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28. August 2023

Leih-Mutter-Schutz

Inhalt:

  • Zusammenfassung
  • Empfehlungen
  • Hintergrund

Zusammenfassung

Das Bundesgesundheitsministerium hat im Mai 2023 eine Kommission eingesetzt, die u.a. die Legalisierung der „altruistischen Leihmutterschaft“ in Deutschland prüfen soll. (BMG 2023)

Katja Ekis Ekman: „Kinder kaufen“, LeMondeDiplo, Mai 2023. Mehr: Ware Frau (Orlanda Verlag 2016). „All surrogacy is exploitation – the world should follow Sweden’s ban“ Guardian 2016″. Im Vortrag verwies sie auf eine Kraft, die das Geschäft treibt: Das Prinzip „Geld-Ware-Mehr Geld“

Schwangere Frauen, junge Mütter und Neugeborene sind verletzlich und schutzbedürftig.

Frauen, die ihren Körper für andere zur Verfügung stellen, und Kinder, die nach der Geburt von ihren Müttern getrennt werden, werden körperlich und psychisch besonders stark belastet. Bei ihnen bestehen deutlich höhere Risiken als bei natürlichen verlaufenden Schwangerschaften, Geburten und Nachgeburtsphasen.(Web-Site von Betroffenen).

Die Kommission muss sich also mit Fragen auseinandersetzen, wie die Gesundheit und die Rechte von schwangeren Frauen und von Neugeborenen im Rahmen der Praktiken kommerzieller Leihmutterschaft geschützt werden können.

Die reproduktiven Rechte von „Wunsch-Eltern“, die aus unterschiedlichsten Gründen keine Kinder bekommen können sind dem Mutter- und dem Kinderschutz nachgeordnet.

Kein „altruistisches Ehrenamt“

„Altruismus“ wird aufgefasst, als ein pro-soziales Verhalten, das einer oder mehreren anderen Person oder der Gemeinschaft nutzt. Gemeint ist eine Großzügigkeit, die kurzfristig nicht bezahlt wird, aber langfristig Wert und Ansehen steigert.

Im Zusammenhang von „Altruismus“ zu sprechen ist meist irreführend.

Frauen, die sich als Mutter zur Verfügung stellen, nehmen erhebliche Belastungen und Risiken in Kauf. Sie müssen vielfach untersucht und mit Hormonen behandelt werden. Sie können nicht berufstätig sein. Vertraglich treten sie (je nach Reproduktionsunternehmen) die Autonomie über ihren Körper und über den Verlauf und die Art ihrer Schwangerschaft ab.

In einigen Ländern erhalten die Schwangeren von den Leihmutter-Unternehmen nicht mehr als das zu ihrer Existenzsicherung Nötige. Die Verwendung des Begriffes „Altruismus“ dient dann der Verschleierung sklavenähnlicher Verhältnisse.

Schwangere Frauen bilden eine körperlich-psychische Einheit.

Eine schwangere Frau bildet (naturwissenschaftlich betrachtet) ein ungetrenntes Ganzes.

Das Verhalten der schwangeren Frau und der jungen Mutter wirkt sich intensiv und lebenslang auf das Ungeborene aus. Das betrifft Ernährung, Medikamente-Einnahme, Suchtmittel-Gebrauch, Schlaf-Verhalten, Umgang mit Belastungen u.v.a. während der Schwangerschaft. Besonders Stressbelastung der Frau kann sich störend auf die Entwicklung des Feten und späteren Kindes auswirken. Das heutige Nicht-Wissen zu diesen Zusammenhängen ist grenzenlos.

Nach der Geburt baut die Mutter des Kindes eine intensive Bindung auf, die ihre und die Psyche des Kindes prägt. Das Kind hat deshalb nach der Geburt das Recht (in dieser für das spätere Leben extrem wichtigen Lebensphase) optimal versorgt zu sein (Bonding).

Der Prozess der Bindung zwischen Mutter und Kind (als Einheit in der Schwangerschaft und nach der Geburt als Symbiose) erschließt sich nicht allein aus der wachsenden Menge experimentell-gewonnener, naturwissenschaftlicher Informationen. Das Aufkeimen der menschlichen Psyche und der Körperlichkeit berühren grundsätzliche, ethische, philosophische, religiöse Fragen nach dem Wesen menschlicher Existenz und Zukunft.

Recht

Kein Teil einer Frau kann einem Dritten, einem Unternehmen oder einer Gesellschaft gehören. Verträge, die eine Frau zum Verzicht auf ihre Entscheidungsgewalt über sich selbst zwingen, können nicht bindend sein. Da eine Frau eine Einheit bildet, kann nur sie bestimmen, was mit Anteilen ihres Körpers geschieht. Das gilt auch dann, wenn sie schwanger ist. Für sie gilt das Grundrecht auf Unversehrtheit als Ganzes. Nur sie kann (nach einem Recht das sich auf naturwissenschaftliche Gegebenheiten gründet) entscheiden, wie ihre Schwangerschaft verlaufen soll, oder ob sie beendet wird. deshalb sollte der Strafrechtsparagraph (§218 StGb) ersatzlos entfallen.

Die Art wie eine Frau schwanger geworden ist, ist für ihr Selbstbestimmungsrecht unerheblich. Vor einer Schwangerschaft abgeschlossene Verträge zur Adoption sind nach geltendem deutschen Recht nicht bindend. Ein Kind gilt erst in Deutschland als Rechtsperson ab „Blasensprung und Wehentätigkeit“. Erst nach seiner Geburt kann eine Mutter ihr Kind zur Adoption freigeben oder (nach reiflicher Überlegung) auch nicht.

Hélène Delforge, Quentin Gréban: Mama. Ars edition, München 2019, ISBN 978-3-8458-2992-0

Sie darf dann im Verlauf von sechs Wochen ihre Entscheidung rückgängig machen. Die Adoption wird erst zwölf Monate nach Geburt rechtsgültig. Im Rahmen des bestehenden Rechts wäre es auch möglich, dass ein Paar einer Frau, die schwanger werden will, einen Embryo „schenkt“. Die empfangende Frau wäre dann die (alleinige) Mutter mit allen rechtlichen Konsequenzen.

Die Mutter kann bei der Geburt eine Vaterschaft angeben (wobei unerheblich ist, in welcher Partnerschaft dieser lebt). Sie kann zustimmen, dass ihr Kind von einer Partnerschaft zweier Menschen adoptiert wird, und sie kann diesen Prozess begleiten (ggf. lebenslang). Auch das Aufwachsen des Kindes in einer Dreierbeziehung ist legal.

Unversehrtheit, Schutz und Rechtssicherheit einer schwangeren Frau haben (unabhängig von der Art der Zeugung) einen höheren Stellenwert als die Interessen Dritter (z.B. der „Wunscheltern“ oder der am Prozess der Leihmutterschaft beteiligten Unternehmen, Ärzt:innen, Manager usw.).

Alle Eingriffe, die an gesunden Personen durchgeführt werden, und nicht zwingend medizinisch indiziert sind, erfordern eine hohe Qualität psychologischer Begleitung und eine rückhaltlose Aufklärung über Risiken, die sich lebenslang auswirken können.

Die Haftung für unerwünschte Ereignisse und lang wirkende, psychische oder somatische Krankheiten nach Eingriffen, die nicht notwendig waren, ist eindeutig zu klären und zu dokumentieren. Die Anbieter medizintechnischer Leistungen müssen umfassend versichert sein.

Grenzüberschreitende „Leihmutter-Verträge“ mit Ländern, die die Selbstbestimmung der Frauen über ihre Schwangerschaft weder achten, noch ihnen eine in Deutschland vergleichbare Rechtssicherheit bieten können, widersprechen deutschem Recht.

Die Instrumentalisierung von Frauen und Menschenhandel dürfen nicht durch Aufweichungen der aktuellen Gesetzeslage toleriert werden.

Factsheet Reproduktions-technologien (aufgerufen am 06.02.23): Heinich Böll Stiftung, Gunda Werner Institut

Wünsche und Rechte kinderloser Paare

Kinderlose Paare bedürfen einer intensiven psychologischen Begleitung. Sie müssen umfassend über die Möglichkeiten der Adoption oder Pflege-Elternschaft informiert werden. Kinderlose Paare, die darunter leiden, müssen qualitativ gute Unterstützungsangebote in ausreichender Zahl vorfinden. Sie haben ein Recht auf Hilfe, damit ihre körperliche und psychische Voraussetzungen für reproduktive Prozesse günstig beeinflusst werden.

Das Adoptionsrecht in Deutschland benachteiligt gleichgeschlechtlicher Paare. Das zu ändern wäre überfällig.

Bei einem Wunsch nach Leihmutterschaft müssen die betroffenen Paare niedrigschwellig, umfassend, empathisch über Zusammenhänge, Möglichkeiten und Risiken in ihren Entscheidungsfindungen beraten und unterstützt werden.

Mehr

Wissenschaftsjournalismus

Hintergrund

Annäherung an den Begriff „Leih-Mutter“

Am 08.12.2022 erfährt Hiltons Fan-Gemeinde, sie besitzte „Tonnen“ von Embryonen (Zeit-Online/dpa). Die Schweizer Illustrierte ergänzt „… Paris Hilton (42) startet die Babyproduktion erst im nächsten Jahr“ und erklärt gleich wie das „IVF-Verfahren zur künstlichen Befruchtung funktioniert.“ Aber dann ging es doch schneller: Einer „ihrer“ (!!!) ehemaligen Embryonen wurde (als fertig ausgebrütetes Produkt) an die „Wunsch“-Mutter geliefert. (Oberhessische Presse 26.01.2023).

Vor ethischen und rechtlichen Abwägungen und Bewertungen ist es notwendig, zu verstehen, was gemeint wird. Oder was andere sich vorstellen, wenn sie komplexe Sachverhalte in einfache Kategorien trennen.

Der Duden definiert den Begriff „Leihmutter“ („synonym Mietmutter“) als „Frau, die für eine andere Frau, die ein Kind nicht empfangen oder austragen kann, deren Kind austrägt“ (duden.de). Leih(en) („synonym mieten“) bedeute: „gegen das Versprechen der Rückgabe vorübergehend aus seinem Besitz zur Verfügung stellen“. Eine Mutter sei „eine Frau, die ein oder mehrere Kinder geboren“ habe. Wunschmütter oder Wunschväter kennt der Duden nicht. Er definiert „Stiefmutter“ (oder -vater) und Pflegemutter“ (oder -vater“) als einen Menschen, der oder die „mit einem leiblichen Elternteil eines Kindes in einer Beziehung lebt und nicht die leibliche Mutter (oder Vater) dieses Kindes ist“, oder jemand, die oder der „Kind in Pflege genommen“ hat.

Im Englischen wird der Begriff „surrogate mother“ („Ersatzmutter“) weiter unterteilt in „gestational carrier“ (Tragemutter) z.B. nach IVF, oder „traditional carrier“ („biologische Mutter“) nach z.B. intrauteriner Insemination.

Im Zusammenhang der „Leihmutterschaft“ werden die Rollen und Rechte der vielen Akteur:innen weltweit sehr unterschiedlich geregelt. Zentral ist die jeweilige Definition „des Kindes“, das ausgetragen und abgegeben wird. Denn ihm wird etwas zur Verfügung gestellt:

  • nicht nur ein Uterus und eine Plazenta, sondern
  • die Einheit von Psyche und Körperlichkeit einer Frau.

Prinzipiell ergeben sich aus der Festlegung, was ein „Kind“ sei, zwei sehr unterschiedliche ethische Grundauffassungen mit jeweils anderen rechtlichen Konsequenzen:

(A) Die naturwissenschaftlich begründete Position:
„Schwangere Frau = ungetrennte Einheit“.

Wird eine Frau während der Schwangerschaft als eine ungetrennte Gesamtheit definiert, besitzt sie uneingeschränkt alle Rechte bezüglich jedes ihrer Organe. Dazu zählt auch der Embryo oder Fetus, weil alle ihre Zellen-Viren-Bakterien mit diesem aktiv wechselwirken. Also ihn nicht nur passiv tolerieren. Das Grundrecht der Unversehrtheit gilt für die Frau als Ganzes. Nur sie selbst kann den von ihr gewünschten Verlauf ihrer Schwangerschaft bestimmen. Und nur sie kann sich auch für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden. Erst die Geburt wandelt die körperliche Einheit von Frau und Fetus in eine Beziehungseinheit. Vor der Geburt gibt es (nach dieser biologischen und ethisch begründeten Auffassung) kein „von der Frau getrenntes Kind“.

Ethisch-rechtliche Konsequenz:

  • Nur die schwangere Frau selbst kann souverän über den Verlauf der Schwangerschaft entscheiden. Regelungen u.a. zu Schwangerschaftsabbruch oder zu „Sektio aus ‚kindlicher Indikation'“ widersprechen dieser ethischen Auffassung.
  • Mutterschaft kann nicht ‚gemietet‘ werden. Die Frau, die ein Kind gebiert, ist seine Mutter, mit allen daraus abgeleiteten Rechten.
  • Unmittelbar nach der Geburt ist ein Kind ein Mensch und hat dann ein Recht auf Unversehrtheit: dazu gehört das Mikrobiom der Mutter, das übertragen werden muss) und die Ausprägung seines Stammhirns (durch Bonding über Tage, Wochen und ggf. Monate).

(B) Die religiös-ideologische begründete Gegenposition:
„Embryo = Kind = potentieller Mensch, der in einem Behältnis wohnt“.

Wird ein Embryo (nach Befruchtung durch IVF oder Insemination „in einer“ Frau) als ein von der Frau getrenntes menschliches Wesen definiert (als „ein Kind“), dann sind die Rechte der Frau, über ihren Körper selbst zu entscheiden, zwangsläufig eingeschränkt. Nach dieser ethischen Auffassung besitzt „das Kind“ eigene Rechte (z.B. das der Unversehrtheit). Ab der Zeugung (im Sinne der Vereinigung männlichen und weiblichen Gen-Materials z.B. in einem Labor vor der Übertragung auf eine „Leihmutter“) ist ein Embryo bereits ein Rechtsobjekt, das Dritten gehört. Dieses Objekt (im Eigentum anderer) wird einer Vermieterin zur sicheren Aufbewahrung übertragen. Diese muss dann dafür Sorge tragen, dass ihr Mieter nicht gefährdet wird.

Ethisch-rechtliche Konsequenz:

  • Besitzer des Embryo, Staat, Kirche u.a. können über die Gesundheit und Unversehrtheit des Embryo bestimmen. Die schwangere Frau hat nur Mitbestimmungsrechte. Abtreibung wäre nur in Lebensgefahr mit dieser Ethik vereinbar.
  • Mutterschaft kann ‚gemietet‘ werden. Die Frau, die ein Kind gebiert, ist nicht seine eigentliche ‚genetische‘ Mutter. Sie muss das Kind abgeben. Bonding und Stillen sind bedeutungslos.
  • Reproduktions-Unternehmen dürfen in Leihmütterverträgen detailliert Bedingungen festgeschrieben (u.a. Abtreibungsverbot, z.B. bei Mehrlingen, Sektio z.B. bei Blasensprung und unreifem Kind, Verhaltensvorschriften uva.)
  • Geborene Kinder gelten als fertige Menschen, und können deshalb unmittelbar nach der Geburt abgegeben werden (bis man sie abholt oder auch nicht). Kinder die dabei die einzigartige Chance der Stammhirnprägung durch Mikrobiom und Bonding verpassen (das so genannte „window of opportunity“), werden lebenslang mental und immunologisch gestört sein.
  • In logischer Konsequenz des Machbaren, wurde die ‘Whole body gestational donation’ (WBGD) vorgeschlagen (deutsch „Ganzkörper-Spende“ oder „Leih-Leiche“). Da der Embryo ein (im Prinzip) fertiges Kind sei, könne man es auch in einen toten Inkubator setzen: „… Wenn wir Organspenden im Allgemeinen akzeptieren, sind die Fragen, die die Ganzkörper-Gestationsspende aufwirft, eher Unterschiede im Ausmaß und keine grundlegend neuen Bedenken. Darüber hinaus zeige ich einige faszinierende Möglichkeiten auf, darunter die Verwendung männlicher Körper – und damit vielleicht die Umgehung einige potenzielle feministische Einwände zu umgehen.“ (Smajdor 2022)

Dieser Art von „Neo-Reproduktions-Ethik“ fehlt der Bezug zu dem, was naturwissenschaftlich betrachtet, bei der Menschwerdung geschieht.

Beispiel Florida / USA

In Florida wurden die Möglichkeiten legaler Abtreibungen radikal eingeschränkt

Wenn aber ein Embryo/Fet ein Kind oder eine Person sei, also ein Rechts-Objekt, dass sich in einem Behältnis befinde, so folge: „An unborn child has rights independant of its mother, even so it’s still in the womb.“ (The Guardian 27.02.2023). Schwangerschaftsbrüche dagegen verletzten die Rechte des „ungeborenen Kindes“ (und ggf. die Rechte Dritter). Sie werden deshalb seit April 2022 (aus medizinischen Gründen) nur noch bis zur 15. Woche gestattet (statt bis dahin bis zur 24. Woche), und grundsätzlich nur unter strengsten Restriktionen (Florida State Facts 2022npr 14.04.2022). „Leihmutterschaft“ wird dagegen in Florida kommerziell legal betrieben:

Biologie der Entwicklung menschlichen Lebens

„Using a surrogate mother“ (Eine Leihmutter benutzen), bei Mietkosten zwischen 20-50.000€ (oder sehr viel mehr), je nach Herkunftsland. Screenshots aus surrogatemothers.com und https://www.worldcenterofbaby.net

Rechtliche und ethische Bewertungen (wie die zitierten) erfordern die Bildung von Kategorien. Religiöse oder philosophische Kriterien (z.B. was ein Kind sei) können solche Definitionen scheinbar vereinfachen.

Eine naturwissenschaftliche Betrachtung dagegen eröffnet die Sicht auf hochkomplexe, ungetrennt-fließende, dynamisch-wechselwirkende Vorgänge bei der Entstehung von Leben in lebenden Systemen.

Biologischen Begriffsbildungen, die Lebensvorgänge beschreiben, kommt daher immer nur eine relative Bedeutung zu. Sie bleiben so lange bestehen, wie sie nützlich zu sein scheinen, um bestimmte Aspekte eines Gesamtzusammenhanges besser zu verstehen. Oder sie werden, auf der Basis neuer Erkenntnisse wieder verworfen. Die Definition einer „prinzipiellen Trennung“ biologischer Prozesse macht aus physikalisch-chemischer Sicht keinen Sinn.

Biologisch betrachtet sind Menschen (grob vereinfacht) hochkomplexe, strukturierte Ansammlungen von Eiweißen (und wenigen mineralischen Ablagerungen), deren Zwischenräume mit Wasser angefüllt sind. Menschen-typische Zellen, Viren (Virom) und Bakterien (Mikrobiom) bilden intensiv mit einander verwobene Organellen und Organe. Und sie formen schließlich den übergeordneten Superorganismus, der mit den Ökosystemen der Außenwelt in Beziehung und Austausch steht. Ererbte Programme und Steuerimpulse ermöglichen es dem Organismus mit variablen äußeren Einflüssen in Resonanz zu treten, um so (im Zusammenklang von Körper und Psyche) ausgestaltend geprägt zu werden.

Genetik

Seit 2003 (mit dem Abschluss des Human Genome Project) ist bekannt, dass das menschliche Zellkern-Genom aus 20-25.000 Genen besteht (etwas mehr als 3.000 Millionen Basenpaare, Mbp):

  • Fast soviel Bp viel wie beim Buckelwal (3.600 Mbp),
  • dreimal so viele Bp wie die „Wanderdrossel“ (1.300 Mbp),
  • fünfmal weniger Bp als die „Gewöhnliche Gebirgsschnecke“ (16.000 MBp) (Itgen 2022)

Mindestens 75% des menschlichen Genoms besteht aus „Junk“, der kein Eiweiß kodiert. Chromosomen (die die Gene enthalten) gleichen also Instrumenten, die über nur relativ wenige Saiten verfügen, dafür aber über einen um ein Vielfaches größeren Klangkörper.

2008 wurde der Genvergleich zwischen Schimpansen und Menschen am Sanger Institute abgeschlossen. Menschen- und Affen-Gene stimmen weitgehend überein. Unterschiede fanden sich vor allem bei „copy number variations“ in Genregionen, in denen das Genom extrem instabil ist. Das galt vor allem für Gene, die die Reaktionen des Immunsystems kodieren, oder die die Zellvermehrung kontrollieren.

Die Zahl der menschlichen Proteine (die genetisch programmiert werden müssen) liegt bei zwei Millionen (Proteinatlas). Die etwa 23.000 Gene, die hälftig von der Frau und dem Mann stammen, machen also nur einen Teilaspekt dessen aus, was ein Mensch nach der Geburt sein wird. Die Auffassung des vergangenen Jahrhunderts, dass „ein Kind“ durch die Summe seiner Zellkern-Gene festgelegt sei, macht aus naturwissenschaftlicher Sicht keinen Sinn mehr.

Mitochondrien DNA

Die Mutter vererbt neben ihrem Zellkern-Genom zusätzlich ein intra-zelluläres Genom: die ringförmige Mitochondrien-DNA (16,5 Kbp). Sie ist 100% Homo sapiens typisch, während das Zellkern-Genom auch (männlich vererbte) Gene anderer Früh-Menschen enthalten kann. (Forster 2004).

Die Mitochondrien-Aktivität spielt insbesondere in den ersten Tagen der Embryonalperiode eine entscheidende Rolle. Sie wird besonders leicht durch Belastungen gestört, wie Umwelt-Gifte, Nikotin, chemische Substanzen, Immun-stimulation, Stress, Fehlernährung u.v.a.).

Mitochondriale Erkrankungen spielen bei ungewollter Kinderlosigkeit eine zentrale Rolle. (Kloptock 2021)

Hélène Delforge, Quentin Gréban: Mama. Ars edition, München 2019, ISBN 978-3-8458-2992-0

Epi-Genetik

Die Zellkern-Genetik (vererbt zu je 50% von Frau / Mann) ist nur ein Teilaspekt der Menschwerdung. Sie gleicht einem noch verpackten Modellbaukasten im Kaufhaus. Die Menschwerdung ist nicht etwas gegebenes, sondern ein Prozess miteinander wechselwirkender Aspekte einer Funktionseinheit. in der angelegte Möglichkeiten ausgestaltet werden können. Diese Prozesse sind hoch-komplex und werden erst allmählich durch die Erforschung der Prägung des Genoms (Epi-Genetik) verstanden. Das aus dem Baukasten entstehende muss intensiv bespielt werden damit es sich ausformen und klingen kann.

Vorgeburtliche Umwelteinflüsse hinterlassen lebenslange Spuren. Sie können ggf. auf weitere Generation vererbt werden. (Bale 2022, Boškovi 2018)

Die vererbte Genaktivität des Embryo / des Feten wird durch epigenetische Prozesse beeinflusst, ohne das Genom selbst zu verändern. Das geschieht u.a. durch die Methyllierung von DNA-Cytosinbasen, durch die Veränderung der Histon-Struktur und durch die Beeinflussung der Genexpression durch Mikro-RNAs. . Durch diese Veränderungen wird der ungeborene Organismus während der Schwangerschaft auf die künftigen Umweltbedingungen eingestimmt und optimal angepasst. Besonders der Glukose- und Fettstoffwechsel unterliegen epigenetischer Prägung. Der intrauterine Prozess der Beeinflussung insulin-sensitiver Gewebe und neuroendokriner Regelkreise kann im günstigen Fall einen Überlebens-Vorteil darstellen (z.B. bessere Anpassung an ein knappes Nahrungsangebot), oder auch ein lebenslängliches Risiko für metabolische und kardiovaskuläre Erkrankungen darstellen. Einer der Faktoren, die besonders störend auf epigenetische Prozesse einwirken, ist die Stressbelastung der schwangeren Frau, die u.a. zu hohen Cortisolspiegel führt (Szyf 2022). Die Art des Verlaufs der Schwangerschaft und die Beziehung der Frau zu ihren Körperfunktionen und zu ihrer Umwelt haben Auswirkungen auf die spätere Gesundheit, Krankheitsentwicklungen und Alterungsprozesse (Schrey 2016, Oblak 2021). Und auch auf die Entwicklung psychischer Störungen, wie Depression oder anderer mentaler Krankheitsbilder. (Senner-Goeke 2022, Alameda 2022).

Das Verhalten der schwangeren Frau wirkt sich intensiv auf das Ungeborene aus, und kann zu späterer zu Resilienz-Fähigkeit oder zu Labilität führen (Alam 2017) Das betrifft Ernährung, Medikamente-Einnahme, Suchtmittel-Gebrauch, Schlaf-Verhalten, Umgang mit Belastungen u.v.a.

Microchimerismus

Die lebenslange Funktion des Gehirns und die geistige Gesundheit werden entscheidend von Entwicklungsprozessen bestimmt, die vor der Geburt stattfinden. Während der Schwangerschaft von Säugetieren werden mütterliche Zellen auf den Fötus übertragen. Sie werden als mütterliche mikrochimäre Zellen (MMc) bezeichnet. Neben anderen Organen siedeln sich MMc auch im fötalen Gehirn an, mit noch ungeklärter Funktion. MMc ist ein funktioneller Mechanismus, der optimale Bedingungen für eine gesunde Gehirnfunktion im späteren Leben schafft. (Schepanski 2022)

Neurogenese

Während der Schwangerschaft wird die Ausbildung übergeordneter neuronaler Funktionen beeinflusst. U.a. die Besonderheit des menschlichen Gehirns (durch assoziative Neuprogrammierungen) phylogenetisch ältere Hirnfunktionen zu besänftigen. Menschen sind so (in Ruhe) in der Lage, von einem Gegenstand der Betrachtung zurückzutreten. Sie können innovative, intelligente Lösungen finden, die es bisher nicht gab. Oder sie können sich an immer wieder auftauchende bedeutungsvolle Stimulationen anpassen: an Sprache, Musik, Rhythmus.

Für die Entwicklung solcher Fähigkeiten scheint das letzte Drittel der Schwangerschaft besonders wichtig zu sein. Dann kommt es bei dem Feten zu einer Explosion der Einwanderung neuer, nicht mit Nervenbahnen oder Funktionen assoziierter Nervenzellen in das Gehirn. Diese noch unreife Neuronen-Population wird im Gehirn des Neugeborenen über Monate erhalten und stellte eine Interneuron-Reserve dar, ein Potenzial, das bei der Entwicklung des Gehirnes hilft, sie bahnt und das ggf. auch Reparaturleistungen gewährleisten kann. (McKenzie 2016, Queensland Brain Inst. 2022)

Durch die Signalgebung im Organismus der Mutter werden im Feten hochkomplexe Schwingungen, Rhythmen, Modulation und Klangfarben erzeugt, die (u.a. im Rahmen der Prozesse der Neurogenese) seine weitere Entwicklung bestimmen. (Huszár 2022)

Aus der Zwillingsforschung ist bekannt, dass Embryozellen „alles“ werden können. Dieses ist entscheidend wichtig für die Hirnentwicklung. Wir besitzen etwa 100 Billionen Neuronen, die im menschlichen Gehirn sinnvoll zusammen wechselwirken sollen. Entscheidend in der Funktionsausbildung dieses hochkomplexen Systems ist nicht nur, dass Neues rechtzeitig und richtig geschaffen werden muss. Sondern ebenso wichtig (oder vielleicht noch wichtiger) ist es, dass zahllose Verbindungen und Möglichkeiten, die sich als nutzlos erwiesen haben, wieder gelöscht werden. Die Ex-Formation ist bei der Hirnentwicklung mindestens ebenso wichtig wie die In-Formation. Beides formt das Gehirn im Zusammenwirken von Biologie und sozialen Einflüssen während der Schwangerschaft. Die Art, wie das geschieht ist noch weitgehend unerforscht. Besonders unlar ist noch die Bedeutung der Bindegewebszellen im Gehirn, die die Nervenzellen umgeben und ummantelten, und die das Flimmern von Nervenimpulsen bahnen oder dämpfen. (William 2022)

Neurowissenschaftler wie György Buzsáki beschreiben das heutige Nicht-Wissen hinsichtlich des Zusammenhangs frühkindlich-neuronaler Entwicklung als grenzenlos.

Mikrobiom

Während der Schwangerschaft, der Geburt und unmittelbar nach der Geburt erwerben Feten und Neugeborene ein zusätzliches Organ: ihr „Mikrobiom / Virom“. (Dhanaraju 2022). Es wird von der Mutter über die Plazenta, die Scheide, die Vor-Milch (das Kolostrum unmittelbar nach der Geburt) und durch das Stillen übertragen.

Die dabei transferierten Bakterien und Viren sind menschen-typisch. Ihre Funktion ist für die Kodierung der wesentlichen Eiweißprodukte des Körpers unerlässlich. Sie bilden mit dem Darm und dem Immunsystem eine Funktionseinheit. Nach der Ausreifung ihrer Funktionen sind sie mit dem Gehirn in Regelkreisen verbunden (sogenannte Psycho-Neuro-Endokrinologie). Die Art der Mikrobiom-Übertragung, oder ggf. ihre Störung, wirken sich lebenslang aus. (Jäger 2022)

Bonding und Stillen

Die Geburt wandelt die un-getrennte Einheit aus Fetus und Schwangerer in ein gemeinsames Leben zweier selbstständiger Wesen (Symbiose).

Beim Kind sorgt die Dehnung der Lungen für eine schlagartige Umstellung des Kreislaufsystems. Sein Gehirn beginnt, durchflutet von Noradrenalin, Informationen aufzusaugen wie ein Schwamm. Nerven, Bewegungsapparat und innere Regulations-Kreise beginnen sich in ständiger Rückkopplung auszuformen. Die Zell-Rhythmen differenzieren sich, und mit ihnen entwickeln sich Darmfunktion und Immunsystem.

Zugleich erlebt die Mutter eine drastische Umstellungsphase: die Östrogen-, Progesteron- und Cortisol-Spiegel fallen ab, und die Adaptation an das Leben ohne Schwangerschaft verändert das Gehirn und die Immunfunktion. Beide Beziehungspartner, die sich jetzt aufeinander einstellen müssen, sind anfangs instabil, verletzlich und schutzbedürftig.

Die zuvor verbundenen und jetzt getrennten Menschen sind atmende (lateinisch „spirituelle“) Wesen, deren Bewusstheit sich in Interaktionen innerer Bewegungen und äußerer Einflüsse entwickelt und verändert. (Trevarthen 2016) Die Biologie ihrer Systeme wird von dynamischen Wechselwirkungen bestimmt, die sich miteinander in Resonanz verbinden. Teilaspekte, wie die Oxytocin-Wirkungen in beiden Menschen oder die Myelinisierung des Vagusnerven (und anderer essentiellen Neuronenverbindungen) im Neugeborenen, oder die Entwicklung von Darmfunktion, des Mikrobioms oder des Immunsystems, sind durch Beziehungen, Wechselwirkungen und Streueffekte miteinander verbunden. Schwangerschaft ist ein „bio-psychologisches Geschehen“ (Janus 1997). Schwangerschaft kann, wenn sie sich störungsfrei entwickeln kann, zu dem führen kann, was Menschen in besonderer Weise von Tieren unterscheidet:

Wesen zu sein, die intensive Bindungen eingehen und sozial kompetent handeln können.

Der Grundstein für diese Fähigkeiten wird im Schwangerschaftsverlauf, während der Geburt und in den ersten Lebensmonaten gelegt.

Wird Bonden und Stillen verhindert (wie gemäß vieler Leihmutterverträge geschieht) wird die initiale Prägung von Nerven- und Immunsystem entscheidend gestört. Eine „reine Pflege“ der Kinder bis zu ihrer Abholung (die sich lange verzögern kann) beschränkt sich dann auf:  „Windeln und Kunst-Standard-Milch verfüttern“. Was dabei entstehen kann, wurde in einem Massenversuch in Rumänien im Heim Cighid ausgetestet:

Der Prozess der Bindung zwischen Mutter und Kind (als Einheit und nach der Geburt als Symbiose) erschließt sich aber nicht allein aus der wachsenden Menge experimentell-gewonnener, naturwissenschaftlicher, publizierter Informationen.

Denn das Aufkeimen der menschlichen Psyche und Körperlichkeit berührt sehr grundsätzliche, ethische, philosophische, religiöse Fragen nach dem Wesen menschlicher Existenz und ihrer Zukunft.

„The nine months of intrauterine development and the first three years of postnatal life are appearing to be extremely critical for making connections among neurons and among neuronal and glial cells that will shape a lifetime of experience.” (Faa 2014).

Technische Möglichkeiten

Die Erfolgsrate für Lebendgeburten liegt nach Register-Angaben bei 24-30% (Fauser 2018). Unabhängige, systematische, langfristig angelegte Studien zu Nutzen und Risiken von In-Vitro-Fertilisationen fehlen (Fauser 2021). Sie wären bei der Variabilität von Lebensumständen (Stress u.v.a.) und Verhalten (Nikotin u.v.a.) auch nur schwer durchführbar. Bei IVF-Kindern scheinen die Risiken für angeborene Fehlbildungen, epigenetische Störungen, Chromosomenanomalien (insb. X/Y), Subfertilität, Krebs, verzögerte psychologische und neurologische Entwicklung und Stoffwechselstörungen erhöht zu sein. (Esteves 2018, Fauser 2014) Zu Lebenserwartung und Erkrankungen im Alter fehlen die Erfahrungen.

Claire Bretécher: „Le destine de Monique“ (1983). Monika das Wunschkind rororo (1985)

Die intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI) ist heute möglicherweise die am häufigste verwendete Methode der Befruchtung bei der assistierten Reproduktionstechnologie. ICSI soll mit geringeren Versagens-Raten bei der Befruchtung verbunden als die IVF. (Rubino 2015)

Inzwischen ist es möglich, auch Mitochondrien zwischen lebenden Zellen zu „transplantieren“ (Gäbelein 2022). Die Technik „mitochondrial replacement therapy“ wurde seither mehrfach eingesetzt, um die Erfolgsraten von ICSI zu erhöhen, und führte 2016 zur ersten Geburt eines Kindes mit drei Eltern (NewScientist 23.09.2016). Dabei wird ein vom Zytoplasma gereinigter Zellkern (von einer Mutter) in ein (mitochondrien-haltiges) Eizell-Zytoplasma einer zweiten Mutter injiziert, aus der zuvor der Zellkern entfernt wurde. Anschließend wird dann in diese modifizierte Eizelle (zweier Mütter) das männliche Sperma injiziert (ICSI). Der resultierende Embryo wird anschließend auf eine der beiden Mütter übertragen. Oder in den Uterus einer „Leihmutter“ eingeführt (Vier-Elternbaby). (Farenzi 2020)

Indikationen für steigende Nachfrage

Unerfüllter Kinderwunsch ist weltweit ein zunehmendes, gesellschaftlich relevantes Problem. Etwa 40 Jahre nach der klinischen Einführung wurden mehr als acht Millionen IVF-Kinder geboren. Jährlich werden über 2,5 Millionen Zyklen durchgeführt, die zu mehr als 500.000 Entbindungen pro Jahr führen sollen. (Fauser 2018)

Die Reproduktion basiert auf Rhythmen unterschiedlicher Zellen des Gehirns und des Genitale, die in ihrem Funktionszusammenhang leicht gestört werden können: insbesondere durch Stress, Unsicherheit und psychische Störungen. Vielen Jugendlichen fällt es heute schwer, in ihre persönlichen Rollen zu finden. (Franklin-Hall 2012) Und die Unsicherheit im Übergang zum Erwachsenen-Leben wird zunehmend medikalisiert und kommerzialisiert. (Lenzen-Schulte 2022)

Belastend für die natürliche Funktion reproduktiver Regelkreise sind auch Umweltbelastungen, lang-dauernde Medikamenteneinnahmen, Genuss- und Suchtmittelgebrauch. Insbesondere der Nikotin-Konsum hat seit 2020 drastisch zugenommen: auf 41% bei 25+ und 16% bei 14-17 Jährigen. Debra 2022)

Rein körperbezogene Beeinträchtigungen (wie Infektionsfolgen, Endometriose u.ä.) sind als Ursache ungewollter Kinderlosigkeit deutlich seltener.

Dem zunehmenden Bedarf bietet sich ein wachsender Markt technischer Möglichkeiten an. Der Suchbegriff „surrogate mother“ fand am 01.01.2023 bei Google über 21 Million Einträge, bei dem Begriff Leihmutter waren es etwa eine halbe Million Einträge.

Der Kommerz-Dynamik der Machbarkeit hinkt die Ethik hinterher (so wie bei vielen medizinischen Blog-Bustern). Der Markt ist meist bereits etabliert, und wuchert dann dynamisch, bevor er reguliert werden kann. (siehe Links)

Gesundheit der Leihmütter

Dienstleister-unabhängige, systematische Studien zu den gesundheitlichen und psychologischen Auswirkungen bei „Leihmüttern“ weisen entweder methodische Mängel auf, oder sie fehlen, zum Beispiel bei grenzüberschreitender Leihmutterschaft. (Söderstrom-Antilla 2015) Die häufigsten Aussagen auf der Suche nach verwertbarer Literatur lauteten sinngemäß: „It is concluded that further systematic research is required …“ (Edelmann 2003)

Leihmütter stellen nicht nur Organe gegen Bezahlung zur Verfügung. Sie lassen sich darüber hinaus auf einen Prozess ein, der ihre Körperlichkeit hormonell, immunologisch und psychisch wandelt. Lange vor dem Eingriff sind regelmäßige Untersuchungen und diagnostische Interventionen nötig. Gefolgt von ovarieller Stimulation, und im Fall von Eizell-Spenden auch laparoskopischen Eingriffen. Kurzzeitige Risiken dieser Interventionen können erheblich sein (Überstimulationen, intra-abdominale Verletzungen, nosokomiale Infektionen uva.). Langfristig können durch Schwangerschaft und Geburt (ggf. durch Kaiserschnitt) bleibende, chronische Gesundheitsstörungen ausgelöst werden (uva. Erkrankungen der Niere, Leber, Bauchspeicheldrüse, Immunfunktion uva.)

Auch die psychischen Auswirkungen sind möglicherweise erheblich. Denn unbewusst-widerstreitende Einstellungen zu einer Schwangerschaft sind normal, auch wenn die Entscheidung dafür bewusst getroffen wurde. Hormonell, psychologisch, sozial ausgelöste Zweifel, Unsicherheiten und Konflikte können aber, ohne den Leihmuttervertrag zu verletzen, weder durch eine Entscheidung zum Abbruch gelöst werden, noch können sie zu einem eindeutigen Gefühl inniger Verbindung führen (im Sinne von Mutterschaft). D.h. die Frau trägt ggf. einen Feten aus, den sie ablehnt (was sich epigenetisch auswirken muss), oder ihr wird später „ihr“ Baby abgenommen, mit dem sie sich untrennbar verbunden fühlte.

Gestandete ‚Leihmutter‘-Kinder in der Ukraine. 2020 wegen „Corona“ und 2022 wegen des Krieges. Bleibt Bonding aus, werden Kinder in ihrer neuronalen und immunologischen Entwicklung schwer gestört. Screenshots: spiegel.de und tagesschau.de aufgerufen am 17.01.23.

Der körperlich-immunologisch-psychologische Prozess des Bonding entfällt in der Regel im Rahmen der Vertragsbeziehung. Würde (oder müsste) das Bonding toleriert werden (durch verzögerte Übergabe, Beispiel Ukraine 2022), vergrößerte sich das Trauma der Trennung für beide Beteiligte.

Von Anfang an ist daher eine Einbeziehung von Psycholog:innen oder Psychiater:innen „in der Vorbereitungsphase, der Schwangerschaft und nach der Geburt von entscheidender Bedeutung“ (Schwartz 2007)

Recht

Verbindliches Recht und ethische begründete Regeln unterscheiden sich weltweit erheblich. Viele Aspekte der Reproduktionsmedizin wie Forschung an oder Handel mit Embryonen, Schwangeren- und Mutterschutz, Schwangerschaftsabbruch, Leihmutterschaft u.v.a. sind können sehr unterschiedlich und willkürlich geregelt sein. Abhängig von gesellschaftlich, kulturell, religiös und kommerziell vereinbarten Grenzen in biologischen und sozialen Prozessen, die in der Realität fließen und sich dynamisch verändern. Begriffe wie Kind, Mutter, Geburt, Rechtsperson, Rechtsobjekt u.v.a. sind deshalb nicht biologisch eindeutig „wahr“, sondern müssen gesellschaftlich immer wieder neu ausgehandelt und definiert werden.

Dabei ergeben sich dann u.v.a. Fragen wie

  • Ist die Vermieterin rechtlich haftbar, wenn dem „Besitz anderer“ durch ihr unachtsames Verhalten ein Schaden zugefügt wird? Sie die Verträge, die die Frau dazu mit Unternehmen unterzeichnet rechtlich bindend? Oder nichtig weil sie unethisch sind.
  • Kann z.B. die Annahme des Kindes bei Nicht-Gefallen (z.B. alkoholbedingtem Schaden) verweigert werden? Wenn ja, wer kümmert sich dann um das Kind? Der Staat?
  • Kann eine Frau bei Frühgeburtsbestrebungen einen von Kinderärzten verlangten Kaiserschnitt verweigern? (Oder: Hat die mütterliche Gesundheit Vorrang vor der „kindlichen“?)
  • Liefert die Frau ein fertiges Produkt ab, das bis zur Geburt nur ihr gehört?
  • Wird durch die Toleranz von Praktiken der Leihmutterschaft grenzüberschreitender Menschenhandel legalisiert?
  • Wer haftet bei Schäden? Insbesondere bei langfristigen Gesundheitsproblemen der Frau oder Entwicklungsverzögerungen des Kindes? (Web-Site von Betroffenen)

Aus meiner Sicht des juristischen Laien sind folgende Rechts-Begriffe besonders bedeutend

  • Das Recht auf Leben und Unversehrtheit (Art. 2.2 GG für die schwangere Frau als ganzes Wesen).
  • die Haftung der medizinisch, politisch und technisch für Eingriffe und Interventionen verantwortlichen Personen.
  • das Verbot von Menschen-(Kinder)-Handel.

Es muss also Sorge getragen werden, Risiken für das Auftreten von Schäden zu minimieren: Insbesondere bei den gesunden Frauen, die sich als „Leih“-Mütter anbieten wollen oder müssen. Frauen, die sich als Dienstleistende für die Reproduktionsmedizin anbieten, müssen transparent, im Detail, umfassend und dokumentiert aufgeklärt werden (am besten notariell beglaubigt), bevor sie sich auf die medizin-technischen Prozesse einlassen.

Weiterhin ist im Zusammenhang mit artifizieller Reproduktion auch das Adoptionshilfe-Gesetz von Bedeutung, das 2021 neu gefasst wurde. (bmfsfj.de) Gleichgeschlechtliche Paare werden hier weiterhin benachteiligt.

Evangelikale Ethik und Recht in den USA

1973 hatte der Oberste Gerichtshof der USA (mit 7/2 Stimmen) entschieden, dass das Recht der Frau auf einen Schwangerschaftsabbruch durch die US-Verfassung geschützt sei. 2019 verabschiedeten mehrere US-Bundesstaaten Gesetze, die Abtreibungen faktisch verboten. Schließlich wurde im Juni 2022 das Recht auf Abtreibung durch eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (mit 5/3 Stimmen) faktisch wieder abgeschafft. Christlich fundamentale Richter und Politiker berufen sich auf den ethischen Grundsatz, dass ein Embryo ein potentieller Mensch sei. Folglich wird von ihnen die Adoption von Embryonen propagiert.

Denn jeder vor dem „Erfrieren im Kühlschrank“ bewahrte Embryo zähle.

Dagegen wird die religiös-ideologische (Biologie & Physik widersprechende) Auffassung, dass ein Uterus nur ein Behälter sei, mit Bibel-Moral begründet. (s. beliefnet)

Evangelikal ausgerichtete Unternehmen sind weltweit im kommerziellen Embryonenhandel engagiert. Gerechtfertigt wird es mit dem Argument, Leihmutterschaft sei im Prinzip „vor Gott“ rechtens. Denn in der Bibel ist beschrieben, dass Abraham (und später auch Jacob), mit Gottes Segen, ihre Sklavinnen vergewaltigen durften, weil ihre Ehepartnerinnen unfruchtbar waren.

Zum Beispiel Hagar („die Fremde“, hebräisch הָ גָר Hāgār, arabisch هاجر Hadschar) eine ägyptische Magd, die Mann Abraham geschwängert wurde. (Genesis 16,10-11)

Obwohl also kirchen-moralisch nichts gegen Leihmutterschaft spreche, empfehlen einige Kirchenvertreter in den USA trotzdem, man solle vor dem Entschluss zur „Nutzung einer Mietmutter“ geistlichen Rat suchen:

„… We suggest that … Above all, pray over the decision. …
Wait for God’s clear direction and then proceed in faith …
in whatever way He calls.“ (Links s.u.)

Einheit „Frau“

Mutter oder Mutterschaft sind biologische Begriffe. Aus naturwissenschaftlicher Sicht gibt es keine „Leih-Mutter“. Der Schutz von Müttern und neugeborenen Kindern ist eine für die Gesellschaft vorrangige Aufgabe.

Wenn es durch kommerzielle Trends gelänge „Leben“ in einen Konsum-Gegenstand zu verwandeln, wäre ein „Mensch“ nur noch ein Produkt unter vielen anderen.

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Links

Dokumentation

Betroffene

Kommerz

Ergebnis unsystematischer Suche am 16.01.2023

Evangelikale Ethik

Ergebnis unsystematischer Suche am 16.01.2023

Literatur

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Letzte Aktualisierung: 29.08.2023