28. Juli 2014

Masern & Impfung

Jäger H: Längst keine Kinderkrankheit mehr.
Hebammenforum 2014; 15:644-646

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SIMBAV 2010

Masern werden durch eine Virusinfektion ausgelöst, die nur beim Menschen vorkommt. Das Virus aus der Gruppe der Morbilliviren mit einer besonderen Vorliebe für Lymphgewebe ist weltweit verbreitet und wird meist epidemieartig durch Tröpfcheninfektion übertragen. Die Inkubationszeit beträgt 8 bis 14 Tage.

Die Erkrankung beginnt mit uncharakteristischen Beschwerden im Nasen- und Rachenraum, Konjunktivitis und Bronchitis. Eventuell treten nach drei bis fünf Tagen Koplikflecken der Wangenschleimhaut auf. Nach einem Fieberabfall beginnt das Exanthemstadium mit erneutem hohen Fieber und typischem feinfleckigem Exanthem für drei bis vier Tage. Im Anschluss beginnt die Rekonvaleszenzphase mit Entfieberung und Schuppung der Haut. Komplikationen sind Mittelohr-, Kehlkopf-, Lungen- und Hirnentzündung. Nach fünf bis acht Jahren kann eine subakute sklerosierende Panencephalitis auftreten, die immer tödlich endet.

Die Prognose der Masernentzündung ist ohne Komplikationen gut. Das Risiko für schwere Verlaufsformen steigt bei Störungen des Immunsystems und bei höherem Lebensalter. Bei Komplikationen liegt die Sterblichkeit bei drei bis fünf Prozent. Nach durchgemachter Infektion besteht ein lebenslanger Schutz gegen einen Neuinfektion.

Eine ursächliche Behandlung der Masern ist nicht möglich. Eine effektive Unterstützung und Pflege der Erkrankten, kann jedoch – insbesondere bei mangelernährten Kindern in Entwicklungsländern – die Komplikationsrate deutlich senken. Eine Isolierung der Patienten wäre zwecklos, da Infizierte bereits zwei Tage vor Erkrankungsbeginn das Virus ausscheiden. Dagegen ist eine passive Immunisierung von gefährdeten Personen möglich, die das Risiko einer Erkrankung um über 70 Prozent senken kann.1,2

Schutzimpfung

Gegen Masern steht ein wirksamer Impfstoff Verfügung. Er besteht aus abgeschwächten (attenuierten) lebenden Viren, die bei den Geimpften eine milde Infektion auslösen. Die Gabe des Impfstoffs ist, wie bei allen Lebendimpfstoffen, in der Schwangerschaft untersagt. Die bei der Immunreaktion entstehenden Antikörper schützen nach einer einmaligen Gabe des Impfstoffes 95 Prozent der geimpften Personen vor einer Erkrankung, und das sehr lange, vermutlich lebenslang.

Die Impfung wird für Kinder nach dem zwölften Lebensmonat empfohlen und meist mit anderen Lebendimpfstoffen kombiniert (Mumps, Röteln, Windpocken: MMR, MMR-W). Eine zweite Impfung im zweiten Lebensjahr wird insbesondere aus Gründen des Bevölkerungsschutzes empfohlen.

Maserninfektionen könnten in einer Region vollständig verdrängt werden, wenn die Durchimpfungsrate 95 bis 98 Prozent betrüge. Das ist unter anderem in Finnland der Fall. In Ländern, in denen ein großer Teil der Bevölkerung geimpft wurde, die Erkrankung aber noch über Nichtgeimpfte oder über Personen mit ungenügender Reaktion auf die Impfung übertragen werden kann, verschiebt sich das durchschnittliche Erkrankungsalter nach hinten. Mit einem höheren Lebensalter der Infizierten steigt dann die Wahrscheinlichkeit von Komplikationen. Diese Situation trifft auf Deutschland zu, wo jährlich noch über 100 Fälle gemeldet werden.

Unerwünschte Wirkungen der Schutzimpfung

In Deutschland zugelassene Impfstoffe gelten als sicher. Wie bei allen wirksamen Medikamenten, die in dem komplexen System des menschlichen Organismus eingesetzt werden, sind Nebenwirkungen möglich. Allergische oder toxische Sofortreaktionen treten bis zu 20 Minuten nach der Impfung auf, sind aber bei kleinen Kindern mit ihrem noch unreifen Immunsystem sehr selten. Eine lokale Gewebeschwellung, gegebenenfalls mit Einblutung, kann vier bis zehn Stunden nach der Impfung entstehen und bildet sich dann innerhalb weniger Tage zurück. Ungewöhnliche Beschwerden und Erkrankungen, die im zeitlichen Zusammenhang mit einer Impfung stehen, sollten unbedingt dem Paul-Ehrlich-Institut (Bundesamt für Sera und Impfstoffe) in Langen gemeldet werden.

Die 1998 zuerst gestellte Frage, ob es einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Masernimpfung und dem Entstehen von autoimmunen Darmerkrankungen und von Autismus geben könnte, wird in wissenschaftlichen Untersuchungen verneint.2, 4, 10, 11 Bei Gesundheitsstörungen, die erst einige Zeit nach einer zunächst gut vertragenen Intervention auftreten, ist es jedoch in der Regel schwierig bis unmöglich, eine ursächliche Wirkungsbeziehung zu belegen oder auszuschließen. Dies gilt umso mehr, je später eine Störung auftritt, bei der ein Zusammenhang vermutet wird. Eine spezifische Wirkung einer Impfung ist monokausal und an der Senkung von Infektionsraten leicht messbar. Nicht-spezifische Wirkungen, die komplexe, eigendynamische Systemzusammenhänge wie die Immunreaktion günstig oder ungünstig beeinflussen können, sind nur schwierig beurteilbar.

Eine Analyse von insgesamt über 14,7 Millionen Informationen geimpfter Kinder (58 Studien) beschreibt die gute Schutzwirkung der Masernimpfung und das gleichzeitig bestehende, aber deutlich geringere Risiko für Fieberkrämpfe (1:1000), Thrombozytopenie und sehr selten auch aseptische Meningitis. Ein Zusammenhang zwischen der Masern-Röteln-Mumps-Impfung und Autismus, Asthma, Leukämie, Typ-1-Diabetes, Morbus Crohn und anderen Erkrankungen sei unwahrscheinlich. Allerdings seien Studiendesigns und Art der Meldesysteme für die Beurteilung von Sicherheit nach der Markteinführung von Impfstoffen unzureichend. 3 Demyelinisierende Erkrankungen* (wie zum Beispiel das Guillain-Barré-Syndrom) können im zeitlichen Zusammenhang mit Impfungen vorkommen, sind aber selten.5 Das Risiko für thrombozytopenische Purpura** wird auf 1:50.000 Impfungen geschätzt.1

Abwägung von Nutzen und Risiken

Aus Sicht des Bevölkerungsschutzes sollten 100 Prozent der Bevölkerung geimpft sein. Dann könnten bei älteren Kindern oder Erwachsenen, bei denen die Komplikationsrate in der Regel hoch ist, keine Maserninfektionen mehr auftreten. Eine sachliche und übersichtliche Abwägung des Nutzens und der Risiken der Masern-Mumps-Röteln-Impfung kann auf der Website des australischen Instituts für Immunisierung (NIRS) eingesehen werden.6

Institute

Literatur 2015

Literatur 2014

  1. Andrews N et al: A collaborative approach to investigating the risk of thrombocytopenic purpura after measles-mumps-rubella vaccination in England and Denmark. Vaccine 2012; 30: 3042-3046
  2. Chatterjee A, O´Keefe C: Current controversies in the USA regarding vaccine safety. Expert Rev Vaccines 2010; 9: 497-502
  3. Demicheli et al.: Vaccines for measles, mumps and rubella in children. Cochrane Acute Respiratory Infections Group, 15.02.2012
  4. Hornig et al.: Lack of association between measles virus vaccine and autism with enteropathy: a case-control study. PLoS One 2008; 3: e3140
  5. Karussis D et al.: The spectrum of post-vaccination inflammatory CNS demyelinating syndromes. Autoimmun Rev 2014; 13: 215-224
  6. National Centre for Immunization, Research and Surveillance: MMR Decision AID – Comparing the risk.
  7. Paul-Ehrlich-Institut für Arzneimittelsicherheit: Masernimpfstoffe.-www.pei.de/DE/arzneimittel/impfstoff-impfstoffe-fuer-den-menschen/masern/masern-node.html
  8. Robert Koch-Institut: Informationen zur Masernimpfung. www.rki.de/DE/Content/InfAZ/M/Masern/Medienpaket_Masern_2013.html
  9. Robert Koch-Institut: Hinweise für Ärzte zum Aufklärungsbedarf über mögliche unerwünschte Wirkungen bei Schutzimpfungen. Epidemiologisches Bulletin 25/2007
  10. Uchiyama T et al.: MMR-vaccine and regression in autism spectrum disorders: Negative results presented from Japan. J Autism Dev Dis 2007; 37: 210-217
  11. World Health Organization (WHO): Global Advisory Committee on Vaccine Safety. 12.-13.12.2007. WER 2008, 83: 37-44
  12. Young MK et al.: Post-exposure passive immunisation for preventing measles. Cochrane Acute Respiratory Infections Group, 14.08.2013

* Um zahlreiche Nervenbahnen in unserem Körper herum bilden Lipide, Proteine und Wasser eine isolierende Schicht (Myelin) – ähnlich der Kunststoff- oder Gummi-Isolierung bei einem Elektrokabel. Bei einigen Erkrankungen werden Teile dieser Myelinscheide zerstört, entweder im zentralen Nervensystem (Beispiel: Multiple Sklerose) oder im peripheren Nervensystem (Beispiel: Guillain-Barré-Syndrom).

Anmerkung der Redaktion HebFor:

** Blutplättchen (Thrombozyten) sind die Soforthelfer bei Wunden: Sie verkleben den Riss in der Gefäßwand und aktivieren das Gerinnungssystem. Sind zu wenige Blutplättchen im Blut (Thrombozytopenie), kommt es leicht zu Blutungen, darunter massenhaften punktförmigen Blutungen unter die Haut (Purpura). Bei Kindern tritt eine solche thrombozytopenische Purpura, die in der Regel immunologisch ausgelöst wird, in 90 Prozent der Fälle im Anschluss an einen durchgemachten Infekt oder nach einer Impfung auf. 60 Prozent der Patienten erholen sich innerhalb von vier bis sechs Wochen, 90 Prozent innerhalb von drei bis sechs Monaten. In schweren Fällen wird mit Immunglobulinen oder Glukokortikoiden behandelt, selten ist die Entfernung der Milz erforderlich. (Anmerkung der Redaktion)

Letzte Aktualisierung: 20.03.2021