27. Mai 2016

Kulturschock?

Kultur ist die konservative Beibehaltung eines Verhaltens,
das sich in der Vergangenheit einmal bewährt hat. Maturana

Wenn Kulturen aufeinanderprallen, gerät vieles ins Wanken.

unterricht
Europäische Kultur in Togo. Dorfschullehrer. Bild: Krottmeier

Mich traf es am heftigsten, als ich als unerfahrener Arzt nach Tansania reiste, um in einer Region zu arbeiten, in der damals nur sehr wenige Europäer lebten.

Bewegungen, Gesten, Gesichtsausdrücke und Körperhaltungen waren nicht eindeutig. Auch mich schien man für sehr fremd zu halten und betrachtete mich skeptisch, abschätzend, abwehrend. Vielleicht hielt man mich auch für ein wenig verrückt, denn die Kinder riefen hinter mir her rennend „Mzungu! Mzungu!“, was so viel heißt wie „der sinnlos Umherirrende“.

Um mich sicher zu fühlen, wollte ich wissen wo „die Fettnäpfchen“ standen, ich wollte Fehler vermeiden und deshalb „die Anderen“ (als Objekte) besser begreifen können. Das Fremdartige sollte berechenbarer werden. Ich sah mich hellwach nach Gefahren um und fühlte mich zunehmend gestresst.

Aber ich glaubte mich durchbeißen zu müssen, und wollte um jeden Preis ausharren, den sonst sonst hätte ich mir vorgeworfen versagt zu haben. Diesem zwanghaften Verhalten folgte wenig später eine Krise und schließlich der Zusammenbruch. Ich war mir selbst fremd geworden. Das „Andere“, das in mir dabei aufbrach, führte zu neuen Ängsten, aber es hindert mich auch am Weglaufen.

Ich begann neugierig zu werden auf mich. Und erkannte, dass mir wertvolle Menschen anderer kultureller Prägungen helfen konnten, mich zu entdecken. Langsam, begleitet von vielen Gesprächen und Begegnungen, heilte der Kulturschock dann aus. Indem ich mich veränderte, passte ich zunehmend in das neue Umfeld hinein. Irgendwann war mir die andere Kultur vertraut und ich fühlte mich heimisch, und konnte doch das bewahren, was mir aus meiner ursprünglichen Kultur unverzichtbar erschien.

kulturschock
Wechsel und Anpassung

Kulturelle Krise

Kulturelle Anpassungskrisen spielen sich nach sehr ähnlichen Mustern ab. Und sind doch bei jedem Menschen und in jeder Situation sehr unterschiedlich gestaltet: s.u. Kontext-wechsel.

Krisen können zu flexibler Anpassung und zu persönlichem Wachstum führen, aber nicht alle enden positiv.

Wer Auslandspersonal betreut hat, kann von vielen psychischen Katastrophen erzählen, von Sucht, Rassismus, Gewalt, „Burn out“, „Ausrasten“, Depression, Wahn und auch von Selbstmorden. Weil das so ist, müssten Organisationen, die sich mit kulturellen Wechseln beschäftigen, planen wie absehbare Krisen abgemildert werden können. Stark durch eine andere Kultur verunsicherte Menschen müssten ähnlich gut betreut werden, wie Personen, die mit einer gefährlichen Diagnose konfrontiert werden: Durch die Vermittlung von Sicherheit und Beziehung.

Was geschieht, wenn die Sicherheit wegbricht? 

Sicherheit ist ein Grundbedürfnis: Fast so wichtig ist wie atmen, essen und trinken.

Die Unmittelbarkeit des Sicherheitsbedarfs verändert sich aber bei Kindern nach und nach durch erlebte Erfahrungen, die zu bestimmten Erwartungen führen. Die Vorstellung, dass die Situation morgen noch sicher sein wird, gewinnt zunehmend an Bedeutung. Bis schließlich die Sorge um die Zukunft bei Erwachsen wichtiger ist, als der (noch) sichere Zustand des Augenblicks.

Die Berechnung des Sicherheitsgrades erfolgt ständig unbewusst, durch die Verwertung der Informationen aller Sinnes-Kanäle, und durch den Abgleich der einfließenden Signale von Mustern von Körperhaltung, Gestik, Bewegungen, Sprachmelodien, Umweltgeräuschen u.v.a. Treten dabei Unstimmigkeiten auf, fühlen wir uns unwohl, und Blutdruck und Blutzuckerspiegel steigen lange bevor wir bewusst wissen, warum das so ist.

Das Gleiche kann sich (je nach Betrachter) sicher oder un-sicher anfühlen.

Ob wir eine Situation tatsächlich für sicherheits-gefährdend halten oder nicht, hängt davon ab, wie planbar uns die Zukunft erscheint. Wer viele Versicherungen abgeschlossen hat, fühlt sich gut, wenn er glaubt, nun könne ihm nicht mehr viel geschehen.

Aber auch wenn die Außenwelt vorübergehend in ein unberechenbares Chaos abzugleiten droht, können wir uns noch sicher fühlen, wenn wir uns für kompetent halten, mit stürmischen und Herausforderungen klar zu kommen.

Und selbst, wenn es gefährlich wird, und wir uns für schwach halten, ist die Handlungssicherheit nicht unbedingt gefährdet. Nämlich dann wenn das, was getan wird, sinnvoll erscheint, und in einem größeren Zusammenhang passt, für den es sich lohnt sich einzusetzen oder Risiken auf sich zu nehmen. Z.B. kann eine kleine Frau sehr entschieden einem zähe-fletschenden Schäferhund entgegentreten, wenn sie ihr Kind verteidigen muss.

Angst: das vielleicht interessanteste der Gefühle

Verunsicherungen lösen Angst aus, und das ist völlig normal und gut so. Denn dieses Gefühl erzwingt, gewohnte Handlungen zu unterbrechen. Wer z.B. als Ski-Anfänger vor einem steilen Hang mit Tiefschnee steht, hört besser auf seine Angst, und schnallt seine Bretter ab. Das erspart ihm Knochenbrüche.

Angst gleicht einer Weg-Marke, die verlangt stehen zubleiben, und zu überlegen, was als nächstes zu tun sei: entweder eine andere Richtung einschlagen oder den gleichen Weg (sehr vorsichtig!) weiter gehen.

Entsteht durch das Überdenken der Situation (oder durch beruhigende Gespräche), wieder neues Sicherheitsempfinden, verwandelt sich Angst zaghaft in andere Gefühle: z.B. in Überraschung, weil etwas Neues doch weniger gefährlich erscheint, als gedacht oder sogar als nützlich. Oder in Neugier, weil das Fremde interessant sein könnte. Oder vielleicht sogar in Freude, weil eine Bereicherung lockt.

Angst kann auch in Ärger, Wut, Ekel oder Trauer übergehen. Auch das sind wichtige Gefühle, die dazu da sind, anderen etwas von sich selbst zu offenbaren, und die helfen eine Situation gemeinsam anders zu gestalten.

Alle Gefühle sind bedeutsam und können, wenn sie zugelassen und gezeigt werden, zu Beziehungswandel und zu fruchtbarem Miteinander führen.

Stress, das Notfallprogramm

Wird die Bedrohung durch das Fremde als zu stark empfunden, werden Gefühle durch Stress ersetzt: durch die Krokodil-Sprache, die aus nur zwei Worten besteht: Gegen-an-gehen (Widerstand, Aggression) oder Weglaufen (Flucht).

Wenn auch dass nichts hilft, bleibt als letztes: Aufgeben, Zusammenbrechen oder Untertauchen. Oder so weitermachen wie bisher und die Situation durch eine Scheinlösung ertragen: durch Suchtverhalten.

Was ist Kultur?

Das Wort Kultur steht für die Verhaltensweisen der Mitglieder einer Gemeinschaft, die ihre Nachkommen so erziehen, dass sie sich später in ähnlicher Weise verhalten.

Die Normen der Kultur  verschaffen Sicherheit. Denn kulturell vertraute Handlungen anderer können leicht interpretiert werden, und sind daher berechenbar.

Beispiel: Eine große kulturelle Errungenschaft des Informationszeitalters ist „qwerty“ (deutsch „qwertz“), eine Buchstabenkombination, die 1870 von dem amerikanischen Journalisten Sholes für mechanische Schreibmaschinen festgelegt wurde. Dafür hatte er damals gute Gründe, die heute bei elektronischen Geräten völlig belanglos sind. Warum wird dann die Reihenfolge der Buchstaben nicht sinnvoll angeordnet? Weil die Umstellung bei Kunden Kulturschocks auslösen würde: nichts als unnötigen Ärger, Wut und Stress.

Kultur ist eben konservativ, rückwärts gewandt und beharrend.

Das ist auch gut so, denn vieles, was sich seit der Steinzeit an Formen sozialen Zusammenlebens entwickelt hat, ist wertvoll und verdient, bewahrt und erhalten zu werden.

Xo‘é - Rio Cuminapanema
Bald wird auch diesem Kind der Unterkiefer mit einem Pflock durchstoßen. Xo‘é – Rio Cuminapanema

Auf anders könnte aber gut verzichtet werden, wie u.a. auf archaische Rituale kindlicher Verstümmelungen: s.u. Recht auf Unversehrtheit.

Obwohl Menschen, die in ihnen sehr vertrauten Gesellschaften leben, also gerne so bleiben würden wie sie sind, verändern sich ihre Kulturen in einem stetigen Prozess der Durchmischung neuer Einflüsse anderer Gemeinschaften. Es ist deshalb  oft interessanter zu fragen, in welchen Beziehungen Kulturen zueinander stehen, als wie sie sich denn nun genau voneinander unterscheiden: s.u. Kulturelle Vermischung.

Es könnte sogar sein, dass sich die übergreifende Kultur der ganzen Menschheit wandelt. Das behauptet zumindest ein Psychologe, der glaubt, dass, trotz aller widerlichen Kriegsgräuel, Menschen in ihrem Alltagsverhalten friedfertiger zu werden scheinen (Pinker 2015).

Was trennt uns, und was haben wir gemeinsam?

The first thing you do is to forget that I’m black.
Second, you must never forget that I’m black. Pat Parker

Unsere Spezies unterscheidet sich nur sehr wenig von unseren Vettern, den Zwergschimpansen. Noch weniger trennt uns von den handwerklich begabten Vor-Menschen, die den Globus seit einigen Millionen Jahren bevölkerten.

Die heutigen sieben Milliarden Menschen, unterscheiden sich schließlich hinsichtlich ihrer biologisch-körperlichen Ausstattung kaum noch voneinander. Die Bandbreite unterschiedlicher Gene innerhalb einer einzigen „ethnischen“ Gruppe ist meist größer als die Summe der Unterschiede zwischen „ethnischen“ Gruppen.

Dafür ist die Palette, „wie“ wir je nach Umwelt und Kultur unsere Fähigkeiten ausgestalten, so breit gefächert, wie die Vielfalt aller Musikstile und Melodien.

Z.B. verfügen alle Menschen über zwei Großhirnhälften, die für hoch-komplexe körperliche und psychische Leistungen genutzt werden. Wie das geschieht ist im Prinzip bei allen Menschen gleich, kulturell ist nur verschieden ausgestaltet, ob wir mehr auf Zusammenhänge, Dynamik und Beziehungen achten oder auf Einzel-Fakten und Begriffe, ob wir eher ziel- oder prozessorientiert handeln. Und wie bei uns Körper und Großhirn zusammenspielen sollen.

Noch ähnlicher sind bei allen Menschen die Funktionen des menschlichen Zwischenhirns, das die Grundlage bildet für unsere emotionale Grundausstattung. Die entscheidenden Mittelhirn-Funktionen unserer Bewusstheit, die zu Gefühlen führen, sind bei der Geburt eines Menschen nahezu identisch, werden dann aber kulturell ausgeprägt unterschiedlich entwickelt, ohne sich jedoch in ihrem Grundsatz wirklich zu unterscheiden. Es ist daher möglich, dass sich ein Japaner mit einem Ureinwohner aus Brasilien, der noch in der Steinzeit lebt, bruchlos auf einer emotionalen Bezugsebene verständigen kann.

Die Sprachen des inneren Teams

Menschen verfügen über die gleichen Möglichkeiten, mit denen sie mit der Außenwelt in Kontakt treten können.

Strenge Schriftgelehrte z.B. verständigen sich über ihre Denkmodelle mit wichtigen Worten. Kabarettisten machen sich genau darüber lustig und lassen die Begriffe platzen wie Luftballons. Tänzer verbinden sich im Swing und Rhythmus mit ihren Musikern. Liebende flüstern, wie perfekt sich ihre Einheit anfühlt. Handwerker arbeiten gestikulierend. Und Kindern toben sich im Spiel mit ihren Gefühlen aus. Und dann gibt es noch die anderen großen Sprachen wie Sex, Stress (Angriff, Flucht) und in Ohnmacht fallen.

All diese Formen der Kommunikation, die ich Sprachen nenne, zeigen sich kulturell in anderen Ausdrucksweisen, Ausgestaltungen und Kombinationen. Die jeweilige Form der Indoktrination durch die Erziehung bestimmt, welche Sprachen erlaubt sind, welche perfektioniert werden müssen, welche nur heimlich anklingen dürfen, und welche als Tabu, Sünde oder Teufelszeug unterdrückt werden.

Missverständnisse entstehen dann, wenn „zwei Sprachen“ nicht zu einander passen. Z.B. wenn jemand beim Sex stöhnend die Augen verdreht und der andere beginnt schallend zu lachen. Wenn jemand Sex will, und die oder der andere gerade die Einhaltung der Moral einfordert. Wenn die eine lieben will, und der andere aber nur an seine Karriere-ziele denkt. Wenn jemand glaubt und hofft und die andere all seine Modelle fröhlich in Fragen stellt. Wenn einer gerade in sich versunken etwas mit den Händen formt und der andere ihm Verfahrensanweisungen vorlesen will u.s.w.

Anpassungsreaktionen

Wird die gewohnte Weltsicht durch etwas andersartiges infrage gestellt, werden zunächst unbewusst die Bedrohungspotenziale geprüft, und erst dann die Möglichkeit, ob die Begegnung auch mit einem Nutzen verbunden sein könnte.

Scheint das Fremde interessant zu sein, entsteht aus anfänglicher Unsicherheit und Angst Neugier. Dann könnte man vorsichtig auf das Fremde zu gehen und etwas erfahren oder sogar lernen.

Ist das Risiko zu groß und die Selbstsicherheit zu klein, oder besteht eine zusätzliche Angst, dass der oder das Fremde einem etwas wegnehmen könnte, was einem wichtig sei, entsteht Abwehr.

Varianten dieser psychologischen Musters wiederholen sich seit vielen Tausenden von Jahren. Kommen z.B. einzelne Fremde, ist die Gastfreundschaft groß, denn man erfährt etwas von „da draußen“ was „hier“ vielleicht nutzbringend angewandt werden könnte. Oder sie sind als Händler willkommen, weil sie nützliche Waren eintauschen konnte.

Ungebetene Fremde, die plötzlich in Massen auftreten, werden dagegen als gefährlich empfunden. Manchmal zu Recht, wie bei den „Indianern“, die sich in Amerika gut eingerichtet hatten, und denen es mit der europäische Eroberung dann „an den Kragen ging“. Die Erinnerung an solche kriegerischen Konflikte sind auch in anderen Kontinenten spürbar, wie z.B. im Kastensystem Indiens. Oder sie schwelen über viele hundert Jahre, wie bei den bäuerlichen Hutu und den ehemals nomadischen Tutsi, bis dann urplötzlich neue Gewalt ausbricht.

Aber es gibt auch friedvolle Wanderungsbewegungen, wenn z.B. Siedler eingeladen wurden, um mitzuhelfen, Land fruchtbar zu machen, um als „Gastarbeiter“ zum allgemeinen Wohlstand beizutragen, oder um als Urlauber Geld ins Land zu tragen.

Wanderung und kulturelle Durchmischung sind normal. Sie aufhalten zu wollen, hat in der Geschichte früher oder später immer zum Kollaps geführt. Also wäre es vernünftig, über das „Wie“ von Einwanderung nachzudenken und nicht über das „ob“.

Warum geht es so häufig schief, und beginnt oder endet mit Hass?

Der Schock der Krise, die sich aus der Konfrontation mit dem Fremden ergibt, führt schnell in die Erstarrung. Die Mimik des anderen Menschen (sein Ausdruck der Persönlichkeit) wird durch eine Maske (oder Fratze) des Fremden ersetzt. Damit ist dann das „Wir“ (die Guten) klar abgekapselt, von „denen“ (den Gefährlichen), mit denen man nichts zu tun haben will, es sei denn, man könnte sie irgendwie benutzen.

Der Fremde wird vom „Normal-“ zum „Problem-Bären“ oder gar „Schad-Bären“ (Stoiber 2006). Die Logik des Stress kann mit komplexen Zusammenhängen nichts anfangen und betrachtet die Welt durch den Tunnelblick. Deshalb können, nach einer starken kulturellen Verunsicherung, Menschen nicht mehr als das wahrgenommen werden, was sie sind: Mischwesen, die weder genetisch, noch epigenetisch, noch religiös-ideologisch, noch kulturell in irgendwelche eindeutigen Zuordnungen passen.

Die einzigartige Person des Anderen mit ihren vielen Facetten muss vereinfacht werden auf einen Begriff, den man auf eine Schachtel kleben kann, um ihn dann dort einzusortieren.

Aus einem Menschen wird dann jemand, der zu irgendetwas dazugehören soll: zu einer Religion, einer Ideologie, einer „Ethnie“, einem „Volk“, einer „genetischen Linie“ oder einer Abstammung, einer Sprache, einem Geschlecht, einer sexuellen Orientierung oder was auch immer, auf eine ungeliebte Gruppe verweist. Die man dann mit Hetz-Begriffen belegen kann wie XY-Rasse, Anti-Irgendwas, Blabla-Ismus uva.

Damit kann man dann Gespräche vermeiden und zur einfacheren Aggression übergehen, diffamieren und draufschlagen.

Wie heilen Kulturschocks?

Krisen von Kontext-Wechsel gelingen manchmal, wenn zunächst füreinander Fremde keinen Stress mehr empfinden, wenn sie sich begegnen. Aus diesem Grund ziehen sich in traditionell-afrikanischen Kulturen die Begrüßungsrituale zwischen Mitgliedern unterschiedlicher Stämme schier endlos in die Länge. Weil so Sicherheit entsteht, dem Fremden als Gast sicher nichts geschehen wird, und er deshalb ruhig seine Machete weglegen kann.

Erst dann, wenn sich die Begegnung nach reichlich Tee-Trinken und gemeinsamem Essen als harmlos erweist, kann über einen Handel geredet werden. Oder über ein Projekt, das die beiderseitige Lebenssituation bereichern könnte.

Interkulturelle Kommunikation

Werden unbewusste Signale verstanden, und passen die inneren Sprachen zueinander, ist die Kommunikation auch fruchtbar.

Dazu gehört „Emotionale Intelligenz“. Und die ist trainierbar.

Man kann z.B. mit etwas Übung an sich und mit anderen erfahren, wie Gefühle, Vorstellungen und Bewertungen „innen“ entstehen und sich in Körperhaltung und Gestik äußern. Dass also das, was (außen) geschieht, mit dem, was (innen) empfunden wird, nicht direkt verbunden ist. Wenn aber Stress und Emotionen von innen, und nicht von außen kommen, kann man den Betroffenen helfen, von dem einen (Stress z.B.) in das andere (Gefühle z.B.) zu kommen, ohne dass sich die äußere Situation, die als bedrohlich wahrgenommen wird, verändern muss.

Es ist für die „innere Antwort“ unerheblich, ob tatsächlich eine Bedrohung entsteht. Wichtig ist nur, ob etwas als bedrohlich und verunsichernd empfunden wird.

Es wäre also mit etwas Training möglich, die gröbsten Fehler interkultureller Kommunikation zu vermeiden. Sie werden aber leider immer wieder begangen, und enden oft (und völlig unnötig) in Gewalt.

Negativ Denken ist oft anschaulicher: Wenn man es also unbedingt schlecht machen will, sollte man z.B.

  • versäumen mit jemanden in Kontakt zu treten, und bevor eine Beziehung entstehen kann, sofort dazu übergehen, ihm gute Ratschläge zu erteilen.
  • jemandem im Stress mitteilen, dass sein Stress völlig unbegründet und er schon deshalb im Unrecht sei, weil viele rationale Fakten dies belegten.
  • jemanden in Trance in logische Diskussionen verwickeln und seinem Fundamentalismus andere fundamentale Wahrheiten entgegensetzen.
  • jemanden in Angst mit „beruhigend gemeinten“ Informationen überfluten.
  • jemanden im Tunnelblick des Problemlösen etwas von den Möglichkeiten der weiten Welt erzählen.

Schließlich wird man so verzweifelt aufgeben müssen. Weil „der andere“ ebenso verbohrt sei, dass kein weiteres Gespräch Sinn mache. Dass auch er deshalb in eine Schachtel gehöre auf die irgendein stumpfes, abwertendes Wort geklebt werden muss, das seine unbelehrbare Gruppe kennzeichnet, damit sie isoliert, ausgesondert, abgeschoben oder notfalls bekämpft werden kann.

Und was stattdessen?

  • Immer: Wach, aufmerksam, unvoreingenommen, empathisch, wohl wollend: vermittelt durch Mimik, Gestik Körperhaltung, Sprache. Fragen: Welche Möglichkeiten bieten sich? Welche Kraftquellen sind da? Weitblick fördern: Was kann getan werden, um die Zahl der Möglichkeiten zu vermehren? Was kann konkret getan werden? Was muss dazu noch genauer betrachtet werden? Welche Visionen eröffnen sich? Was macht Sinn?
  • Nie: Besser-wissen, belehren, be- und verurteilend, reglementierend, an Begriffen orientiert. Sofort mit dem Problemlösen beginnen. In Details verrennen.

Kommunikation bei Ohnmacht, Erschöpfung

  • Immer: Sorgen für Sicherheit und Grundbedarfsbefriedigung, durch Schutz, Beziehung, Berührung, Bewegung, sich kümmern, vorsichtige Anregung von Aktivität.
  • Nie: Appelle (Reiß dich zusammen! Entspann dich!) rationalisierende Sach-

Kommunikation bei Stress

  • Immer: Für Sicherheit und Ruhe Sorgen („Hier und jetzt besteht keine Gefahr!“) Stress-Hass-Aggression annehmen, zuhören. Fundamental-wahnsinnige Positionen hinnehmen, wie sie eben sind. Nachfragen, verstehen wollen, warum sie so sind. Welche Bedarfe sind so wichtig und gefährdet? Ist es möglich zu sprechen? Kann etwas erzählt werden? Kann sich der  Tunnel-blick etwas weiten? Können Gefühle wachgerufen werden?
  • Nie: Auf Stress mit Stress antworten. Widersprechen, Gegen-an-Gehen, Stress-Hass-Aggression bekämpfen wollen, mit Logik, Rationalität oder Fakten argumentieren (erzeugt noch mehr Stress).

Kommunikation bei Angst

  • Immer: Zeigen das Angst verstanden ist. Gefahren ansprechen. Zuhören. Rückfallrisiko in Stressreaktion dämpfen. Andere Gefühle wachrufen. Helfen sich zu offenbaren. Vertrauen schaffen.
  • Nie: Angst übergehen: Ignorieren, Verdrängen, Verleugnen. Beschönigen. Informationen einfüttern (erzeugt noch mehr Angst!)

Kommunikation bei Wut, Ärger, Verzweiflung, Ekel, Trauer

  • Immer: Wahrnehmen und spiegeln. Verstehen, annehmen, dass es so ist. Zuhören, erzählen lassen, nachfragen. Fragen ob das gehörte auch richtig verstanden wurde. Gefühle abebben lassen, bis Ruhe entsteht.
  • Nie: Gefühle übersehen, übergehen, abwehren, verdrängen, als unnötig erachten. Zu schnell zur Sache übergehen. Statt Gefühlen Fakten, Meinungen, Bewertungen  sprechen lassen
Letzte Aktualisierung: 02.06.2019