Corona-Krisen-Philosophie
Die Krise begann 2020 und währte zwei Jahre. Seither dauert sie an.
Der Psychiater Ian McGilchrist verweist auf einen wesentlichen Aspekt der Zusammenhänge:
„Wir überhöhen die Fähigkeit, Dinge zu manipulieren (engl. ap-prehend). Und verlieren die Kompetenz zu verstehen, zu erleben und etwas in einen sinnvollen Gesamtzusammenhang einzuordnen (engl. com-prehend)“. The matter with things. PerspectivaPress, 2021
Inhalt
- Warum rudern die Medien zurück?
- Corona-Impfung: Spezifisch oder Nicht-spezifisch?
- Was tun im Tunnel?
- Trost der Philosophie?
- Alles auf den Tisch?
- Tschüs Freiheit?
- Keine Wahl?
- Freiheit und Geborgenheit
- Wo ist der Notausgang?
- Dauerwelle?
- Chaos managen statt bekämpfen
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Warum rudern die Medien zurück?
Die Krise der Spezies Homo sapiens (und seines Ökosystems) ist elementar. Sie erzwingt radikales Neudenken.
Besonders „im Westen“. Weil hier der ethisch-moralische Überbau des Kapitalismus verschwindet.
Der Ersatz-Kult „Gesundheit“ erwies sich nur vorübergehend als erfolgreich. Zwar bewirkten Auslösung von Todes-Angst und betreutes Denken angepasste Bravheit. Das Neue Normal der Maulkörbe und des Piecks wurde zwei Jahre lang akzeptiert. Und nach der scheinbar überstanden Gefahr, blieben Proteste gegen Demokratieabbau, soziales Elend und Kriegswirtschaft aus. Viele zogen sich ins Private zurück, haben gesellschaftliche Visionen verloren, oder sind jetzt wirklich krank.
Aber danach hat es der neue Kriegskult nicht leicht (RP, 20.03.24): Denn die Post-Covid-Gesellschaft ist Kriegs-untüchtig. Sie gleicht einer ängstlichen Schafherde. Und nicht einer Horde von Widdern, die bösen Wölfe um uns herum vertreiben könnte.
Die apokalyptischen Reiter (Flak-Rheinmetall, Pistolius, Hofreiter etc.) schwärmen von Kriegern, die sich (mit unseren Waffen) „bis zum Letzten“ aufopfern, bis „wir“ dann endlich gewonnen haben werden. Über Friedenschancen nachzudenken, ist Verrat. (Mützenich 16.03.24)
Es ist schwierig, den Geist der mächtigsten kapitalistischen Staaten in kurzer Zeit von „Todes-Angst“ auf „Todes-Sehnsucht“ umzustellen. „Rebuilding Trust“ lautet das Motto des World Economic Forum 2024: Wo ist es nur hin, das Vertrauen?
Im reichen „Westen“ sind nur Eliten ‚kriegsfähig‘, die andere für sich sterben lassen. Vielleicht auch die, in PC-Spielen gestählten, Hochspezialisten, die aus ihren Kommandozentralen die Drohnen steuern. Nicht aber die große Masse der erschlafften Konsumenten virtueller Realitäten.
In anderen Welt-Regionen sieht das anders aus. Zum Beispiel in den Staaten, die der Hegemonie des „Westens“ feindlich gegenüberstehen, und in denen der Kapitalismus durch unterschiedliche Formen von ideologischem Überbau beherrscht wird: brutal, hart, gewalttätig. Oder in anderen Ländern, in denen die Lebensgrundlagen durch globalisierendes Wachstums und Rohstoffkriege zerstört werden. Dort haben die überlebenden Menschen immer weniger zu verlieren, und machen sich deshalb auf den Weg.
In beiden Varianten gesellschaftlicher Realitäten hatte der Gesundheitskult (abgesehen von fremdfinanzierten Kampagnen) keine wesentliche Bedeutung. Die Vorstellung, „für unsere Ideologie“ zu sterben, ist dort wesentlich vertrauter.
Vielleicht keimt aber auch auf der Welt eine Art Vision (oder gar eine Ethik?), die zu einer massenpsychologischen Welle anschwellen könnte, die über den Globus schwappt? Vor 1.300 Jahren hätte es auch niemand für möglich gehalten, dass den Gedanken eines Wüstenbewohners eine Bewegung folgte, die mächtige Reiche einstürzen ließ.
Krieg oder Friede sind massenpsychologische Phänomene.
Homo sapiens kam (im Gegensatz zu anderen menschenähnlichen) mit dem Dreiklang ‚Pothos, Himeros und Eros‘ in die Welt. Die früheren „Titanen“ waren im Gegensatz zu Homo sapiens zu Sex und Gewalt, aber weniger zu ‚Liebe-Sehnsucht-Verlangen‘ fähig. Sie konnten daher keine so großen, stabilen sozialen Verbände bilden.
Sehnsucht ist der intensionale, zukunftsgerichtete Aspekt. Er wird vermittelt durch Dopamin. Und gleicht einer Möhre vor unserer Nase, die bei uns schöner erscheint, als bei allen anderen Affen. Nur hängt sie leider viel weiter weg. Deshalb kann sie uns anziehen und zu großen Leistungen befähigen. Eros (die Spannung vor dem Sex) gleicht einer Aufspannung von Gegensätzen.
Das archaische Nomaden-Machtsystem der Göttin des Krieges, der Jagd und der Liebe (Ishtar, Inanna, Isis, Diana) herrschte vielleicht 40.000 Jahre lang bis vor etwa 10.000 Jahren. Es war keineswegs friedlich: Eros ist Lebens-bezogen und bedeutet, angesichts großen Verlangens, den (individuellen) Tod geringzuschätzen.
Die Zerstörung der Eros-Herrschaft (Gilgamesch Epos) war ungeheuer blutig. Als man begann, Pyramiden und Mauern zu bauen, benötigte man Sklaven und Fronarbeit. Sex war nur noch zur Vermehrung nötig. Eros-Pothos-Himeros waren überflüssig geworden. Sie wurden seit der neolithischen Bewusstseins-Revolution heftig bekämpft: durch Angst und Todeskulte. Aber allen Finster-Religionen-Ideologien-Machtsystemen gelang nicht Eros auszurotten. Möglicherweise gelingt es aber jetzt im kapitalistischen Wachstums- und Kriegs-Wahn geschieht: die Agonie des Eros, der Niedergang des Lebensdynamos im Herden-Einheitsbrei.
Ein aus meiner Sicht überfälliger Bewusstseinssprung wären das Begreifen und das Verstehen von Zusammenhängen und Beziehungen. Von den Wechselwirkungen, in die wir eingebettet sind, und die uns durchdringen. Eine Wiederentdeckung der rationalen Einsichten des Baruch de Spinoza oder eine Übertragung physikalischer Erkenntnisse über die Philosophie hinaus, in die gesellschaftliche Realität. Unsere Gesellschaften leiden, nach Ansicht des Psychiaters McGilchrist, an einer Zwangsstörung. Sie überbewerten tote Einzelfaktoren und haben an lebender Weitsicht verloren. Der Psychologe Mausfeld beschreibt die Hirnwäsche der Eliten, die das Selbstdenken verhindern. Metzinger beschäftigt sich mit Bewusstseinskultur und reinem Da-Sein, aus dem Neues entstehen könne.
Hinzu kommt der zunehmende Mangel an körperlichem Erleben und Erfahren in realen Beziehungen. Denn Hirnzellen schwingen in der Wechselwirkung mit Bewegungsfunktionen, und sonst radikal abgebaut.
Die Dynamik des krankhaften, kriegerischen, kapitalistischen Wachstumsprimats ist gewaltig. Die Zeit für allmähliche psychologische Veränderungen wird knapp sein.
Corona-Impfung:
spezifisch oder nicht-spezifisch?
„… wenn die Rückkehr zu einem ‚normalen‘ Leben nur so zu gewährleisten ist, könnte das der Preis sein, den jeder einzelne von uns für das Ticket zur Teilnahme an diesem Leben zahlen muss.“ Anastasisus, RKZ 29.12.2020
Psychische Wirkungen der Covid-19-Impfkampagne
Wenn Menschen in Angst geraten, verändert sich die Hirnchemie. Der Körper gerät in den Stressmodus. Besonders, wenn schreckliches Leiden oder der Tod direkt bevorstehen. Die Medien prägten seit 2020 mit einem Feuerwerk an Bilder, Talkshows und Nachrichten zwei Botschaften:
- Das unsichtbar Bösartige bedrohe uns mit dem Tod.
- Aber Quarantäne, Masken und innovative Medizinprodukte schützten sicher.
Nahezu alle Medien und politischen Autoritäten wiederholten täglich das Gleiche – gebetsmühlenartig. Folglich verhielt sich die Mehrheit, der Bevölkerung so, wie sie sollte.
Die Patienten:innen, die ab 2021 geimpft wurden, waren zunächst (überwiegend) hochmotiviert. Sie wollten sich unbedingt sicher fühlen. Rationale Aufklärung war in solchen psychischen Drucksituationen bei den meisten Patient:innen nicht erwünscht. Sie hatten Angst und verlangen nach der Sicherheit durch den ersehnten Pieks.
Kinder ab zwölf Jahren (die Vor- und Nachteile nicht rational abwägen können) durften erstmalig entscheiden. Ja: sie wollten geimpft werden. Nicht etwa, weil sie (früh-erwachsen) etwas von Viren und Biologie verstanden hätten. Sondern, weil sie einfach die Normalität einer kinderfreundlichen Lebensqualität zurückgewinnen wollten, die ihnen die Erwachsene (ohne die Spritze) verweigerten.
Die psychologisch-immunologischen Auswirkungen müssen erheblich gewesen sein. Das zeigen die steigende Nachfragen nach sozial-psychiatrischen Hilfen. Exakte Studien, die diesen Effekt untersucht hätten, sind mir nicht bekannt. Sie hätten einfache (aber methodisch angepasste) Studiendesigns erfordert: hersteller-unabhängige Post-Vermarktungs-Studien, systematische Analysen von Krankenhausdaten oder durch Datenerhebungen im Rahmen der Einrichtung von Impfregistern. Das wurde (zumindest in Deutschland) unterlassen.
Wie sich die psychologischen Effekte langfristig auf die Psyche und das Immunsystem der Geimpften auswirken, wissen wir nicht. Unbekannt ist auch, was geschehen wird, wenn großen Erwartungen getäuscht wurden. Zum Beispiel bei den mehrfach Geimpften, die anschließend an Covid erkrankten.
Es ist auch unbekannt, wie Psyche und Immunsystem auf neue Herausforderungen reagieren werden: Zum Beispiel, wenn künftige (im Rahmen von „Interceptive health care“) positive Testergebnisse gegen neue Viren (oder andere Gefahren), ähnliche Ängste auslösen werden. Möglicherweise steigt dann die Zahl der Dauer-Verunsicherten und der psychisch Kranken noch stärker an.
„… Narrativ der Angst in der Corona-Politik: Schon seit längerem werden die Begleiteffekte des Lockdowns auf dem Höhepunkt der Pandemie (in Großbritannien) kritisch diskutiert. Britische Onkologen sprechen von der größten Krebskrise ….“ FAZ 26.08.2022
Dauer-Verunsicherung macht krank
Menschen können auf Dauer nicht mehr als eine „Angst-Ursache“ aushalten, ohne zu erkranken. Sie sind bei immer stärkerer Verunsicherung immer weniger handlungsfähig. Für die Medien, die Politik, die Medizin und die Wirtschaft ist es daher deutlich komplizierter geworden, die psychologische Grundstimmung zu lenken.
Denn im Sommer 2022 droht nicht nur wie zwei Jahre zuvor „ein Virus“, von dem uns Produkte erlösen könnten. Jetzt scheint es uns wirklich an den Kragen zu gehen:
Es kommen kalte Winter, Inflation und Armut auf uns zu. Die Illusion zu Pandemiebeginn, man könne die Krise des Wirtschaftssystems mit gedrucktem Geld, „Wumms und Bazookas“ wegschießen, ist verpufft. Auch anderere Märchen wie „Klimarettung durch grünes Wachstum“, „Gesundheit durch Medikalisierung“ und „Frieden durch Kriege“ verlieren an Strahlkraft. Der Glaube an den Gesundheits- oder Todes-Kult, der seit 2020 die verunsicherten Gesellschaften zusammenschweißte, schwächelt. Und die hektischen Versuche der Politik, alles so neu zu ordnen, dass alles so bleiben könne, wie es war, wirken hilflos.
„… nur …, wenn es zwingend nötig ist.
Sonst verlieren wir das Vertrauen der Bürger.“ FAZ 26.08.2022
Psychische Wirkungen von Injektionen
„ … Jenseits des habituell angsterfüllten und aufmerksamkeitsgetriebenen Gefühlshaushalts von Karl Lauterbach reduziert sich das Verständnis für neue allgemeine Corona-Schutzmassnahmen Tag um Tag ebenso rasch wie die Inzidenz.“ NZZ 24.08.2022
Der Nutzen der Corona-Impfungen ist im Vergleich zu den möglichen Nachteilen gering. Besonders seit der Verbreitung der milde verlaufenden Omikron-Variante. (Freiman Vaccine 09/2022, Kaplan 9/2022, Wissenschaftliche Initiative 07/2022 (Sönnichsen 09/2022), Ioannidis 6/2022, Walger et.al. 9/2022).
Bei Kindern und Jugendlichen überwiegen die Gefahren (Patone 8/2022), weil ihnen die Impfung keinen Nutzen bringt. (Mehr)
Trotzdem wies der Gesundheitsminister (mit Schreiben vom 24.08.2022) die Spitzen der Krankenkassen an, die Corona-Impfungen im Herbst erneut zu intensivieren.
Er spekuliert weiterhin auf die Wirkung des psychologischen Effektes, des (von ihm teuer eingekauften) Rituals. Und so wirbt er mit ganzseitigen Anzeigen dafür, dass seine Spritzen auch Abnehmer finden.
Lauterbach in Not
Trotz aller Mühen wird der Kommunikationseffekt der Corona-Impf-Vermarktung Ende 2022 weniger stark ausgeprägt sein, als im Angst-Jahr 2020, weil
- großen Teilen der Bevölkerung, die realen Gefahren, die sie direkt betreffen, größere Sorgen bereiten,
- heute dem Gesundheitskult weniger Glauben geschenkt wird.
„Union für sofortiges Ende der Impfpflicht – Verhältnismäßigkeit nicht mehr gewahrt“. WAMS 05.09.2022; „UKE-Chef Kluge: „Gefährlich wie herkömmliche Influenza – Neuer Impfstoff bald in Hamburg“ Hamb Abendblatt 09.05.2022
Mehr
- Psychologische Effekte (Placebo) –
- Nicht-spezifische Effekte des Impfens –
- Corona-Krisen-Philosophie –
Was tun im Tunnel?
„Der fliehende Koyote ist über die Klippe gesprungen, hat aber bislang nicht nach unten geschaut.“ Bild nord-amerikanischer Ureinwohner
Noch ist die Gattung Mensch nicht abgestürzt.
Noch rennen wir auf den Abgrund zu. Und streiten über die Bedeutung der Risiken, vor denen wir weglaufen. Wer stehen bleibt und versucht sich umzusehen, wird umgerannt.
Im Grunde wäre es dringend nötig, Zukunftsvisionen entwickeln, die mit dem Leben unserer Biosphäre vereinbar wären: Und das aus möglichst vielen verschiedenen Blickwinkeln. (Tallig 11/2021)
Eigentlich müssten wir neu denken. Und anders handeln.
Aber wie?
Das Erfassen von Gesamtzusammenhängen erfordert Ruhe und Geduld: um bei Problemen „stehen bleiben“ zu können. Um die Sehnsucht zu spüren, etwas besser verstehen zu wollen. In Trance, Hypnose, Angst, Stress oder Panik sind Nachdenken und Nach-Fragen nicht möglich. Das ist den Kirchen sehr vertraut, die den Gläubigen Gewissheiten verkaufen und sie lenken.
Veränderung gehen aus von kleinen Gruppen, die sich emotional beruhigen, und propaganda-resistent (aus unterschiedlichen Perspektiven) darüber nachdenken, welche Möglichkeiten sich noch bieten.
Unsere Gattung Mensch steht vor komplexen, verwobenen, dynamisch-veränderlichen, wechselwirkenden Risiken. Keinesfalls aber vor ein paar kompliziert-mechanischen Einzel-Problemen, die man eines nach den anderen abarbeiten könnte. Deshalb müsste die mechanische Strategie der „Kriege gegen irgendetwas“ dringend ersetzt werden: durch ein wirksames Management komplexer, lebender System-Dynamiken.
Im Prinzip wäre das nichts weiter als die Übertragung naturwissenschaftlicher Erkenntnisse (der Quantenphysik, der System-Biologie u.a.) in die Gesellschaftswissenschaften und die Medizin.
John Ioannidis: „Um die Krise zu verstehen, benötigte man Epidemiologie, Krisen-Management, mathematische Soziologie, Verhaltenspsychologie, Psychiatrie, System-Wissenschaft, Wissenschaft statistischer Datenverarbeitung, Interventionsbegleitende Wissenschaft, Gesundheitspolitik, Gesundheitsökonomie, Verhaltensökonomie, Entscheidungsanalysen, Gesundheitssystemforschung, Immunologie, Infektiologie … und nicht nur Virologie.“ Over- and under-estimation of COVID-19 deaths, EJE 2021, 36:581-588, Vortrag 21.06.2021:
Byung-Chul Han
Der Philosoph Byung-Chul Han sieht einen sinkende „Schmerztoleranz“. Die Angst vor Schmerz habe eine „Dauer-Anästhesierung zur Folge. Jeder schmerzhafte Zustand wird vermieden.“ Daraus ergäben sich dann eine „Dauerwohlfühl-Ideologie“, eine „Gefälligkeitskultur“ und ein „neoliberales Glücksdispositiv“. Wir seien zu egozentrischen Sklaven einer stetig sich steigernden Selbstoptimierung geworden – eingepfercht im „neoliberalen Arbeitslager ‚Homeoffice‘.“
Eine der Ursachen des Niedergangs sei der langsame Sterbeprozess des Eros-Prinzips. Denn mit zunehmend überspanntem und krankhaft-übersteuertem Selbstbezug verschwinde „das andere“. Und mit dem Schwund der Kunst, sich auf andere einzulassen, verlöre sich die Fähigkeit zur reflektierten Kritik. Die Liebe gehe heute an endloser Wahlfreiheit und dem Wahn oder dem Zwang zur Optimierung zu Grunde. Die Verteidigung des bloßen Lebens erhalte höhere Bedeutung als sinnvolles oder gutes Leben. Und aus der Verabsolutierung und Fetischisierung der Gesundheit folge, dass der Tod (als natürlicher Prozess des Überganges) keinen Platz mehr habe im kapitalistisch bestimmten Leistungskatalog des bloßen Lebens. (Byung-Chul Han 2015 und 2020)
Zitat
Covid-19 hat uns auf eine „Überlebens-Gesellschaft reduziert“ … Angesichts der Pandemie sind wir auf dem Weg zu einem biopolitischen Überwachungsregime. Das betrifft nicht nur unsere Kommunikation, sondern auch unseren Körper: Unsere Gesundheit wird digital überwacht. … Der Pandemieschock wird dafür sorgen, dass sich weltweit eine digitale Biopolitik durchsetzt, die mit ihrem Kontroll- und Überwachungssystem die Kontrolle über unsere Körper in einer biopolitischen Disziplinargesellschaft übernimmt, die auch unseren Gesundheitszustand ständig überwacht. Angesichts des Schocks der Pandemie wird der Westen gezwungen sein, seine liberalen Prinzipien aufzugeben. Dann steht der Westen vor einer biopolitischen Quarantänegesellschaft, die unsere Freiheit dauerhaft einschränkt. …
Das Virus ist ein Spiegel. Er zeigt, in welcher Gesellschaft wir leben. … Wir leben in einer Überlebensgesellschaft, die letztlich auf der Angst vor dem Tod beruht. Heute ist das Überleben absolut, so als befänden wir uns in einem permanenten Kriegszustand. Alle Kräfte des Lebens werden eingesetzt, um das Leben zu verlängern. In einer Gesellschaft des Überlebens geht jeder Sinn für das gute Leben verloren. Auch das Vergnügen wird der Gesundheit geopfert, die zum Selbstzweck erhoben wird. … Je mehr das Leben vom Überleben geprägt ist, desto mehr Angst hat man vor dem Tod.
Die Pandemie macht den Tod, den wir sorgfältig verdrängt und ausgelagert haben, wieder sichtbar. Der ständige Präsenz des Todes in den Massenmedien macht die Menschen nervös. Die Hysterie des Überlebens macht die Gesellschaft unmenschlich. Denn ihr Nachbar ist ein potenzieller Virusträger, von dem Sie sich fernhalten sollten. Zitat Ende. Byung-Chul Han Interview 12.05.2021, Efe, Freie Übersetzung mit Unterstützung durch DeepL.com)
Hartmut Rosa
Der Soziologe Hartmut Rosa erkennt ein Kern-Problem der modernen Zivilisationen in dem Versuch „… die Welt in Reichweite zu bringen. Sie verfügbar zu machen.“ … „Dabei droht sie uns jedoch stumm und fremd zu werden: (Denn) Lebendigkeit entsteht nur aus der Akzeptanz des Unverfügbaren.“ (Rosa 2019) Das, was wir besitzen, uns untertan machen und manipulieren, ist tot. Lebende Subjekt entwickeln sich am besten aus sich selbst, und sind dann (für uns) unverfügbar.: Die intensivsten Erfahrungen – auch des Gelingens – sind solche, die wir nicht komplett kontrollieren“ (PhilMag 01/2022 )
Ian McGilchrist
Der Psychiater Ian McGilchrist schreibt in seiner Mega-Analyse zum Umgang mit den Dingen („The Matter with Things“): Ein Grundproblem unserer modernen Kultur bestehe darin, dass wir die Fähigkeit überbetonen, Dinge zu fassen um sie zu unseren Gunsten zu manipulieren (engl. ap-prehend). Während wir zugleich die Kompetenz verlieren, zu verstehen, zu erleben, und etwas so in einen sinnvollen Gesamtzusammenhang unserer Erfahrung einzuordnen (engl. com-prehend).
Giorgio Agamben
beschreibt mit seinen Worten das Gleiche: „Ich habe immer gedacht, dass Philosophie und Poesie nichts Verschiedenes sind, sondern zwei Aspekte, die das einzigartige Feld der Sprache in zwei entgegengesetzte Richtungen ausdehnen: reiner Sinn und reiner Klang. Es gibt keine Poesie ohne Gedanken, genauso wie es keinen Gedanken ohne ein poetisches Moment gibt.“ (Agamben 2016) …
„Ich glaube, dass jede Diskussion darüber, was wir heute tun sollten, von dem Bewusstsein ausgehen muss, von der Feststellung, dass diese politisch-rechtliche Zivilisation … , jetzt zusammengebrochen ist, oder besser gesagt (da es sich, wie Sie wissen, um eine Gesellschaft handelt, die auf Geld basiert), diese Gesellschaft, dieser Staat, bankrottgegangen ist.“ …
„Hier haben wir nun die sicherlich unangenehme Erfahrung, in den Tatsachen dieses Bankrotts zu leben – der intellektuell, ethisch, religiös, rechtlich, politisch, wirtschaftlich ist, in der Form, die gerade das Extrem angenommen hat: Ausnahmezustand statt Recht, Information statt Wahrheit, Gesundheit statt Heil, Medizin statt Religion. Es ist klar, dass hier die Medizin zu einer Religion geworden ist, mit dem Impfstoff als das neue Sakrament, „… „Was ist also in einer solchen Situation zu tun? Auf individueller Ebene sollte man natürlich zunächst einmal das, was man immer versucht hat, gutzumachen, auch wenn es keinen Grund dafür zu geben scheint, umso mehr tun. Aber das ist natürlich nicht genug. … Hannah Arendt hat die Freundschaft als ein mögliches Prinzip der Wiederherstellung einer Gesellschaft in der Gesellschaft, einer Gemeinschaft im Staat bezeichnet.“ (Agamben 2021, freie Übersetzung mit Unterstützung von DeepL)
Die Bedeutung körperlicher Bewegung wird unterschätzt
Fast alle (hier zitierten) klugen Denker unterschätzen den Körper, den sie oft als Anhängsel des Geistes zu betrachten scheinen: denn auch sie sitzen (überwiegend bewegungslos) vor Rechnern.
Das Elend der Psyche entsteht zurzeit gerade dadurch, dass körperliche Kompetenzen schon bei Kindern nicht mehr (genügend) entwickelt werden und verkümmern. Die Qualität des Lernens durch Online-Lehre sinkt ab. Besonders gilt das für Fähigkeiten, die aus eigenem Erfahren und Erleben, und die aus eigenem Denken und Handeln resultieren. Beziehung, Berührung, Interaktion, Psyche-Emotion-Körper werden online weniger oder nicht trainiert. Das Lernen wird immer mehr reduziert auf das, was frontal, zweidimensional und ohne Feedback aufgenommen und anschließend wiedergegeben werden kann. Un das beherrschen Algorithmen besser.
Lösungsansätze zur gesellschaftlichen Erneuerung müssen daher auch aus der Anregung von Bewegungskompetenz kommen: ggf. durch innovative sehr-sehr-sehr niedrigschwellige Angebote (z.B. BBAT)
Mehr
- Todes-Angst –
- Bewegung –
- Corona-Missverständnisse –
- Ich-Konstruktionen –
- Komplex oder kompliziert –
- Aus Fehlern lernen –
Literatur
- Byung-Chul Han: Die Agonie des Eros, Matthes&Seitz 2015
- Byung-Chul Han: „Palliativgesellschaft. Schmerz heute“ Matthes&Seitz Berlin, Berlin 2020
- Giorgio Agamben: Interview 2016 und Rede Nov. 2021 (Übersetzung: Lena Bloch):
- Hartmut Rosa: Unverfügbarkeit, Residenz Verlag, 2019
- Ian McGilchrist: The matter with things. Vol 1 & 2. Perspectiva Press, 2021
Trost der Philosophie?
Pflicht schützt die Freiheit!
schreiben die grün-schwarzen Ministerpräsidenten Kretschmann und Söder in einem gemeinsamen Text (FAZ, 23.11.2021). Natürlich meinen beide (wie die zahllosen anderen Politiker:innen) zurzeit nur die „Impf-Pflicht“. Aber ganz allgemein gälte: „Sie (die Gesellschaft) droht dann zu zerbrechen, wenn er (der Staat) die Dinge treiben lässt“. Deshalb müsse der Staat „um den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu sichern … den Konflikt nun demokratisch entscheiden, und ihn aus der Gesellschaft herausziehen.“ Im „Neuen Normal“ werden sich sicher neue Sachzwänge geben. Aber die Bevölkerung wird dann bereits daran gewöhnt sein, Freiheit als eine Chance zu begreifen, das zu tun, was sie soll.
Dogma und Häresie
Ideologische Verlautbarungen langweilen
Der „Impfpflicht“ oder den „Kinderimpfungen gegen Covid“ zu widersprechen, gilt als ketzerisch. Deshalb sind den Medien die Stimmen abweichend-denkender Ärzt:innen oder Jurist:innen suspekt (Dr. Erich Freisleben, Prof. Matthias Schrappe, Dr. Ingrid Heimke, Prof. Kathrin Gierhake). Denn handelt es sich bei ihnen nicht um Pseudo-Expert:innen? Oder gar um Anders- oder Quer-Denkende? Also um Unbelehrbare, die uns vom alternativlosen Weg ausgewählter Wahrheiten in die Irre von Verschwörungstheorien führen wollen?
Kämpfe zwischen Dogmatikern enden immer mit dem Sieg der stärkeren, schlaueren und propagandistisch besser aufgestellten. Solche Glaubenskämpfe lassen sich aber nicht ignorieren, denn sie dominieren die Medien und behindern die Entwicklung zukunftsbezogener Visionen.
Angesichts der vielen Krisen, mit denen unsere Gesellschaft zurzeit konfrontiert ist, wäre eigentlich dringend kreatives und innovatives Denken nötig.
Wie finden wir zurück in sachliche, intelligente, ruhige, gewaltfreie, kreative, wertschätzende, zukunftsorientierte Kommunikationen?
Das Deutsche Netzwerk Evidenz basierte Medizin e.V. versuchte übergeordnete Themen anzusprechen, die die gesamte Gesundheitsvorsorge betreffen. Seine sorgfältig abgewogenen „Fünf Forderungen an die Gesundheitspolitik“, beziehen indirekt auch einen rationalen Umgang mit menschentypischen und umgebenden Mikroorganismen mit ein.
Besonders gilt das für die zentrale Forderung einer nicht-kommerziellen Basisgundversorgung der Bevölkerung im Rahmen gesellschaftlich finanzierter Daseinsfürsorge (GiB).
Damit würden auch die Interessen und Grund-Rechte der Bevölkerungsgruppen geschützt, die zurzeit besonders leiden: Kinder, Migrant:innen, Sozial-benachteiligte, Jugendliche, alleinerziehende Frauen, schwer erkrankte Menschen (mit Krebs, MS, Immunstörungen uva) und ältere Menschen.
Und außerdem verlangsamte die Erfüllung der Forderungen des EbM-Netzwerkes den rasanten Komplettumbau des Gesundheitswesens.
Aber: Hört da jemand zu?
Sachbezogene Diskurse werden immer schwieriger, oder sie verhallen ungehört.
Wäre es da nicht an der Zeit, sich grundsätzliche Gedanken zu machen?
Und
Trost zu suchen in der Philosophie?
Von nordamerikanischen Schaman:innen stammt das Bild der drei Adler, das besonders in schwierigen Situationen aufgerufen werden solle:
- Ein erster Adler fliegt: Er handelt.
- Ein Zweiter beobachtet, wie der Erste fliegt: Er begleitet
- Ein Dritter schwebt ruhig über den anderen beiden: Er erkennt und versteht Zusammenhänge.
Aus der Hektik des Handelns in die Betrachtung übergeordneter Metaebenen zu wechseln, kann sich für die Psyche als heilsam erweisen. Manchmal lösen sich dann Denk-Blockaden.
Würde ich die Krise unserer Gattung Homo sapiens als „dritter Adler“ betrachten, sähe ich aktuell eine ernste Krankheit.
Eine Störung, die im planetaren Zusammenhang nach den gleichen Gesetzmäßigkeiten abläuft, wie alle Krankheiten bei kleineren Lebewesen, die bisher in der Evolution beobachtet werden konnten.
Die Biosphäre wird rasant zerstört. Arten sterben, die Atmosphäre erwärmt sich, Meere, Böden und Luft werden vergiftet. Eine der vielen Folgen sind (bei Menschen wie bei Tieren) neue Krankheiten, die es bisher nicht gab. Die wesentlichen Ursachen dafür sind bekannt: insbesondere exponentielles, profit-orientiertes Wachstum.
Menschen können im Gegensatz zu anderen Lebewesen die Ökosysteme, die sie umgeben, und die sie ausmachen, verstehen. Also könnten sie – theoretisch – auch das Raubtier „Kapitalismus“ in etwas anderes verwandeln, und dafür sorgen, dass Menschen in allen System-Ebenen unserer Realität lebende Öko-Systeme nutzbringend und friedlich beeinflussen.
Dazu müssten Menschen sich allerdings wieder daran erinnern, dass sie in ihrer Frühzeit (bevor sie sich zu erfolgreichen Probleme bekämpfern verwandelten) Gesamtzusammenhänge verstehen konnten.
Sie müssten damit aufhören, alle Widerstände und Wachstumshindernisse als tote Nägel zu betrachten, nur weil sie einen (jeweils anderen) Hammer besitzen, mit dem sie Probleme erschlagen können. Stattdessen müssen wir, als Teil unserer Gattung, vermehrt erkennen, dass Ökosysteme verwoben, bunt, lebend und komplex sind.
Wir müssten die Welt wieder lieben lernen, statt sie zu zerstören.
Das einfache Verständnis aller Existenzformen als „in sich verwobene Systeme“ ist seit einem halben Jahrhundert Standard-Wissen der Physik und der Biologie. Menschen wechselwirken wie alle Lebewesen in komplexen, dynamischen, überwiegend friedfertigen, lebenden Öko-Systemen. Und sie bestehen zudem (als Superorganismen) aus Mikroben-Gewusel. Einzelne Viren, Bakterien, Mitochondrien, Zellen gibt es in der Realität nicht: sie liegen nur tot in gekühlten Labor-Schälchen. Krankheiten sind folglich keine Kriege, sondern Beziehungs- und Kommunikationsstörungen. Von diesem Allgemeinwissen völlig unbeeindruckt sind Politik und Medizin aber immer intensiver an toten Einzelfaktoren interessiert. Denn man glaubt (mit tunnelartig fixiertem Blick) alles durch (+) und (-) erklären zu können.
Der animierte Comic eines Vortrages des englischen Psychiaters Ian McGilchrist beschrieb schon vor über zehn Jahren eine wesentliche Ursache, warum es der Gattung Homo sapiens gerade jetzt, auf dem Höhepunkt ihrer Zivilisation, psychisch zunehmend schlecht geht:
Weil Erkenntnisgewinn durch persönliches Erleben und Erfahren der Wirklichkeit an Bedeutung verliert.
Und stattdessen zunehmend totes in Form von Datenausdrucken, Begriffen, Dogmen, Konzepten oder Konstrukten für die Realität gehalten wird.
Trotz des naturwissenschaftlichen Wissens um Gesamtzusammenhänge rutschen die „Problem-Trance-Medizin“ und die „wachstums-geilen Interventions- und Zerstörungsstrategien“ psychologisch zurück zur aggressiven Mechanik-Anbetung des Interventionismus des 19. Jahrhunderts.
Einzel-Daten (und damit einer virtuellen Ersatz-Wirklichkeit) einen höheren Stellenwert einzuräumen, als der Fähigkeit, die jeweilige Gesamt-Realität zu verstehen, in der die Daten gemessen wurden, ist eine psychische Störung.
Ohne Linderung dieser Psychose wird die Gattung Mensch der evolutionären Sackgasse immer schneller entgegen rasen.
„Wenn die großen Massen sich von den traditionellen Ideologien entfernt haben, (und) nicht mehr an das glauben, woran sie zuvor glaubten .. (besteht) die Krise in der Tatsache, dass das Alte stirbt und das Neue nicht zur Welt kommen kann …“ Antonio Gramsci, 1930
Alles auf den Tisch
05.10.2021
Unsere Spezies ist einmalig. Wir können Zusammenhänge verstehen und unser Verhalten ändern. Theoretisch könnten wir vom Schädling zum Nützling der Biospäre werden, in der wir leben.
Dazu müssten wir anders mit komplexen Systemen umgehen.
Möglichst viele unterschiedliche Menschen sollten grundlegende, philosophische, psychologische, ökonomische, ethische und ökologische Aspekte der aktuellen System-Krankheit anschauen. Ergebnisoffen fragend. Um dann gemeinsam, aus vielen verschiedenen Aspekten und Perspektiven, nachzudenken, wie es gelingen könnte, unsere Einstellung zu den inneren und äußeren Ökosystemen zu ändern.
Um in Frieden zu leben, mit dem, was umgibt, aus dem wir bestehen, und was uns durchdringt.
Dafür müssten mehr offene Debatten- und Zuhör-Räume entstehen, in denen Fragen gestellt und innovative Ideen entwickelt würden. Denn die fertigen Antworten der Vergangenheit haben angesichts der Krisen, die gerade über uns schwappen, an Bedeutung verloren.
Ja, zunächst gehört „Alles auf den Tisch!“
„Alles auf den Tisch“ (Fokus 30.09.2021): YouTube-Channel, Social media: #allesaufdentisch
Und dann: Zuhören, Gefühle beruhigen, in Ruhe abwägen
Zum Beispiel heute, ob eine dritte Auffrischimpfung gegen SARS-CoV-2 nötig sei:
Seit Mitte September wird sie von unserem Möchtegern-Gesundheitsminister beworben. Seit Anfang Oktober schwappt die Empfehlung durch alle Medien, die ihre Texte von dpa o.ä. Agenturen beziehen (Heidelberg24 25.10.2021, NZZ 05.10.2021, uva.)
Rational betrachtet wäre der Nutzen nicht sehr beeindruckend:
„Die Wahrscheinlichkeit, sich NICHT zu infizieren, steigt mit der dritten Dosis von 9745/10.000 auf 9976/10.000; das ist eine Erhöhung des Schutzes um knapp über 2 Prozentpunkte. Die Wahrscheinlichkeit, NICHT schwer zu erkranken, steigt mit der dritten Dosis von 9982/10000 auf 9998/10000; das ist eine Erhöhung des Schutzes um knapp 0,2 Prozentpunkte.“ Unstatistik des Monats, korrigiert am 05.10.2021
Wenn aber die Schutzwirkung klein ist: Was wissen wir über Nebenwirkungen und Risiken? Insbesondere bei jüngeren Menschen? Galt früher nicht, wenn man etwas nicht wusste, das Vorsorgeprinzip?
Es geht um viel mehr als Corona
Tschüs Freiheit?
Freiheit wird nicht geschenkt.
„Wissenschaftler und Ärzte haben gesagt, dass der Gesundheitspass an sich keine medizinische Bedeutung hat, sondern dazu dient, Menschen zur Impfung zu zwingen. Ich glaube eher das Gegenteil: Das heißt, der Impfstoff ist ein Mittel, um die Menschen zu einem Gesundheitspass zu zwingen, nämlich zu einem Instrument der Kontrolle und Verfolgung sämtlicher Bewegungen der Personen.“ (07.10.2022, Rede vor dem römischen Senat am 22.10.2021)
Freiheit wird errungen. Oder genommen.
Das Pickelhauben-Paradox: Deutschland hat sich verändert, und das nicht zu seinem Vorteil. Die Pandemie brachte wieder zum Vorschein, was längst überwunden schien. Die Freiheit befindet sich auf dem Rückzug … (Deutschland sucht) in der Pandemie bei Methoden Zuflucht, die direkt aus seiner Vergangenheit zu stammen scheinen. … Es ist so wie mit Kindern, denen man einredet, wenn sie nicht brav ins Bett gingen, komme der Schwarze Mann. Wer glaubt, es nicht mit mündigen Bürgern, sondern mit Kindern zu tun zu haben, für den ist Selbstverantwortung ein Schimpfwort. … Eric Gujer, Chefredakteur, NZZ, 18.09.2021 | Erinnerung aus Krähwinkels Schreckenstagen Wir Bürgermeister und Senat, Wir haben folgendes Mandat Stadtväterlichst an alle Klassen Der treuen Bürgerschaft erlassen. Ausländer, Fremde, sind es meist, Die unter uns gesät den Geist Der Rebellion. Dergleichen Sünder, Gottlob! sind selten Landeskinder. Auch Gottesleugner sind es meist; Wer sich von seinem Gotte reißt, Wird endlich auch abtrünnig werden Von seinen irdischen Behörden. Der Obrigkeit gehorchen, ist Die erste Pflicht für Jud und Christ. Es schließe jeder seine Bude Sobald es dunkelt, Christ und Jude. Wo ihrer drei beisammen stehn, Da soll man auseinander gehn. … Vertrauet Eurem Magistrat, Der fromm und liebend schützt den Staat Durch huldreich hochwohlweises Walten; Euch ziemt es, stets das Maul zu halten. Heinrich Heine (1853-54) |
„Freiheit“?
Welche Freiheit ist hier gemeint?
Die Abschaffung der „3-G-Regeln + Maulkorb“? Die Wiedereinführung der alten 1-G-Regel (Gesund + ungehindert atmen und kommunizieren)? Die Erhebung des Grundgesetzes über den Infektionsschutz? Nein, sicher nicht: Denn der Spruch steht auf einem FDP-Wahlplakat im September 2021. Freiheit soll wohl eher so etwas bedeuten: „Freies Wachstum für unsere Wirtschaft“ oder „Freie Fahrt für freie Bürger in Elektro-SUV’s“ … oder so ähnlich.
Freiheit „ist“ nicht.
Freiheit wird: Gleich einem Raum voller Möglichkeiten, der sich ausdehnen kann. Oder der schrumpft. Wie eine Landschaft, die erforscht werden kann, oder durch Mauern begrenzt wird. Wie ein Garten, in dem gehandelt werden kann, um das zu verwirklichen, was der Mühe wert scheint.
Was einzelne Personen jeweils für sich als Freiheit empfinden, muss völlig unterschiedlich sein. Denn es ist abhängig von dem jeweiligen, persönlichen Wohlfühl-Ort zwischen Spannungsfeldern:
Bilder und Grafik: Jäger, 2020
Fest, ordentlich, unverändert (starr) — chaotisch, dynamisch, grenzenlos (haltlos)
Ungebunden, abenteuerlich, gefährlich (riskant) — geborgen, abhängig, geschützt (erdrückend)
Das persönliche Empfinden für Freiheit setzt sich aus vielen unterschiedlichen Aspekten und Facetten zusammen. Denn in jedem Menschen spielt eine innere Fußballmannschaft (hierrarchisch geordnete Verhaltens-Programme). Jedes dieser (in der Entwicklungsgeschichte und in der Kultur gewachsenen) Körper-Systeme, beruht auf anderen Bedarfen, und begründet verschiedene und manchmal radikal vom Rest (der anderen Mitspieler) abweichende Weltsichten. Das kann zu Konflikten führen. Zum Beispiel, wenn ein rationaler Hirnanteil frei entscheiden will, dem Leben ein Ende zu bereiten, und der Bauch nach einem guten Essen verlangt.
Etwas wirklich „frei“ wollen (überwiegend aus eigener Motivation heraus) kann also nur dann relativ störungsfrei gelingen, wenn alle inneren (fordernden) Anteile gleichermaßen beteiligt sind. Aber wann ist das schon der Fall?
Es gibt keinen „freien Willen“
ebenso wenig wie „wahre Kartoffeln“. (Dörner 2006). Darin sind sich heute (zumindest) die Natur-Wissenschafter:innen einig. Schopenhauer prägte den Begriff des Willens im 19. Jahrhundert für eine unbestimmte Lebensenergie, die alles (was wachse und sich entfalte) durchdringe. Deshalb wirke sie auch in uns, und stehe deshalb eben nicht unter unserer Kontrolle. Seither versuchen immer neue Philosoph:innen (vergeblich) ein „ICH“ zu definieren oder zu lokalisieren, das dennoch völlig selbstständig bestimmte Entscheidungen treffen könne. Die Suche muss vergeblich bleiben, weil das Gehirn, dessen frontaler Anteil in unserer Kultur meist überbewertet wird, letztlich nur ein Teil des Bewegungsapparates ist. Also ohne die Fähigkeit in Bewegung Beziehungen einzugehen, nicht existiert. Viele Bewegungsentscheidungen (z. B. wann ein Fuß gesetzt oder angehoben werden muss) treffen aber kein Gehirnteil, sondern die elastischen Strukturen und Netze der Bindegewebes-Verspannungen.
Noch komplexer wird es mit dem (begrenzten) Willen und seiner (relativen) Freiheit, wenn Menschen als Superorganismen betrachtet werden: Riesenkolonien von Viren, Bakterien und Zellen die untereinander (schwingend) zusammenwirken, und Entscheidungen in Gesamtklängen treffen, die bewussten Hirnfunktionen völlig verborgen bleiben.
Das Bewusstsein interpretiert Bewegung im Nachhinein als autonom und frei, obwohl sie bereits Millisekunden vor bewussten Prozessen gebahnt wurde. Bewusste Interventionen können einen Bewegungsfluss nur unterbrechen. Zum Beispiel um auf etwas Neues zu reagieren oder sich gegen etwas zu wehren. Häufig kommen solche bewussten Reaktionen reichlich spät, abrupt, und sind nicht sehr effektiv. Elegante, fließende, gewandte Bewegungen (zB. beim Klavierspiel oder beim Tanz) fließen unbewusst. Sie können dabei wohlwollend betrachtet werden, ohne sie zu steuern.
Amae: Das Recht, unmündig sein zu dürfen
Amae ist ein japanisches Wort für ein besonderes Wohl-Gefühl, bei dem Un-Freiheit mit Genuss verbunden ist. Abgeleitet wurde der Begriff von »amaeru«: sich anlehnen, kuscheln und sich verwöhnen lassen. Der japanische Philosoph Takeo Doi hielt Amae für ein zentrales, handlungsleitendes Gefühl. (Doi 1982) Grob könnte man Amae mit »mütterlicher Geborgenheit« übersetzen, einem inneren Zustand, der sich aus dem Vertrauen in eine sichere Abhängigkeit sozialer Kontakte vermittelt. Amae ist ein elementares Gefühl, das tief verletzt werden kann, wenn sich innige Beziehungen auflösen. Dann folgt auf Amae Trauer und Verzweiflung, wie es beispielsweise nach den Lügen geschah, die die Atomkatastrophe von Fukushima begleiteten.
Aber selbst dann sorgte der in sehr früher Kindheit erworbene Respekt vor sozialen Beziehungen dafür, dass andere nicht durch zu große Gefühlsausbrüche belästigt wurden. Amae ist mehr als die Zurückhaltung von Gefühlsäußerungen: Es erfüllt die Funktion eines Sicherheitskonzeptes. Takeo Doi skizziert Amae so:
- »Der Mensch hat ein Recht auf Abhängigkeit.«
- »In Abhängigkeit lässt es sich wohl ergehen …«
- »Das Kind, das von seiner Mutter geliebt wird, hat ein Recht das auszuleben.«
- »Der Freiraum des Handelns des Kindes ergibt sich aus dem Schutzraum der Mutter.«
- »Das Kind darf verwöhnt werden und ist dann sorglos entspannt.«
Amae, die Lust, das fröhliche Baby einer großen Mutter sein zu dürfen, steht nicht im Widerspruch zur Leistungsforderung: Die Mutter ist streng, setzt klare Grenzen und sagt, was zu tun ist. Aber sie ist wahrhaftig, verlässlich und täuscht nicht.
Wir wissen mittlerweile, dass unsere Software (Kultur) die körperliche Hardware (Hirn-, Sinnes- und Bewegungsapparat) sehr deutlich prägt: In Hirnscannern leuchten bei Menschen, die ihre frühste Kindheit in Japan erlebt haben, Belohnungszentren auf, wenn eine sich verbeugende Gestalt gezeigt wird. Im Westen dagegen ist psychische Stabilität oft mit der Vorstellung eines kompetenten, freien »Ichs« verbunden, der »Lonely Cowboy Mentalität«. Deshalb leuchten bei Amerikanern in Hirnscannern die Belohnungszentren auf, wenn eine eher kämpferisch aufgerichtete Silhouette eines Menschen erscheint. Je nach kultureller Prägung verändern sich so die Hirnstrukturen und die Art des geistigen Zustandes, der durch die Oszillation der Hirn- und Körperzellen erzeugt wird.
Seelenlose Un-Freiheit
Hausschweine: Zeichnungen von F.K. Wächter (www.fkwaechter.de).
Der Verhaltensforscher Konrad Lorenz befürchtete eine „Verhausschweinung des Menschen“. Er beschrieb einen starken Trend hin zu stumpfer Triebbefriedigung und zu rein vegetativer Lebenserhaltung: „Ein, Aus, Sex, konsumieren, herum-hocken und sich ablenken lassen“. Eben wie Hausschweine, die bewegungsarm in wetterfesten Unterständen nicht weiterdenken als bis zur Stall-grenze, und die sich nicht mehr erhoffen, als unmittelbare Bedürfnisbefriedigungen.
Alle domestizierten Tiere besitzen deutlich weniger Hirnmasse und Nervenzellverknüpfungen (Synapsen) im Vergleich zum Wildtypen. Wildert man Haustiere (wie Schafe oder Ziegen) wieder aus, bleibt es bei der geringeren Ausdifferenzierung des Gehirns. (Kruska 2005).
Gefangenen Tieren, die ihrer Schlachtung entgegen dämmern, würde Intelligenz auch nichts nutzen. Im Gegenteil, sie würden sich nur unnötig sorgen, über ein Schicksal, dass sie ohnehin nicht verhindern können. Intelligenz dagegen benötigen Wölfe, die auf ihren Schleichwegen durch ein Revier schlau, teamfähig, flink und geschickt die Jagdpächter austricksen.
Wenn Hirnzellen und Nerven nicht mehr benötigt werden, baut sie das Immunsystem radikal ab (und oft unwiederbringlich). Besonders drastisch kann das bei Manteltieren beobachtet werden: sobald sie am Meeresboden ein ruhiges Plätzchen gefunden haben, an dem sie für den Rest ihres weiteren Lebens verweilen werden, verdauen sie alle Nervenzellen.
Nerven werden in unserer Kultur zunehmend weniger durch Bewegung trainiert, dafür aber immer intensiver mit Informationen überflutet (WWW, Web-2, Medien, Propaganda, Werbung, …). Das konnte Konrad Lorenz nicht vorausahnen. Sonst hätte er vielleicht von der Gefahr der „Ver-ameisung“ gesprochen. Denn Ameisen stehen uns (in ihrem Verhalten) als erfolgreiche soziale Eroberer der Erde deutlich näher als vielen anderen Tieren. Zumindest, wenn man es aus der Perspektive der Organisation von Staaten betrachtet. Alle Ameisen tun genau das, was sie sollen. Dabei chatten sie ununterbrochen: sie tauschen banale Mini-Informationen aus, zu dem, was so eben noch war. Aber (wie andere brave Staatsbürger) verschwenden sie keine Gedanken an das Gesamt-Gewusel. (Wilson 2013)
Die beschriebenen (aus meiner Sicht negativen) Entwicklungstrends werden möglicherweise beschleunigt durch das massive und aktive Vorgehen der Gesellschaft gegen ihre Kinder. Eine Störung des Zeit-Fensters essenzieller kindlicher Entwicklung muss sich langfristig auswirken. Vielleicht könnte daher das zurzeit laufende gesellschaftliche Experiment der Domestizierung kindlichen Freiheitsdrangs tatsächlich zu vielen braven „neuen“ Menschen führen, die gerne nur das tun, was sie sollen. Und denen größere Freiheiten außerhalb der unmittelbarer Bedürfnis- und Ablenkungs-Befriedigung eher Angst erzeugen würden: Selber-denken oder -bewegen, oder gar Neu-denken oder -bewegen.
Biomedizinischer Sicherheitsstaat?
Seit 2020 werden die bis dahin üblichen Freiheiten, die u. a. im Grundgesetz festgeschrieben sind, eingeschränkt. Denn der Schutz vor Infektionen stehe höher als Menschenrechte (z. B. als die der Kinder, wie deren Rechte auf Bildung, ungehinderte Entwicklung und Unversehrtheit).
Die Bedrohung durch das Covid-19-Virus ist mehr als ein globaler Gesundheitsnotstand. Sie verschärfte die vorbestehenden sozialen, ökologischen, finanzkapitalistischen, ideologischen und staatspolitischen Krisen. Unter dem Vorwand öffentlicher Gesundheit wurde ein Regierungsstil durchgesetzt, der auf Notverordnungen zweifelhafter verfassungsmäßiger Richtigkeit beruht. Der Ausnahmezustand ist zum Normalzustand geworden. Und ein Ende ist nicht abzusehen. Wenn grundlegende Krisen und Konflikte nicht gelöst werden (z. B. weil das Dogma wirtschaftlichen Wachstums hinterfragt wird), werden sie sich verschlimmern. Dann ist es für Regierende einfacher, mit Scheinbedrohungen für angepasstes Verhalten zu sorgen. Und so ist absehbar, dass bei regelmäßigen Pandemien mit welchen Viren auch immer, immer wieder neue PCR-Tests verlangt werden, oder neue Impfungen, oder Impfauffrischungen. Und man wird natürlich auf nicht absehbare Zeit Menschen mit Masken (und anderen Regeln) daran erinnern, in was für viral-gefährlichen Zeiten wir leben, und wie wichtig es ist, sich anzupassen.
Der italienische Philosoph Giorgio Agamben warnte vor solchen Regimes, die sich ganz (scheinbarer) Gesundheits-Sicherheit verschreiben. Ein biomedizinischer Sicherheitsstaat, steht im Widerspruch zu einem Leben, in dem sich Menschen (und insbesondere Kinder) entfalten können. Es sei „unmenschlich“, den Menschen auf das bloße Leben zu reduzieren, auf das Leben eines Pilzes oder eines Wurms, der im Namen der reinen Existenz Nährstoffe aufnimmt und Abfallstoffe ausscheidet. Ein Leben, das nur dem Überleben diene und jedes Risiko vermeide, habe keine Lebenskraft, keinen Sinn und kein Streben mehr. Werte, Tugend. Freundschaft, Liebe, Kunst, Poesie, Wissenschaft und Gemeinschaft würden zerfallen. Denn Leben benötige Risiko, um entstehen zu können. Die Furcht vor dem Tod sei keine Art zu leben. Eine Gesellschaft, die ihr Gesicht hinter einer Maske verbirgt, sich vom Prinzip der »sozialen Distanzierung« und einer sakralisierten Digital-Medizin leiten lässt, und die im ständigen Ausnahmezustand lebt, könne keine freie Gesellschaft sein. Was auf dem Spiel stehe, sei nicht weniger als die Abschaffung des öffentlichen Raums in seiner Gesamtheit. (Agamben 2021)
Auch der Psychologe Mausfeld hält die Debatten um Gesundheit nur für einen Vorwand. Denn Gesundheitsziele (Beispiel: „Weniger Fettsucht bei Kindern“) spielen keine Rolle mehr. Auch Vorbeugungsstrategien (wie geeignetes Verhalten und die Erhaltung gesunder Verhältnisse) werden nicht mehr thematisiert. Stattdessen instrumentalisierten „die Eliten .. die Corona-Krise für Massen-Manipulation und mehr Kontrolle“ (Mausfeld 2021) Dazu passt der Niedergang der „medizinischen Wissenschaft“ (Ioannides 2021, Schrappe, 2021), die zunehmend nur noch die Begründungen liefert, dass das, was ohnehin aus politisch-normativ-kommerziellen Gründen erfolgt, auch gut sei.
Schlechte Aussichten für die Freiheit
Die Führungsmacht des Westens droht ihre beherrschende Position zu verlieren. Das wird nicht kampflos geschehen, und es wird Europa mitreißen, möglicherweise in einen Abwärtsstrudel. Das kapitalistische System stabilisiert sich zurzeit immer wieder (noch) durch krebsartiges Weiterwachsen. Die evolutionäre Sackgasse, auf die die Biosphäre zusteuert, nähert sich rasant. „Grün-nachhaltiges“ Wachstum wird diesen Prozess nicht aufhalten, sondern eher noch beschleunigen. In dieser Situation ist dem Westen der Sinn abhandengekommen. Es gibt kein (für mich) erkennbares positives Werte- und Moralsystem, dass mit einem „Weiter so“ (nahezu aller Parteien) des Westens vereinbar wäre. Der Reset des Kapitalismus mit Wumms & Bazooka „hat sich gelohnt“ (Olaf Scholz 03.06.2021) Zumindest für die Konzerne, die an Smart Health Care, Digitalisierung, neuen Energieprodukten etc. verdienen. Allerdings fehlt dabei eine Vision, die die Bevölkerung mitreißen könnte, und die ihr das Neue Normal als ein lohnendes Zukunftsmodell (zumindest etwas) schmackhaft machen könnte.
In Ermangelung eigener neuer Werte versuchen westliche Regierungen alt-bewährte östliche Ethik-Systeme nachzuäffen. Moralische Gesellschaftsvorstellungen, die im Osten nie beseitigt wurden, und die ggf. jetzt mit (einem domestizierten Kapitalismus?) eine Renaissance erleben könnten. Denn der Kern der chinesischen Bedrohung ist, dass ein anderes Gesellschaftsmodell im Gegensatz zum USA geführten Kapitalismus erfolgreich sein könnte.
Aber die Strategie den konfuzianischen Glauben (mit seinen strengen Regeln) und Amae (mit der Zufriedenheit in unmündiger Abhängigkeit) im Westen zu kopieren, wirkt (auf mich) lächerlich. Weil beides nicht genau passt, zu der hier gewachsenen Kultur, und deshalb zu Widersprüchen, und auch zu Randale führen muss.
Unsere Gesellschaft spaltet sich zunehmend auf. Man vertraut noch auf eine Mehrheit, die wählen geht, und steuerzahlend das politische System tragen soll, von dem einige wenige Steuer-Vermeider immer reicher werden. Ein immer größerer Anteil der Bevölkerung hat sich aber von der Politik abgemeldet und schweigt (noch). Viele Menschen glauben den Mächtigen nicht mehr, weil ihnen das, was sie täglich an Überinformation erleiden, manipuliert erscheint. Sie erleben, wie Propaganda und Realität auseinanderklaffen, und sind verwirrt. Dann hören sie genervt auf, etwas verstehen zu wollen, und sind nur noch daran interessiert, in diesem Chaos mitzuschwimmen, und im Kleinen zu überleben. Sie wollen nur noch ihre kleine Freiheit in privaten Nischen zu sichern.
Andere dagegen radikalisieren sich. Die Aggression im Alltag nimmt zu. Selbst bei den Braven, die sich frühzeitig piksen ließen, um tief verängstigt, das Glück des versprochenen Placebo-Effektes genießen zu dürfen: „Jetzt ist alles gut!“. Nun erleben sie aber, dass nichts gut ist. Und auch für sie die Lebensgefahren keinesfalls gebannt sind. Und dass die Kontroll- und Zwangsmaßnahmen und Reglementierungen auch für sie (wenn auch vorübergehend anders) weitergehen werden (mit Masken, Kontrollen, Auffrischungs-Impfungen …) … Ohne Aussicht auf ein Ende des Theaters, weil nach der Wahl mit großer Sicherheit eine nächste Virus-Variante umlaufen wird. Das frustriert selbst die Braven und Gläubigen.
Foto: Jäger, Leibzig 18.09.2021, Linx-Demo.
Das „Gegen …!!“ ist klar. Aber „Wofür?“
Sinn, Ethik, Werte, Zukunft, Vision?
„Was man nicht machen darf, ist sich grundsätzlich gegenseitig für Vollidioten halten. Dann kommt es tatsächlich zu einer gefährlichen Spaltung.“ Zeh J. zitiert in Kissler A.: „Deutschland hat es verlernt, zivilisiert miteinander zu streiten.“, NZZ 24.09.2021
Welche Freiheiten bieten sich uns – trotz allem?
… das Meer ist so groß, und unser Boot ist so klein. Bretonisches Fischergebet
Die Freiheit, der Raum der Möglichkeiten, scheint zurzeit dramatisch zu schrumpfen (besonders für Kinder). Gegen diese Trends zu kämpfen, ist zurzeit wenig Erfolg versprechend. Denn wenn sich (angesichts des Tsunami) der Blick tunnelartig verengt, droht die Gefahr weggespült zu werden.
In dynamischen Situationen wachsen die Freiheitsgrade nicht, wenn den toten Details zu viel Bedeutung beigemessen wird. Einzelfakten, wozu auch immer (Virus, Test, Impfung, Finanzblase, Klima, Böden, Wasser, Plastik …) sind wichtig, aber sie ergeben (wie ein Haufen von Puzzleteilchen) keinen Gesamtzusammenhang. Die Menschheit krankt zurzeit an der Sicht auf tote Einzel-Details (und deren „Bekämpfung“), während uns die Fähigkeit zu Anschauung und Erleben des Gesamtzusammenhangs verloren gegangen ist.
Um die bestehenden Freiheitsgrade auszuloten, die sich uns bieten, halte ich es für sinnvoll, schonungslos alles der Realität wahrnehmen, was sich uns zeigt. Auch das, was sich nicht zeigt, weil es sich in der Raumzeit vor uns erstreckt, und noch vollkommen unbekannt ist. Interpretation und die persönliche Bewertung einzelner Aspekte verlören dann an Bedeutung. Ebenso wie Einzel-Bekämpfungsstrategien (wie all die Formen von Projektitis uva. „gegen ein Virus“, „gegen einen Teilaspekt der Umweltzerstörung“, „gegen Antibiotika Resistenzen“ …) denn alle Einschätzungen dynamischer Situationen sind relativ und stehen auf wackeligem Grund.
Stattdessen könnte das Gesamtwohl der Biosphäre, die uns umgibt und durchdringt, die zentrale Aufmerksamkeit erhalten. Dann bestünde Freiheit darin, im Rahmen unserer Möglichkeiten, im Gesamt-Zusammenhang sinnvoll zu handeln (McGilchrist 2021): für alle lebenden Systeme, für die Biosphäre der Erde, für unsere Kinder.
Die dafür notwendigen Freiheiten müssen erobert werden. Das wäre nur möglich durch Menschen, die angesichts der Sackgassen, auf die wir zusteuern, neu denken und handeln wollen. Ich glaube nicht an die Eröffnung von Freiheits-Spielräumen durch erfolgreiche Kämpfe. Sondern eher an allmähliche Verhaltensänderungen, die sich aus Zuhören, Kommunizieren und Verstehen ergeben – und aus Fragen: nach grundlegenden Werten und erreichbaren Visionen.
„… Eine Änderung müsste von den Bürgern ausgehen. Von Menschen, die erwachsen und rational werden wollen. Sie müssten eine ganz andere Welt wollen. Irgendwie wollen sie aber nun mal diese. Sie wollen eine Welt, in der Corona-Krisen möglich sind. Oder andere Krisen. Hauptsache irgendetwas, das sie von einem Leben in Freiheit abhält, einem Leben in echter, menschengemäßer, lebensgefährlicher Freiheit.“ Marcus Ludwig, Die Unfähigkeit zu bedauern, 23.09.2021.
Literatur
- Agamben G: An welchem Punkt stehen wir? Die Epidemie als Politik. Turia+Kant 2021
- Doi T: „Amae – Freiheit in Geborgenheit. Zur Struktur japanischer Psyche“, Suhrkamp 1982
- Dörner D et al: Warum es keine wahren Kartoffeln gibt und auch keinen freien Willen – oder: wie man aus einem Nichts ein Etwas macht, um es dann sofort wieder in ein Nichts zu verwandeln. 2006. Psychologische RundschauVol. 56, No. 3
- Kruska D: On the Evolutionary Significance of Encephalization in Some Eutherian Mammals: Effects of Adaptive Radiation, Domestication, and Feralization, Brain Behav Evol 2005;65:73–108
- Flusser V: Gesten, Bollmann 1993
- Ioannides J: How the Pandemic Is Changing the Norms of Science – Tablet Magazine, 09.09.2021
- Lewejohann L et al.: Wild genius-domestic fool? Spatial learning abilities of wild and domestic guinea pigs. Front Zool. 2010; 7: 9.
- Llinás R: Enter the „i“ of the vortex,(Interview, 17.04.2007). Artikel
- Lujan H.L.: Physical activity, by enhancing parasympathetic tone and activating the cholinergic anti-inflammatory pathway, is a therapeutic strategy to restrain chronic inflammation and prevent many chronic diseases, Medical Hypotheses 80 (2013) 548–552
- McGilchrist Interview 09/2021 – Bücher, Literatur, Videos
- Mausfeld R: Eliten instrumentalisieren Corona-Krise für Massen-Manipulation und mehr Kontrolle, Juni 2021
- Myers T: Anatomy trains. Myofasziale Leitbahnen, UrbanFischer, 2010
- Roach NT et al.: Elastic energy storage in the shoulder and the evolution of high-speed throwing in Homo, Nature 2013, 498: 483–486,
- Schrappe M – Thesenpapier 8
- Wilson E.O.: Die soziale Eroberung der Erde. Eine biologische Geschichte des Menschen, CH Beck, München 2013
- Wolpert D et al.: Principles of sensorimotor learning, Nature Reviews neuroscience 2011, 740-751
Covid-19: Keine Wahl?
Pandemie-Maßnahmen sind kein Wahlkampf-Thema!
Die epidemische Lage nationaler Tragweite wurde wie erwartet im Bundestag verlängert (Merkur 30.08.2021). Auch wenn die dafür nötige Datenbasis (zumindest) unklar ist. (Die Pandemie in den Rohdaten 11.08.2021)
Das früher erste „G“ („Gesund – ohne Medikamente“) gibt es nicht mehr. Es wurde verdrängt durch die medizin-produkt-bezogenen „G’s“ („Geimpft, Genesen, oder ggf. Getestet“).
Unterdessen geht der Krieg der Erwachsenen gegen ihre Kinder unvermindert weiter:
Die umlaufende Atemwegsinfektion hat zwar für sie keine Bedeutung: Trotzdem werden sie, um Erwachsene zu schützen, psychisch und körperlich in ihrer Entwicklung gehemmt, und mit Masken, unsichtbaren Bedrohungen, täglichen Tests, „strengen“ Quarantäne- und Hygienemaßnahmen gequält. (dpa 02.09.2021)
Die Folge sind: Abnahme der Fitness und Zunahme von Übergewicht (Jaring August 2021). Möglicherweise wird man später, als eine Folge des mangelnden Trainings der Hirn-Bewegungs-Einheit, auch ein Intelligenzrückgang beobachten können. (Kinder in Balance).
Und schließlich wird an ihnen (gegen wissenschaftliche Logik) ein neuartiges Pharmaprodukt getestet: Obwohl die kurzfristigen Risiken (u.a. Herzentzündung, Immunstörungen, ..) für sie höher liegen, als ein (für sie) weitgehend fehlender Nutzen. Und obwohl die Langzeitfolgen dieser Eingriffe für sie (insbesondere bei Mädchen) nicht eingeschätzt werden können (Covid-19 & Kinder)
Freiheit und Geborgenheit
Freiheit wird genommen. Vertrauen geht verloren.
Freiheit
Eigentlich werden Freiheitsrechte in Deutschland im Grundgesetz (Artikel 2) garantiert.
Das ändert sich gerade. Expert:innen glauben, auf der Basis vorläufigen Wissens Maßnahmen empfehlen zu müssen, die Freiheitsrechte einschränken. Gesundheits-Schutz sei vorrangig. Für „härtere“ Zwangsmaßnahmen müsse das Infektionsschutzgesetz sogar noch verschärft werden. (Merkel 08.04.2021) Wie in vielen Ländern nutzen Mächtige die willkommene Gelegenheit, Freiheitsrechte wegzuschmelzen (AI Report 2020/21 – 07.04.2021).
Da es einen „freien Willen“ ebenso wenig gibt wie „wahre Kartoffeln“ (Dörner 2006), kann man „Freiheit“ zwar nicht wegnehmen wie einen Gegenstand. Aber man kann sehr wirksam, mitleidlos und brutal verhindern, dass sich etwas ungestört entwickeln, gestalten und entfalten kann. (Pink Floyd 14.03.2021)
Es ist leicht möglich, Leben einzuengen, und für Angst und Beklemmung zu sorgen. So fördert man die Illusion, alles sei unter Kontrolle. Komplexe Situationen neigen aber dazu „sich zu rächen“ (überraschend in Katastrophen abzukippen), wenn man ihre Flexibilität und Gestaltungsmöglichkeiten begrenzt. (Tenner 2015)
Alles, was gegen die Natur ist, hat auf die Dauer keinen Bestand. Charles Darwin
Geborgenheit
Der japanische Philosoph Takeo Doi beschrieb das zentrale, handlungsleitende Gefühl: Geborgen zu sein. Er nannte es „Amae“ abgeleitet von „amaeru“: „sich anlehnen, sich verwöhnen lassen“. (Takeo Doi 1982) „Mütterliche Geborgenheit« sei ein innerer Ur-Zustand. Das tiefe Vertrauen in eine sichere Abhängigkeit zu sorgenden nahen Menschen. Werde dieses Gefühl tief verletzt, folge auf „Amae“ die Verzweiflung. Immer dann, wenn ein Lügengebäude in sich zusammenbricht, und zu Vertrauensverlust führt.
„Sich geborgen fühlen“ ist ein Grundbedürfnis. Es widerspricht nicht unserer Sehnsucht nach freier Entwicklungsmöglichkeit. Sondern es ergänzt sie. Der Mensch habe (so Takeo Doi) „ein Recht auf Abhängigkeit“ – ebenso und gleichermaßen wie ein „Recht auf Freiheit“. Amae, die Lust, das fröhliche Baby einer großen Mutter sein zu dürfen, steht nicht im Widerspruch zu persönlicher Entfaltung und Leistung: „Die Mutter darf streng sein, klare Grenzen setzen und sagen, was zu tun ist“. Nur eines darf sie nicht: täuschen und lügen.
Sehnsucht nach Geborgenheit und Freiheit
Wir benötigen beides – gleichermaßen – wie Wasser und Nahrung.
Die Erinnerung an den Schutz im Bauch der Mutter ist körperlich eingeprägt. Auf dieser ursprünglichen Geborgenheit beruht unser Urvertrauen. Die erste Freiheit entsteht durch die elementare Trennung: das Auspressen der Lungen und anschließende Einsaugen von Luft. Durch das Abnabeln. Und durch die weite Öffnung der Arme und Beine für die Welt. Streicht man Neugeborenen sanft über die Außenseiten der Gliedmaßen, kuscheln sie sich in der Geborgenheits-Geste zusammen, und erwarten das Gefühl einer „Gebärmutter-Berührung“ am Rücken (Tragetuch) und die sanfte „Berührung eines Beckens“ an der Kopfhaut (durch eine Hand). Dann aber wollen sie wieder frei sein, sich der Welt weit öffnen und sie begreifen. Was ihnen am besten gelingt, wenn sie auf Schutz und Sicherheit vertrauen können.
Freiheit bedeutet auf der Grundlage, der Kleinkind-Erfahrungen, sich weit öffnen, verletzlich sein, etwas riskieren, mutig die Welt erkunden, neugierig sein.
Eine Stimmung, die aus Unsicherheit, Angst, Wut, und Hilfslosigkeit aufgemischt wird, ist unerträglich. Daher steigt der Bedarf durch Schein-Sicherheit, durch Rituale oder Produkte, deren Anwendung zelebriert wird mit dem Versprechen, dass alles wieder gut werde. Pharmafirmen forschen daher intensiv an Möglichkeiten, wie ihre kommerziellen Produkte Gefühle mütterlichen Vertrauens auslösen können (placebo-competence.eu – programinplacebostudies). Das klappt meist auch wunderbar, bis die Betroffen entdecken, dass sie getäuscht wurden.
Menschen benötigen alles zugleich: Geborgen-sein, Schutz und die Freiheit, das zu entwickeln, was aus uns entstehen will. Dafür brauchen Menschen (besonders dringend Kinder) keine Placebos, sondern offene Kommunikation und sanfte Berührungen (Arte verfügbar bis 31.05.2021, Arte verfügbar bis 28.05.2021, danach über mediathekview möglich)
Wir müssen dringend wieder in das Leben zurückfinden.
Todesangst, Macht und Gier machen krank.
Wo ist der Notausgang?
„Der Koyote, der – vor dem Wolf fliehend – über die Klippe gesprungen ist,
hat noch nicht nach unten geschaut.“ Indianisch / Nord-Amerika
Alle suchen den Ausstieg …
… hektisch, getrieben, verzweifelt. Und finden ihn nicht.
Trotz Lock-downs, Impfkampagnen und Bazooka-Geballere. (Spiegel 13.03.2020)
„Der große Wumms“ der Bundesregierung im Juni 2020 reichte nicht. Aber jetzt wird nachgeladen:
- „Die EU-Staaten haben unter dem Eindruck der Corona-Krise einem 750-Milliarden-Euro-Fonds zugestimmt, um die Wirtschaft zu beleben. Doch das Projekt ist zum Scheitern verurteilt. Das Geld kommt viel zu spät und wird kaum für Sinnvolles eingesetzt.“ NZZ 01.04.2021
- „Mr. Biden rettet die Welt!“ (Zeit 10.03.2021 ; Lancet 20.03.2021). Die Presse ist beeindruckt: Das größte Konjunkturprogramm der Menschheitsgeschichte (mit 1,9 Billionen US$) habe „Ganz schön viel Wumms!“ (Zeit 30.03.2021)
Das Philosophie-Magazin irrt: „Wer hier eine Gebetsgeste erkennt“, liegt völlig richtig! Gebete stärken den Glauben. Sie liefern Antworten und Gewissheiten. Sie vertreiben Angst und Zweifel. Wichtig ist nur, dass die Priester inbrünstig selber glauben, was sie ihren Schäfchen verkünden. Fotokopie: Philosophie Magazin Philosophie-Magazin 02/2021 Februar/März
Wird jetzt alles wieder gut?
Unwahrscheinlich: Denn gerade schwappt die dritte Corona-Welle, der sicher eine Vierte und Fünfte folgen wird.
Die „Rufe nach hartem Lockdown“ (dpa 01.04.2021) werden jedenfalls mal wieder lauter, und der Lieblings-Virologe der Kanzlerin droht: „Es bleibt nur der Holzhammer!“ (ZDF 31.03.2021).
In diesen schlimmen Zeiten heiligt der Zweck (der Virusausrottung) die Mittel (der Zwangsmaßnahmen): Kollateralschäden müssen folglich (zwangsläufig) in Kauf genommen werden. Uva. die Wechselwirkungen mit anderen Krisen, die gerade in den Hintergrund treten:
- Aufblähung der Finanz-Kapital-Blase (FAZ 17.02.2021, FED 23.3.2021, NZZ 01.04.2021)
- Verdreckung von Meer und Böden mit Plastik-Müll. (Spiegel 03.03.2021)
- Steigende Fieberkurve des Weltklimas, verbunden mit Luftverschmutzung, durch subventioniertes Industrie-Wachstum. (Guardian 18.03.2021 & 24.03.2021)
- Ausdehnung industrieller Landwirtschaft, die zu weiterem Artensterben führt. (Wallace: Origins of COVID-19, 2020).
- „Die Krise der Menschenrechte“, die Amnesty International als „verheerende“ Pandemiefolge beklagt:
- (AI Report 2020/21 – 07.04.2021)
- Digitale Medikalisierung aller Lebensbereiche, besonders am Lebensende. (Rieckert, Polypharmacy, BMC 2018)
- Verarmung der Bewegungsfähigkeiten, mit absehbarem Anstieg orthopädischer und psychiatrischer Erkrankungen. Und mit einem erhöhten Risiko für schwere Verläufe künftiger Virusinfektionen (Br J Sports Med, 20.03.2021)
- Verarmung intellektueller Leistungen bei Kindern (Med Sport Exerc. 18.02.2021)
- Verschlechterung der körperlichen und psychischen Entwicklungsmöglichkeiten von Kindern in sozial benachteiligtem Umfeld (NZZ 09.03.2021)
Bild: The Economist vom 07.04.2021: Der Internationale Währungsfond sei optimistisch. Auch international würde „Corona“ Reichen zu mehr Reichtum verhelfen. Leider würden Arme dabei etwas ärmer werden.
Das Lebensgefüge auf der Erdoberfläche ist krank.
Die umfassende Störung zeigt sich in vielen Teil-Krisen, die miteinander wechselwirken und sich hochschaukeln. Viele, die gerade an diesem siechen Ökosystem herumzudoktern versuchen, verschlimmern den Zustand noch. Ganz so wie mittelalterliche Ärzt:innen, die ihre Kranke manchmal auch zu Tode quälten.
Es sieht nicht so aus, als ob diejenigen, die über die Macht verfügen, das überblicken würden, was sie anrichten. Eher scheinen sie hinter den zunehmend eigen-dynamischen und zufälligen Entwicklungen hinterherzurennen. Auch wenn sie sich aufblasen und verkünden, man solle ihrer Führungskompetenz trauen und ihnen folgen.
Politiker:innen verfolgen Problemlöse-Strategien
Sie leiden an Projektitis: Dem Wahn, das alles besser sei, wenn ein „Problembär“ erst einmal erschlagen sei. Dieses Verhalten hat sich in der Steinzeit bewährt, als die natürlichen Ressourcen noch unerschöpflich zu sein schienen. Heute führt es in den Ökosystemen, in denen wir leben, und aus denen wir bestehen, oft zu neuen Krankheiten, die es ohne die Problembekämpfung nicht gegeben hätte. Das liegt daran, dass auch scheinbar vorrangige Ärgernisse sich bei genauerem Hinsehen meist als komplex erweisen.
Dynamische Wechselwirkungen in Systemen sind Physiker:innen seit über einhundert Jahren vertraut. Auch in der Biologie werden sie zunehmend verstanden (Mikrobiom). Nur Politik und Medizin tun sich damit noch schwer. Dort herrscht das Dogma der Einzelfaktor-Bekämpfung, das aus der Zeit der Dampfmaschinen und der imperialistischen Kolonialkriege stammt.
Mit ihren vielen Feldzügen gegen alles Mögliche, was sich der Wachstums-Ideologie entgegenstellt, rast die Menschheit gerade zu auf eine evolutionäre Wand. Eigentlich müssten wir uns deshalb intensiv mit Beziehungen, Wechselwirkungen, Interaktionen, Kollateralen, schwachen Wirkungen, Zufällen und Dynamiken in komplexen ökologischen und sozialen Systemen beschäftigen. Denn unsere Spezies steckt gerade einer fundamentalen Krise. Bei Bakterien sterben bei solchem evolutionären Druck die meisten Exemplare ab. Nur sehr wenige, die sich, neu angepasst, vollkommen anders verhalten, kommen durch, und vermehren sich dann wieder in anderen Zusammenhängen.
Bei der Entwicklung der Menschheit war es ähnlich. Wir stammen von sehr wenigen Ur-Ur-Großeltern ab, die deshalb eine oder mehrere Katastrophen überlebten, weil sie in der Lage waren, völlig neuartige Verhaltensweisen in die Evolution einzubringen.
Heute sind wir die einzigen (uns bekannten) Lebenswesen, die solche Zusammenhänge erkennen könnten. Und die sich deshalb bereits vor der drohenden evolutionären Katastrophe radikal anders verhalten könnten.
Ist Covid-19 „einfach“ nur ein Virus?
Davon geht die Politik jedenfalls aus. Man verhindert die Übertragung von Covid-19, und hält das Virus durch Medizinprodukte fern. Dann wird alles sein wie vorher … (rechtzeitig zur Bundestagswahl?).
Diese Art mechanischen Denkens gleicht den Vorstellungen, wie sich die NATO die Befriedung Afghanistans vorstellte: Man benannte die Terroristen, spürte sie auf, isolierte, bekämpfte und vernichtete sie … ganz einfach. Nur war man dort nicht besonders erfolgreich (trotz des Abwurfes der „Mutter aller Bomben“).
Tägliche Leitartikel zur viralen Katastrophe, zu der es glücklicherweise viele Produkte zu kaufen gibt, die freundlicherweise auch gleich alle genannt werden. RKZ 11.03.2021 mit dpa-Artikeln
In der Realität sind Zusammenhänge verwoben
Bei Menschen ist der sozio-ökonomische Status einer der stärksten Einflussfaktoren für Gesundheit und Sterblichkeit. Die soziale Schicht schränkt die Lebenschancen ein. Armut bewirkt oft ein niedrigeres Bildungs- und Einkommensniveau, und führt zu höherer Erwerbslosigkeit. Die Gesundheit liegt also nicht allein in den Händen des Einzelnen, sondern ist abhängig von der Umwelt und den Bedingungen, unter denen Menschen leben und arbeiten. (Lancet 2021)
Es sind globale Gesundheits-System-Störungen („Syndemien“), die bestimmte Menschen für virale „Pandemien“ empfänglich machen: Neben Armut, Krieg, Elend, Umweltverdreckung (Feinstaub u.a.) sind es hauptsächlich Über- und Unterernährung. Und natürlich auch die jetzt schon spürbaren Veränderungen der Klimakatastrophe (Lancet 2019).
Von erhöhter, durch Covid-19 verursachter Sterblichkeit, sind besonders Länder betroffen, bei denen die Zahl der Fehlernährten und Fettsucht-Kranken besonders hoch ist.
Ähnlich gut untersucht sind die Risikofaktoren Stress und Schlafmangel. Folglich sollte, wer seine Chancen steigern möchte, Covid-19 ohne Schäden zu überstehen (unabhängig von medizinischen, hygienischen Maßnahmen)
- sich viel und entspannt bewegen,
- stressarm leben und ausgiebig schlafen,
- sich gesund ernähren (Mangel ausgleichen / Überernährung abbauen),
- sich dem Sonnenlicht aussetzen,
- und nicht rauchen.
Sind die zurzeit getroffenen Maßnahmen bezogen auf die Virusverbreitung effektiv?
Das ist umstritten.
Eine Arbeitsgruppe erfahrener Experten öffentlicher Gesundheitsversorgung bezweifelt es. Sie stellt immer wieder alternative Vorschläge vor, die aber bei den Entscheidungsträger:innen offenbar weder diskutiert noch gehört werden: Schrappe 21.03.2021 und 11.03.2021.
Viele der getroffenen Maßnahmen beruhen auf einem politisch-zurechtgebogenen Zahlen-Geschwurbele, das Laien nur schwierig durchschauen können (Unstatistiken 2020 / 2021).
Ob in einem komplexen Zusammenhang (wie bei einer Virusinfektion) etwas geschieht, kann an Wechselwirkungen vieler Faktoren liegen. Und das ist durch Interpretation weit auslegbar.
- Bei „Verstorben und positiv auf Covid PCR-Testet!“ ist es einfach:
„Sie oder er ist an Covid verstorben!“ - Bei „Verstorben nach Covid-Impfung?“ dagegen überhaupt nicht:
Dann handelt es sich vermutlich um ein „zufälliges Zusammentreffen!“ oder „Sie oder er wäre in dem Alter wohl ohnehin gestorben!“
Der tatsächliche positive oder negative Vorhersagewert eines Tests hängt nicht allein von seiner operativen Genauigkeit ab. Maßgeblich ist auch die Vortestwahrscheinlichkeit, die angibt, wie hoch das geschätzte Risiko für eine Erkrankung vor dem Test ist. DÄB 24/2020
Die STIKO schrieb auf Anfrage am 26.02.2019, dass sie Postmarketing-Studien bei der Covid-Impfung für „unethisch“ hielte, und deshalb nicht durchführen könne. Obwohl es natürlich alternative Studien-Designs gäbe, um Nicht-geimpfte und Geimpfte zu vergleichen. Wenn aber solche vergleichenden Studien nicht gewollt sind, müsste man jede/n Tote/n nach Impfung obduzieren. Dann sähe man übersteigerte Immunreaktionen (als Impfnebenwirkung) oder andere Todesursachen. Das erfolgt aber ebensowenig.
Wir tappen also zu Nutzen und Risiken der laufenden Impfkampagne im Dunkeln. Wenn man aber in eine, sich gerade ausbreitende, Infektion hinein-behandelt (mit Antibiotika oder mit Impfungen), und dabei die gefährlichen Keime nicht alle gleichzeitig ausrotten kann, entstehen Resistenzen. Und die sind dann erfahrungsgemäß bösartiger. (Guardian 30.03.2021, Vanden Bossche)
Durch die laufenden hygienischen und medikamentösen Bekämpfungs-Maßnahmen, könnte sich die Situation also durchaus verschlimmern. Insbesondere dann, wenn sich neue Virus-Mutationen oder andere Viren (wie Influenza) verbreiten, die Immunsysteme befallen, die hinsichtlich der jährlich umlaufender Atemwegsinfektionen untrainiert sind.
Letztlich geht es um Biologie: Um die Dynamik instabiler, lebender Systeme.
Physikalische Gesetze sind ziemlich sicher. Und auch eine biologische Erfahrung halte ich für robust: dass Kooperationen zu evolutionären Erfolgen führen können (Beispiel: Das Ökosystem des Zell-Inneren).
Anders als Viren und Bakterien, könnten wir diese Gesetzmäßigkeit erkennen, und uns anders verhalten, um z.B. vom Schädling (Typ Cholera ) zu einem Teil eines blühenden Ökosystems zu werden.
Aus meiner Sicht bieten sich für viele der hier genannten Krisen zwei grundlegend verschiedene Strategien an:
- Alle Varianten, Mutanten, Pathogene, Krebszellen, Wachstumsverhinderer, und auch alle anderen Feinde & Terroristen (da draußen) identifizieren, isolieren, umbringen, ausmerzen, abwehren, durch Stacheldraht weghalten, totschlagen, für immer vernichten … einen nach dem anderen, bis sie alle mausetot sind … und wir dann mit ihnen.
- Oder gemeinsam sozial und ökologisch-friedfertige Visionen und Strategien entwickeln, wie wir als Superorganismen (aus Viromen, Mikrobiomen, Zellen ..) in übergeordneten lebenden Ökosystemen nutzbringend gedeihen könnten.
Der Finanzmathematiker Nassim Taleb beschrieb drei Trugschlüsse bei Interventionen in komplexe (lebende) Zusammenhänge, wie sie gerade stattfinden:
- die Illusion, die gegenwärtigen Ereignisse zu verstehen,
- die retrospektive Verzerrung zurückliegender Ereignisse,
- die Überbewertung von Sachinformation, in Kombination mit der Überschätzung der Intelligenz und der Macht der intellektuellen Elite.
Diese Ansicht teile ich, und ich wünschte mir, dass in Politik und Medizin nicht überstürzt gehandelt würde. Und dass man aus Fehlern lernen würde. Und man sich am Vorsorgeprinzip orientierte (Nicht schaden). Und das Vorsorgeprinzip nicht umkehrte. Und, dass man für kritische, neutrale, unabhängige Bewertungen sorgte.
Zitat:
We believe that in the absence of manifest danger, all-out action was a mistake. Beforehand … and … after the decision. … the thing that was needed was a day around the table brainstorming Murphy’s Law: ‚If anything can go wrong it will!‘ When decisions are based on very limited scientific data, the Ministry should establish key points at which the program should be re-evaluated. (Neustadt 1978, Zitat eines Beteiligten an einer Regierungskommission, die 1976 die Swine-Flu Katastrophe in den USA untersuchte.
Kein Fazit – nur Fragen
Ich bin weder Experte noch Besserwisser. Schon gar nicht bei Dynamiken, die ich nicht mehr überschauen kann. Je mehr ich lese, höre, sehe, und versuche das zu verstehen, was andere gesehen, gehört oder gelesen haben, desto weniger weiß ich. Und dann frage ich: offen, ungläubig, neugierig, staunend, mich vorsichtig weiter tastend, und versuchte etwas zu begreifen.
Lob der Kritik: Freie Gesellschaften zeichnen sich dadurch aus, dass sie Widersprüche aushalten. In der Corona-Krise darf diese Fähigkeit nicht verloren gehen. Sie ist systemrelevant … Sie kann Kraft zur Entwicklung guter Lösungen entwickeln. Heribert Prantl, SZ 3.-5. April 2021
Dauerwelle?
„Jährlich neue Impfkampagnen!
Corona-Mutanten schaffen Milliarden-Markt.“ NTV 09.02.2021
Die Kombination „jeweils angepasster PCR-Tests“ und „mRNA“ wird das aktuelle globale Geschäft noch lange am Laufen halten. Spätestens, bis die Influenza wieder auftaucht. Dann wird auch gegen ihre neuen Viren mit PCR getestet. Und damit ein Bedarf geschaffen für neue Marketing-Kampagnen.
mRNA-Impfungen werden infolge globaler Massen-Austestungen bald als normal akzeptiert werden. Sie sind anpassungsfähiger (an die Veränderungen ihrer jeweiligen Ziele) als konventionelle Protein-Impfstoffe: und damit langfristig profitabler.
Wenn die Produktionsanlagen für die mRNA-Technologien erst einmal (öffentlich finanziert) fertiggestellt sein werden, wird es vermutlich erst richtig losgehen: mit „Präzisions-Onkologie“ oder „Alzheimer-Impfstoffen“.
Also mit dem Verkauf der Illusionen des Schutzes gegen alles, womit Angst erzeugt werden kann. Kommerziell Uninteressantes wird im Medizinbusiness zunehmend verdrängt:
- Armuts- und Zivilisationskrankheiten,
- Entwicklungsstörungen und -verzögerungen,
- psychisches und körperliches Leiden,
- Verhaltens- und Verhältnisprävention, und natürlich
- Gesundheit im Sinne mangelnder Nachfrage nach Medizinprodukten.
Ärzt:innen & Gesundheitsinstitutionen werden zunehmend von Treibern der Kommerzialisierung (die verschreiben, was auf dem Kugelschreiber steht) zu Getriebenen. Sie werden (immer mehr) nur noch tun, was sie müssen. Und überwiegend schweigend brav mit-machen, um auch etwas vom Health-2.0-Kuchen abzubekommen.
Bei manchen Ärzt:innen kriecht allerdings bereits die Angst hoch, abgeschafft zu werden, weil sie viel zu teuer sind für Health-2.0: Diplom-Mediziner:innen (ausgestattet mit weißen Kitteln & Stethoskop) können im Impfzentrum sicher einen ebenso guten (und damit wirksamen) Eindruck machen beim Pieksen: Aber zu wesentlich geringeren Kosten.
Initiativen zur Corona-Strategie
Werden angesichts der Kommerz-Dauer-Wellen die Argumente kluger Mediziner:innen für einen „Strategiewechsel“ Gehör finden?
- https://covid-strategie.de//arbeitsgruppe-pandemiebekampfung/ –
- http://www.matthias.schrappe.com/index_htm_files/Thesenpap7_210110_endfass.pdf
Ich bezweifle es:
Denn rational-kritische Wissenschaft, die „Für und Wider“ abwägt, ist viel zu komplex. Deshalb ist das deutsche Gesundheitsministerium auch nicht in der Lage, einen Aufklärungszettel für die Covid-Impfung zu schreiben. Es überlässt diese Aufgabe lieber einer intransparenten Briefkastenfirma: dem „Grünen Kreuz“. In dessen Text zur Impfung steht folglich all das nicht drin, was man nicht weiß:
- Wechselwirkungen zwischen mRNA und menschlichem Erbgut in der Zelle (den Mitichondrien)
- Risiken nicht neutralisierender Antikörper (Antibody dependant enhancement)
- Risiken von PEG-Nano-Partikeln in Zellen und Organen
Die Entscheider:innen dieser Kampagnen und die verängstigen Gläubigen, die sich nach Sicherheit sehnen, interessiert das alles nicht.
Ich vermute, Ivan Illich hatte nicht Unrecht, als er 1977 schrieb, der Medikalisierungs-Albtraum könne nur enden, wenn die Mehrzahl der Betroffenen einfach nicht mehr mitmache.
Zitat:
Dass es sich hierbei um keinen vorübergehenden Zustand handelt, wird von den Regierungsvertretern selbst bestätigt, indem sie nicht müde werden, zu wiederholen, dass das Virus noch unter uns sei und die Epidemie jederzeit wieder ausbrechen könnte. … Angst ist das politische Herrschaftsinstrument. … Die Dinge werden furchterregend, weil wir ihre Zugehörigkeit zur Welt vergessen. … Deshalb müssen wir zurück zur Wirklichkeit! .. Das unsichtbare Ding, das mich in Schrecken versetzt, ist gewöhnliche Realität wie ein Baum, ein Bach oder ein Mensch … Die Pandemie, welche die ganze Gesellschaft in Schach hält, bietet eine unerwartete Gelegenheit, ein Volk von Untertanen noch enger zu überwachen … Wir werden nicht einfach zur Tagesordnung übergehen können. Wir werden nicht mehr die Augen vor der Misere verschließen können, in die uns die Religion des Geldes und die Blindheit der Entscheidungsträger gestürzt haben. Giorgio Agamben 2021
Ein Problem vernichten?
Die gängige Strategie angesichts vieler Probleme ist es (wie jetzt in der „Corona-Krise“):
- eines herauszugreifen, und
- es der Einfachheit halber (gedanklich), von allem anderen zu trennen.
Ist ein Problem dann erst einmal definiert (etwa die Verbreitung eines Virus), werden Strategien entwickelt, die das Problem isolieren, eingrenzen und ultimativ beseitigen sollen. Damit soll erreicht werden, dass die Welt nach der Problemlösung so sei, wie sie vorher gewesen war.
Das wird sich auch bei Covid-19 als Illusion erweisen. (Schrappe 10.01.2021) Die verzweifelten Rufe nach immer radikaleren Lösungen, die die „Dauerwelle“ wegzaubern sollen, werden unsere Chancen nicht erhöhen, die anderen beiden großen Krisen zu überleben.
Pat-end-lösungen, mit immer härteren Lockdowns, werden unter anderem immer heftigere Kollateralschäden bewirken, besonders bei Kindern.
Die scheinbar radikale Forderung nach „Zero-Covid“ im Rahmen eines „solidarischen“ Lockdowns, macht allein aus biologischen Gründen keinen Sinn: Denn die Viren sind da, sie verbreiten sich (schneller oder langsamer) weiter, und harmlose Varianten, die ihren Wirt nicht umbringen, werden bessere Verbreitungschancen haben. So wie bei jeder Virusinfektion. Ein „Null“ kann und wird es daher nicht geben. Die Menschheit wird auch mit diesem Virus leben müssen.
Als Folge der absehbaren Dauer-Lock-downs werden die Fähigkeiten, neue Herausforderungen flexibel zu bewältigen (Resilienz), weiter sinken lassen; insbesondere bei Kindern. Kriege „gegen irgendetwas“ (z.B. Krankheit), führen eben nicht zwangsläufig zum Frieden (zu Gesundheit).
Sich auf die Apokalypse vorbereiten?
Der kapitalistischen Wirtschaftsordnung ist Europa und Nordamerika der ideologische Überbau abhandengekommen. Die entfesselten Märkte werden weder von Religionen noch von Staaten kontrolliert. Angesichts der unübersehbaren Krisen, denen keine langfristigen Perspektiven gegenübergestellt werden, schwindet das Vertrauen der Bevölkerung in die Weisheit der Mächtigen. Viele basteln sich zurzeit ihr eigenes Weltbild, oder sie laufen anderen hinterher, die einfache Lösungen zu bieten scheinen.
Eines der vielen unguten Phänomene dieser Art ist die Modebewegung der „Prepper“, die sich auf den „Weltuntergang“ vorbereiten (ZDF 17.09.2020, NDR 23.05.2018).
Das Spektrum solcher Bewegungen reicht von harmlos bis faschistoid.
Solange es sich noch gut leben lässt, im reichen Norden, werden auch die „Prepper“ im Lockdown noch brav nach Hause gehen, wo ihre Vorräte lagern. Wenn sie sich aber abgekoppelt fühlen von der Gesellschaft, könnten sie rebellieren. Zum Beispiel, wenn sich die Wirtschaftskrise verschärfte oder eine Finanzblase platzte. Einen unorganisierten Mob wird man dann mit bewaffneter Staatsmacht noch relativ einfach unterdrücken können (CNBC 13.01.2021) . Aber auch Massenpsychosen?
‚Messes‘ managen?
Komplexe Probleme werden im Englischen als „mess“ bezeichnet: als Chaos oder Durcheinander.
Manche Probleme erscheinen (besonders mit Tunnelblick) relativ einfach und isoliert zu sein. Mit etwas Ruhe und Abstand kann man dann aber Wechselwirkungen und Beziehungen erkennen. Verschiedene zusammenhängende Probleme erscheinen dann nicht mehr unabhängig voneinander: Vielmehr wird bewusst, dass sie in der Realität dynamisch interagieren, und so zufällig völlig neue Situationen schaffen.
Einzelne Probleme existieren nur als willkürlich aus komplexen Situationen herausgegriffene Erscheinungen: Sie sind immer Anteile oder Aspekte größerer Zusammenhänge.
Problem-Komplexe („messes“) lassen sich nicht durch Optimierung einzelner Probleme verbessern. Stattdessen ist es notwendig, eine Situation wahrzunehmen und zu akzeptieren, wie sie sich in ihrer Gesamtheit (mit allen Aspekten) darstellt und entwickelt. Erst dann kann man sich ihr anpassen und sie begleiten, einfluss-nehmend und, im günstigen Fall, auch lenkend.
Etwa wie ein Kapitän, der Wolken, Wind, Wellen und den Zustand seines Schiffes gleichermaßen beachtet und unaufgeregt-überlegt handelt.
Bei neuen komplexen Problemzusammenhängen (die z. B. durch eine Epidemie verschlimmert wurden) wäre es günstig, möglichst viele unterschiedliche Sichtweisen einzubeziehen, Möglichkeiten zu prüfen und Strategien zu entwickeln, die die Zahl der Möglichkeiten vermehren, indem getan wird, was die Gesamtsituation erfordert.
Viele Personen einbeziehen, und sie durch eine Vision begeistern. Bild: Julian Pratt eta. Partnership for purpose. Whole system Thinking working paper series. Kings Fund, 2000, ISBN 1-85717-299-9
An Visionen arbeiten
Wenn du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Männer zusammen, um Holz zu beschaffen, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre sie die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer. Antoine de Saint-Exupéry (Quelle)
Im Kampfgetümmel ist keine Zeit für Visionen. Ohnehin halten sich „Problemlöser“ lieber an die Empfehlung von Helmut Schmidt
„Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen,” Schmidt über Willy Brandts Visionen im Bundestagswahlkampf 1980
Wichtiger sind ihnen „Ziele“, denn die sind (eng und einfach) das Gegenteil des Problems: „Viel Covid: schlecht!“ – „Kein Covid: super!“
Visionen dagegen erweitern das Blickfeld auf alle Aspekte einer Situation, die sich verändern und entwickeln. Während Problemlösungen typischerweise mit einer Antwort beginnen („Genau so!“), entstehen Visionen aus Fragen. Zum Beispiel: „Wie wollen wir in 20 Jahren leben?“
Eine mögliche Vision, die vor meinen Augen auftaucht, wäre die einer glücklichen Gemeinschaft, in der sich unsere Kinder und Enkel friedlich, demokratisch, solidarisch, neugierig verwirklichen können – weil sie eingebettet in elastisch-stabiles, artenreiches Ökosystem leben.
Solche Vision muss man gemeinsam ausgestalten. Dann entsteht Sehnsucht. Und der Wunsch etwas zu tun. Und schließlich kommen konkrete Fragen nach der Strategie auf:
- Mit noch mehr Wachstum?
- Mit einer echten Transformation, die sich von dem Wachstumszwang verabschiedet? (Kern 2020)
Fundamentale Krisen-Komplexe bringen den großen Vorteil mit sich, dass nichts mehr sein kann, wie es war: Sie eröffnen Chancen für grundsätzlich neue Erfahrungen.
Zum Beispiel könnten mehr Menschen entdecken, dass wir in Systemen leben und daraus bestehen. Dann würden
- Problem-Ausrottungs-Trancen (oder nach Watzlawick „Paten-end-lösungen“) an Bedeutung verlieren, und
- Wechselwirkungen, Zusammenhänge, Dynamiken größere Aufmerksamkeit erhalten.
Wir würden beginnen, im Interesse unserer Kinder und Enkel handeln. Und nicht mehr gegen sie.
Literatur
- BradshawC et al: Underestimating the Challenges of Avoiding a Ghastly Future Front. Conserv. Sci., 13 January 2021 www.frontiersin.org/articles/10.3389/fcosc.2020.615419/full – Kommentar: www.theguardian.com/environment/2021/jan/13/top-scientists-warn-of-ghastly-future-of-mass-extinction-and-climate-disruption-aoe?
- Glaubrecht M: Das Ende der Evolution, 2020, Bertelsmann-Verlag, ISBN 978-3-570 10241-1
- Jorion P: Der letzte macht das Licht aus : Ein Essay über die Auslöschung der Menschheit. 2018, 2001-Verlag, ISBN 978-3-96318-020-0
- Jorion P et al: Comment sauver le genre human, 2020 Fayard: www.pauljorion.com/blog/2020/05/30/comment-sauver-le-genre-humain-une-lecture-par-gilbert-chabian/
- Kern B: Das Märchen vom grünen Wachstum – Plädoyer für eine solidarische und nachhaltige Gesellschaft. Rotpunktverlag 2020
- Schick G: Blätter, Die große Verdrängung – Corona und die unbewältigte Finanzmarktkrise, Januar 2021. https://www.blaetter.de/ausgabe/2021/januar/die-grosse-verdraengung
- Wallace R: Dead epidemiologists – On the origions of Covid-19, MPR 2020, ISBN 978-158367-902-9, https://monthlyreview.org/product/dead-epidemiologists-on-the-origins-of-covid-19/