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Legalisierung der Leihmutterschaft?

Das Bundesgesundheitsministerium hat im Mai 2023 eine Kommission eingesetzt, die u.a. die Legalisierung der „altruistischen Leihmutterschaft“ in Deutschland prüfen soll. (BMG 2023)

Schwangere Frauen, junge Mütter und Neugeborene sind verletzlich und schutzbedürftig.

Katja Ekis Ekman: „Kinder kaufen“, LeMondeDiplo, Mai 2023. Mehr: Ware Frau (Orlanda Verlag 2016). „All surrogacy is exploitation – the world should follow Sweden’s ban“ Guardian 2016″. Im Vortrag verwies sie auf eine Kraft, die das Geschäft treibt: Das Prinzip „Geld-Ware-Mehr Geld“

Frauen, die ihren Körper für andere zur Verfügung stellen, und Kinder, die nach der Geburt von ihren Müttern getrennt werden, werden körperlich und psychisch besonders stark belastet. Bei ihnen bestehen deutlich höhere Risiken als bei natürlichen verlaufenden Schwangerschaften, Geburten und Nachgeburtsphasen. (Web-Site von Betroffenen).

Die Kommission muss sich also mit Fragen auseinandersetzen, wie die Gesundheit und die Rechte von schwangeren Frauen und von Neugeborenen im Rahmen der Praktiken kommerzieller Leihmutterschaft geschützt werden können.

Kein „altruistisches Ehrenamt“

„Altruismus“ wird aufgefasst, als ein pro-soziales Verhalten, das einer oder mehreren anderen Person oder der Gemeinschaft nutzt. Gemeint ist eine Großzügigkeit, die kurzfristig nicht bezahlt wird, aber langfristig Wert und Ansehen steigert.

Im Zusammenhang von „Altruismus“ zu sprechen ist meist irreführend.

Frauen, die sich als Mutter zur Verfügung stellen, nehmen erhebliche Belastungen und Risiken in Kauf. Sie müssen vielfach untersucht und mit Hormonen behandelt werden. Sie können nicht berufstätig sein. Vertraglich treten sie (je nach Reproduktionsunternehmen) die Autonomie über ihren Körper und über den Verlauf und die Art ihrer Schwangerschaft ab.

In einigen Ländern erhalten die Schwangeren von den Leihmutter-Unternehmen nicht mehr als das zu ihrer Existenzsicherung Nötige. Die Verwendung des Begriffes „Altruismus“ dient dann der Verschleierung sklavenähnlicher Verhältnisse.

Schwangere Frauen bilden eine körperlich-psychische Einheit.

Eine schwangere Frau bildet (naturwissenschaftlich betrachtet) ein ungetrenntes Ganzes.

Das Verhalten der schwangeren Frau und der jungen Mutter wirkt sich intensiv und lebenslang auf das Ungeborene aus. Das betrifft Ernährung, Medikamente-Einnahme, Suchtmittel-Gebrauch, Schlaf-Verhalten, Umgang mit Belastungen u.v.a. während der Schwangerschaft. Besonders Stressbelastung der Frau kann sich störend auf die Entwicklung des Feten und späteren Kindes auswirken. Das heutige Nicht-Wissen zu diesen Zusammenhängen ist grenzenlos.

Nach der Geburt baut die Mutter des Kindes eine intensive Bindung auf, die ihre und die Psyche des Kindes prägt. Das Kind hat deshalb nach der Geburt das Recht (in dieser für das spätere Leben extrem wichtigen Lebensphase) optimal versorgt zu sein (Bonding).

Der Prozess der Bindung zwischen Mutter und Kind (als Einheit in der Schwangerschaft und nach der Geburt als Symbiose) erschließt sich nicht allein aus der wachsenden Menge experimentell-gewonnener, naturwissenschaftlicher Informationen. Das Aufkeimen der menschlichen Psyche und der Körperlichkeit berühren grundsätzliche, ethische, philosophische, religiöse Fragen nach dem Wesen menschlicher Existenz und Zukunft.

Recht

Kein Teil einer Frau kann einem Dritten, einem Unternehmen oder einer Gesellschaft gehören. Verträge, die eine Frau zum Verzicht auf ihre Entscheidungsgewalt über sich selbst zwingen, können nicht bindend sein. Da eine Frau eine Einheit bildet, kann nur sie bestimmen, was mit Anteilen ihres Körpers geschieht. Das gilt auch dann, wenn sie schwanger ist. Für sie gilt das Grundrecht auf Unversehrtheit als Ganzes. Nur sie kann (nach einem Recht das sich auf naturwissenschaftliche Gegebenheiten gründet) entscheiden, wie ihre Schwangerschaft verlaufen soll, oder ob sie beendet wird. deshalb sollte der Strafrechtsparagraph (§218 StGb) ersatzlos entfallen.

Die Art wie eine Frau schwanger geworden ist, ist für ihr Selbstbestimmungsrecht unerheblich. Vor einer Schwangerschaft abgeschlossene Verträge zur Adoption sind nach geltendem deutschen Recht nicht bindend. Ein Kind gilt erst in Deutschland als Rechtsperson ab „Blasensprung und Wehentätigkeit“. Erst nach seiner Geburt kann eine Mutter ihr Kind zur Adoption freigeben oder (nach reiflicher Überlegung) auch nicht.

Sie darf dann im Verlauf von sechs Wochen ihre Entscheidung rückgängig machen. Die Adoption wird erst zwölf Monate nach Geburt rechtsgültig. Im Rahmen des bestehenden Rechts wäre es auch möglich, dass ein Paar einer Frau, die schwanger werden will, einen Embryo „schenkt“. Die empfangende Frau wäre dann die (alleinige) Mutter mit allen rechtlichen Konsequenzen.

Die Mutter kann bei der Geburt eine Vaterschaft angeben (wobei unerheblich ist, in welcher Partnerschaft dieser lebt). Sie kann zustimmen, dass ihr Kind von einer Partnerschaft zweier Menschen adoptiert wird, und sie kann diesen Prozess begleiten (ggf. lebenslang). Auch das Aufwachsen des Kindes in einer Dreierbeziehung ist legal.

Unversehrtheit, Schutz und Rechtssicherheit einer schwangeren Frau haben (unabhängig von der Art der Zeugung) einen höheren Stellenwert als die Interessen Dritter (z.B. der „Wunscheltern“ oder der am Prozess der Leihmutterschaft beteiligten Unternehmen, Ärzt:innen, Manager usw.).

Hélène Delforge, Quentin Gréban: Mama. Ars edition, München 2019, ISBN 978-3-8458-2992-0

Alle Eingriffe, die an gesunden Personen durchgeführt werden, und nicht zwingend medizinisch indiziert sind, erfordern eine hohe Qualität psychologischer Begleitung und eine rückhaltlose Aufklärung über Risiken, die sich lebenslang auswirken können.

Die Haftung für unerwünschte Ereignisse und lang wirkende, psychische oder somatische Krankheiten nach Eingriffen, die nicht notwendig waren, ist eindeutig zu klären und zu dokumentieren. Die Anbieter medizintechnischer Leistungen müssen umfassend versichert sein.

Grenzüberschreitende „Leihmutter-Verträge“ mit Ländern, die die Selbstbestimmung der Frauen über ihre Schwangerschaft weder achten, noch ihnen eine in Deutschland vergleichbare Rechtssicherheit bieten können, widersprechen deutschem Recht.

Die Instrumentalisierung von Frauen und Menschenhandel dürfen nicht durch Aufweichungen der aktuellen Gesetzeslage toleriert werden.

Wünsche und Rechte kinderloser Paare

Kinderlose Paare bedürfen einer intensiven psychologischen Begleitung. Sie müssen umfassend über die Möglichkeiten der Adoption oder Pflege-Elternschaft informiert werden. Kinderlose Paare, die darunter leiden, müssen qualitativ gute Unterstützungsangebote in ausreichender Zahl vorfinden. Sie haben ein Recht auf Hilfe, damit ihre körperliche und psychische Voraussetzungen für reproduktive Prozesse günstig beeinflusst werden.

Das Adoptionsrecht in Deutschland benachteiligt gleichgeschlechtlicher Paare. Das zu ändern wäre überfällig.

Bei einem Wunsch nach Leihmutterschaft müssen die betroffenen Paare niedrigschwellig, umfassend, empathisch über Zusammenhänge, Möglichkeiten und Risiken in ihren Entscheidungsfindungen beraten und unterstützt werden.

Vollständiger Artikel

  • Schutz von „Leihmüttern“
  • Inhalt: Biologie der Entwicklung menschlichen Lebens. Genetik. Epi-Genetik. Neurogenese. Mikrobiom. Bonding und Stillen. Technische Möglichkeiten. Indikationen für steigende Nachfrage. Gesundheit der Leihmütter. Recht. Schlussfolgerung. Links. Literatur

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Letzte Aktualisierung: 29.08.2023