auf Kosten der Ratio.

Der ukrainische Gitarrist Эстас Тонне (Estas Tonne) ist einer der vielen Künstler, die versuchen der fundamentalen Krise der Zivilisation nachzuspüren. Er ordnet seine Kunst in etwas ein, für das er keine Begriffe findet.

Ist es „Esoterik .. spirituelles Brimborium .. Religion“ (Kurier 10.03.2019), wenn er ein Konzert-Publikum in eine Meditation führt, oder Coronawahn-Flüchtlingen hilft sich in Mexiko auszutoben?

Auch der Pianist Michael Wollny will durch seine Kunst etwas Intensives vermitteln. Er experimentiert mit apokalytischen Geister-Phantasien, die besser zum depressiven Zeitgeist der Todes-Angst-Kultur passen, und die daher von der Kritik freundlicher aufgenommen werden. (Faz 12.11.2022)

Beiden ist gemeinsam, dass ihre Kunst nicht „ablenken“ will, sondern „hinführen“: zu sich, zu einem anderen Verständnis, vielleicht sogar zu einer neuen Einstellung zu einem Aspekt der Wirklichkeit.

Veränderung durch Ratio und Sinnlichkeit

1845 schrieb Karl Marx über den „frühen Psychologen“ Ludwig Feuerbach: „Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kömmt drauf an, sie zu verändern.“

Tatsächlich veränderte sich die Welt seither rasant. Aber nicht, wie Marx glaubte, gelenkt durch kluge Philosophie. Stattdessen schwappte die Dynamik des unbegrenzten Wachstums schlamm-artig über die Denkenden. Und die versuchten, das was ihnen geschah, immer wieder neu zu interpretieren.

Feuerbachs Ideen, die er 1842 vorschlug („Grundsätze der Philosophie der Zukunft“), gewinnen heute wieder an Aktualität:

Er verlangte nach einer Philosophie, „die Wahrheit der Sinnlichkeit mit Freuden“ anerkenne, und die „auf dem Dialog zwischen Ich und Dir“ beruhe. Menschlichkeit, Verbindung und Beziehung waren ihm wichtig. Das menschliche Sein solle sich in einen, dem „Ich“ übergeordneten, Zusammenhang einfügen.

Im Grunde besann er sich nur zurück auf das, was den Erfolg der Gattung Homo sapiens in der Evolution der Arten vor 40.000 Jahren ausmachte:

„Menschen sind zu Liebe fähige Tiere.“
Umberto Maturana, The Origin of Humaness, 2008

Systemkrisen-Angst

Angst spricht nicht. Angst herrscht.
Martin Saar, Die Zeit, 03.09.2015

Angst entsteht durch Überinformationen.

Wird das Gehirn von Daten-Müll überschwemmt, entsteht Angst. Die Einzelinformationen können dann nicht mehr sinnvoll eingeordnet werden. Die Situation erscheint unklar und chaotisch. Nimmt die Ungewissheit zu, kippt das Angst-Gefühl ab in Aggression, Panik oder Depression.

Das Angst-Gefühl unterbricht Handlungen, die auf der Basis anderer Gefühle (Wut, Neugier …) ausgeführt werden. Es signalisiert die Bitte um Sicherheit. Und die Sehnsucht nach Vertrauen und nach Aussonderung sinnloser Information auf das Wesentliche. Damit wieder gehandelt werden kann.

Angst verlangt nach Ruhe und Scherheit. Nicht nach mehr Ratschlägen einer Presse, die davon lebt durch Überinformation Angst auszulösen. Bild: RKZ 22.09.2022

Gelingt es einen Feind zu benennen, keimt wieder Hoffnung auf. Denn das Böse kann dann isoliert, abgewehrt und vernichtet werden. „Handeln können“ reaktiviert die Lebensgeister, u.a. durch die Ausschüttung des Hirnhormons Dopamin. Die Angst weicht Mut. Und dem Willen, das zu bekämpfen, was bedrohlich erscheint.

Marketing, Demagogie und Propaganda nutzen diese einfachen Reaktionsmuster aus. Sie verweisen auf konkrete „Problembären“, die erschlagen werden müssen. Dann werde alles wieder gut, wie es zuvor war. Die Betroffenen, die in Angst leiden, nehmen die Produkte, Dienstleistungen, Rituale und Befehle, die Sicherheit zu bieten scheinen, dankbar an. Sie opfern sich auf für große Ziele. Und sie ziehen, wenn nötig, willig in den Krieg – gegen wenn oder was auch immer.

Damit Sicherheitsillusionen entstehen können, müssen „Wahrheit & Lüge“, „richtig & falsch“, „gut & böse“ klar getrennt werden. Damit steigt im unübersichtlichem Informationschaos der Bedarf an Expert:innen, die im Heuhaufen des Datenmülls die „eindeutigen Tatsachen“ finden (Fakten-Booster, Fakten-Checker, Propaganda-Sucher, u.ä. …)

Diese Wissenschafts-Priester:innen haben eines gemeinsam: Sie leiten aus der Analyse von Einzelfakten und Daten Wahrheiten ab, die ihre Grundüberzeugungen bestätigen. Und sie begründen die Notwendigkeit zu handeln oder die Sinnlosigkeit unerwünschter Ansichten.

Angst könnte auch ein Wegweiser sein

In Angst ist die rationale Verarbeitung neuer Informationen schwierig. Aber das Gefühl könnte als Hinweis aufgefasst werden, hektisches Handeln und Suchen zu unterbrechen. Ruhe einkehren zu lassen, um die Lage, wie sich entfaltet, unaufgregt und aufmerksam zu betrachten.

Sich so zu verhalten erfordert Selbstvertrauen. Oder stützende Beziehungen. Dann kann es gelingen, Angst in andere Gefühle zu wandeln. Zum Beispiel in Ärger, Trauer oder Wut. Oder vielleicht sogar in Neugier.

Es kann Sehnsucht aufkeimen, die Situation in ihrem Zusammenhang besser zu überblicken. Oder für sich selbst klarer bewerten zu können. Dann weitet sich der angst-typische Tunnelblick. Möglichkeiten, die sich bieten, werden bewusst. Neue Informationen können abgewogen und im persönlichen Bezug verstanden werden.

Das erfordert Geduld und Vertrauen zu sich selbst. Und den Wunsch zu erforschen, wie die Zahl der Möglichkeiten vermehrt werden kann.

Begleitung bei Angst

Viele empfinden Trauer über völlig sinnlose Kriege, Ärger über kurzfristige Problemlöse-Hektik oder Wut über die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen durch ungebremmste Gier. Sie haben Angst, dass der Irr-Sinn die Oberhand gewinnt. Dass die vielen kleinen, lokalen Initiativen engagierter Menschen scheitern könnten.

Trotzdem gibt es Menschen, die ruhig bleiben. Die andere in ihrer Angst begleiten, zuhören, sich sorgen und sie halten. Die Ängstliche darin bestärken, beim Gegen-an-kämpfen eine Pause einzulegen. Die Sehnsucht, Kreativität und Phantasie anregen. Und Wege suchen:

  • Verstehbarkeit und Planbarkeit der Zukunft,
  • Selbstvertrauen und Selbstwert,
  • Sinn, Beziehung und Zusammenhang.

Die Tanks dieser Bedarfe sind verbunden: Sinkt das Vertrauen in die Sicherheit in der Zukunft, kann der Selbstwert ansteigen. Oder ein Sinn erkennbar sein. Sind alle drei Töpfe leer, ist es am einfachsten, etwas zu entdecken, was über den unmittelbaren Ich-Bezug hinausgeht. Etwas das der Mühe wert scheint.

Das Reden über die Probleme in den Krisen schafft neue Probleme – so wie Kriege immer neue Kriege erzeugen. Dafür gebiert die Suche nach Lösungen neue Ideen – so wie Frieden zu Frieden führt.

Wege aus der Angst in Multikrisen

Alle Facetten der Krisen des „Zeitalters des Menschen“ ( Anthropozän) gehören untrennbar zusammen. Sie zeigen sich als Krankheitssymptome der Biosphäre.

Die zielgenaue Interventionen menschlichen Handelns versagen zunehmend. Die Strategie ein Einzel-Problem zu isolieren, um es zu erschlagen, schafft neue Schäden. (Evolutions-biologisches Beispiel: Antibiotika-Resistenz)

Da Gesellschaften immer weniger durch Werte und Ethik zusammengehalten werden, gewinnen Angsterzeugung, Drohung, Ablenkung und Krieg an Bedeutung. Weiter ungebremstes Wachstum wird wird die Krisen verschärfen.

Der Tiger macht aus Angst Angst. Yüan Shih-chen, 1938

Eine Chance für unsere Gattung bestünde darin, dass immer mehr Menschen ein System-Verständnis entwickelten, oder es besser wiederentdecken würden. D.h. wenn immer mehr die Ökosysteme verstünden, die uns ausmachen, und die uns umgeben.

Wir müssten uns radikal von jeder Form von Gewalt abwenden, und uns für stabile, resiliente Friedensordnungen einsetzen: in der Politik, in der Medizin, in der Gesellschaft …

Politik müsste sich dem Wohl und der Gesundheit der Biosphäre unterordnen. Das beutetete ein Abschied von Wachstum und ein eindeutiger Wandel unserer Gattung vom Krankheitserreger zum Nützling.

Der Bremer Hirnforscher Roth schrieb 2021, dass jeder wirkliche Wandel (zB. hinsichtlich tatsächlichem Umwelt-Verständnis) eine „intrinsische Belohnung“ erfordere, die sich, „gespeist aus tiefer Überzeugung, nicht in ihrer Wirkung erschöpft“.

Um aus der Ängstlichkeit herauszufinden, sollten wir nicht nur Druck machen, gegen all den Irrsinn, der uns zunehmend begegnet. Denn das ermüdet.

Sondern einen Sog entwicklen aus sinnvollen Zukunfts-Visionen. Und selbst: Ruhig bleiben, sich bewegen, Leben genießen und selber-denken.

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Letzte Aktualisierung: 10.04.2023