6. Oktober 2024

Buddhismus

Inhalt

  • Chance für das Gute
  • Siddharta: Leben bedeutet Leiden
  • Ashoka: Buddhismus als Staatsreligion
  • Fusion: Menander
  • Gandhara
  • Brutto-Sozial-Glück
  • Aussicht

Aufruf zur Friedfertigkeit der Deutschen Buddhistischen Union 2024

Bodhisattva Maitreya: der große kommende Weltenlehrer, der Erlöser. Relief: 3.-4. Jh., möglicherweise aus Hadda (Afghanistan), 41 x 21cm. Privatbesitz, Foto: Jäger, 10/2024

Chance für das Gute

… Ruhe, Achtsamkeit, Wertschätzung, Meditation, Mit-Leiden, Gewaltfreiheit, Atem, Friede, Mit-Gefühl, Liebe … all diese Dinge sind wichtig. Sie können unsere Gesellschaft verändern.“ Thich Nhat Hanh (1926–2022). Zitat aus: ‚Innerer Frieden, äußerer Frieden‘. Patmos 2022

Thich Nhat Hanh lebte als Zen-Buddhist in Vietnam. Der Mensch sei gut und fähig zu Beziehung, Verbindung und Harmonie.

Seine Religion könne Menschen von ihrem zerstörendem Verhalten abbringen. Dem Buddhismus werde es gelingen, menschliche Gesellschaften zum Besseren führen.

Ist das so?

Rückblick

Siddharta: Leben = Leiden

Boddisattva Maitreya. Relief-Ausschnitt, Foto: Jäger 2024

Siddhartha Gautama, der Gründer des Buddhismus, soll um 500 v.u.Z. in Nord-Indien gelebt haben. Er gehörte der Kaste der Kshatriya an, der Krieger und Könige.

Seine Lehre fußt auf dem Brahmanismus. Dessen Gewissheit „Es ist!“ setzte er die Negation entgegen: „Es ist nicht!“. Er betonte das Leiden, das es zu überwinden gelte.

Wie die etwas ältere (ebenfalls nord-indische) Entsagungsreligion Jain (जैन) des Mahavira konnte er in der Lust am Leben keinen tieferen Sinn erkennen.

Zweieinhalb Jahrtausende vor der Neurowissenschaft beschrieben Mahavira und Siddharta ‚Ich-Konstruktionen‘ als aktiv gestaltete Prozesse, die bei wachem Bewusstsein auch gelassen werden könnten. (Metzinger 2023)

Die Existenz externer Gottheiten war für beide verzichtbar. Nicht aber die eindeutige Wahrheit:

Beide glaubten jeweils ganz genau zu wissen, wie die Realität wirklich sei.

Siddharta empfahl einen lebens-praktischen Entsagungsweg, der für viele attraktiver war als der kompromisslose Verzicht des Mahavira.

Ashoka: Buddhismus als Staatsreligion

Ashoka eroberte während seiner Regierungszeit von 268 bis 232 v.u.Z. fast den gesamten indischen Subkontinent. Ohne ihn wäre der Buddhismus, wie so viele andere Sekten seiner Zeit, in der Vergessenheit versunken. (Frowde 1901) 

Er erbte das Reich, das seine Großvaters Chandragupta Maurya (350–295 v.u.Z.) gegründet hatte. Dem war als junger Warlord (infolge einer Palast-Intrige) die Herrschaft über Nordindien zugefallen. Zur Absicherung seines Militärputsches nahm er die Negativ-Leidens-Religion des Jainismus an. Er schloss einen Friedensvertrag mit dem mazedonischen General Seleucos I. Nikator (~ 358–281 v.u.Z.) in Persien. Man tauschte Botschafter und Kriegstechnik aus, heiratete untereinander, und einigte sich bzgl. der Herrschaftsbereiche. Die Tochter von Seleucos wurde dann Ashokas Großmutter.

Nach seiner Machtübernahme wird Ashoka als sehr erfolgreicher, brutaler, gieriger und rücksichtsloser Militär beschrieben. Erst nach einem letzten blutigen Sieg verlangte es ihn plötzlich nach Frieden. Denn er suchte nach einer Ideologie, die sein Riesenreich stabilisierte, viele Völker zusammenhielt und Unruhen vorbeugte. Den Brahmanismus hatte er (in der Tradition des Großvaters) bekämpft, und auch die extrem-asketische Jain-Religion Chandraguptas lehnte er ab. Vielleicht, weil sie zu friedfertig war? Stattdessen wählte er die Lehre einer bis dahin unbedeutenden Sekte (aus der Kriegerkaste), organisierte ein Konzil und erklärte den Buddhismus anschließend zur Staats-Ideologie.

Anschließend entsandte er Missionare über die Seidenstraßen-Wege nach Persien, Baktrien, Mazedonien, Griechenland, Ägypten, Nordafrika. Und ließ die Berichte dieser Missionsreisen in Säulen meißeln.

Nach seinem Tod wurde seine Dynastie wenig später von den General Pushyamitra Shunga (185-149) gestürzt. Shunga bekämpfte den Buddhismus. Er wandte sich wieder den Ritualen des Brahmanismus zu. In der von ihm beauftragten Kunst ließ er Lebens-Lust, Erotik und Sexualität feiern, zumindest die der herrschenden Elite. Den Hindu-Nationalisten in Indien gilt er heute als Erretter der ursprünglichen Religion Indiens, als ein mutiger Held im Kampf gegen ausländische Invasoren.

Von Shunga verfolgte Buddhisten flohen, Hilfe suchend, zu den Königen des benachbarten griechischen Großreiches, im heutigen Afghanistan.

Dort glaubte man an die mazedonisch-kleinasiatische Muttergöttin (Kybele) und den jugendlichen Lichtgott (griechisch Apoll, indisch Surya: „das Gute, das strahlt“), eine Religion, die vielleicht vor über 8.000 Jahren in Kleinasien entstand. (Um 250 n.u.Z. wurde dieser Glaube in Rom zur Staatsreligion erhoben, und um 300 n.u.Z mit dem Christentum verschmolzen)

Die Griechen in Baktrien hatten über einhundert Jahre gute nachbarliche Beziehungen mit Nord-Indien. Ein Beleg dafür ist die Entstehung des Schachspiels. Die asketischen Denkweisen der „Gymnaso-Philosophen“ im Osten waren den Griechen vertraut.

Menander: Konzil des Mahayana-Buddhismus

Der spätere Großkönig Menander wurde um 200 vor unserer Zeit in einem Dorf ‚Kalasi‘ in der Nähe von ‚Alasanda‘ geboren. (Quelle: Milindapanha 140 v.u.Z) Alsanda oder Alexandria im Kaukasus (heute Bagram) war eine der wichtigsten Residenzen baktrischer Könige.

Cybele Baktrien
Der Heiland (Sôtir, Soter) oder Sonnengott (Surya) als Sohn der großen Mutter, Ai-Khanoum, Baktrien, 200 v.u.Z.: https://www.youtube.com/watch?v=S-sViEj1HhI

Als er noch in seinen Windeln lag, beeilte sich der griechische Großkönig Demetrius I von Baktrien (reg: 200–167 BC), den Buddhisten zu Hilfe zu eilen. Ihm erschien die Situation einmalig günstig zu sein, zum mächtigsten König des griechischen Kulturraumes aufzusteigen.

Demetrius I von Baktrien, ließ sich als Sôtir (Soter, Heiland, Erretter, Sonne) auf seine Münzen prägen. Und als ein Feldherr mit entschlossenem Blick unter einem Helm in Form eines Elefantenkopfes.

Er verlor keine seiner Schlachten und galt als ‚unbesiegbar‘. In relativ kurzer Zeit eroberte seine Armee den Nord-Osten Indiens bis etwa Mathura (in Uttar Pradesh).

Möglicherweise hätte er die Shunga-Dynastie stürzen können, wäre ihm nicht Eucratides (reg. 171–145 v.u.Z.), ein General des letzten Seleukiden-Herrschers Antiochus IV, in den Rücken gefallen.

Dass dies geschehen konnte, hängt möglicherweise mit dem weit entfernten, ersten Heiligen Krieg der Weltgeschichte zusammen, dem ersten Makabäer Aufstand von 168 bis 164 v.u.Z. Denn die dort unerwartet erfolgreichen Gotteskrieger banden den seleukidischen Großkönig im Westen seines Riesenreiches. Das ermöglichte seinem, zum Grenzschutz in den Osten entsandten, General, sich eigenmächtig als König von Baktrien aufzuschwingen. Demetrius I von Baktrien musste aus seinem Indien-Abenteuer zurückeilen. Während dieses Rückzuges starb er, aus unbekannten Gründen.

Menander soll als Sohn des daraufhin regierenden Königs Demetrius II aufgewachsen sein. Als der von dem vorrückenden Eucratides in Baktrien ermordet wurde, musste der jugendliche Menander in das griechische Nachbarreich des Agothocles (heutiges Pakistan) fliehen, um nicht als nächster umgebracht zu werden. Das Asyl wurde im dort gerne gewährt, weil dort dem König ein Sohn fehlte, und er die Tochter an einen fähigen Heerführer verheiraten wollte. Durch diesen glücklichen Zufall erbte Menander Königreich und Armee. Als kluger Stratege beschloss er, sich nicht um Eucratides zu kümmern. Sondern brach nach einiger Vorbereitung auf, um das Vorhaben von Demetrius I zu vollenden.

Unterstützt von der Ideologie und den frommen Wünschen der Buddhisten zog er als Sôtir (Soter, Heiland, Sonne oder Surya) nach Osten, um das Shungareich zu zerstören. Nach einem tatsächlich sehr erfolgreichen Feldzug verlegte er seine Hauptstadt dann nach Sāketa (Ayodhya im Norden Indiens).

Von dort drängte er weiter nach Osten und eroberte die Hauptstadt des Shungareiches Patliputra (Patna), zog sich aber nach kurzer Zeit wieder zurück. Vielleicht hatte er erfahren, dass inzwischen das Nomadenvolk der Yuezhi (nach dem Tod des Eucratides) Baktrien übernahm. Vielleicht erschien es ihm ratsam zu sein, seinen riesigen Herrschaftsbereich zu sichern und ihn nicht durch neue Abenteuer zu überdehnen.

In dieser Zeit der Konsolidierung berief er um 140 v.u.Z ein Konzil mit buddhistischen Mönchen.

Das Protokoll dieser Versammlung ist als Sanskritfassung um 130 v.u.Z. vollständig erhalten (s. Lit). Zum Vergleich: die älteste Fassung der Bibel ist fünfhundert Jahre jünger: Codex Sinaiticus.

Menander wechselte bei diesem Konzil nicht einfach seine Religion, so wie es Ashoka getan hatte. Vielmehr ernannte er sich selbst zum obersten Erleuchteten (Dharmaraja) und integrierte so die Sôtir (Soter – Heiland – Sonne) Religion in den Buddhismus.

Diese neue Form des Buddhismus wandte sich den Alltagssorgen des Volkes zu: In Form eines erleuchten, heiligen, selbstlosen Führers, der die Menschen zum Guten leite.

„… Der König ließ ein Kloster mit Namen «Milindakloster» erbauen … durch Entfaltung des «Klarblickes» (vipassanā) errang er die Heiligkeit. “ Milindapanha

In den Buddhismus hinein war nun der mitleidende Bodhisattwa Maitreya geboren. Und dessen Heilsbotschaft wurde über weite Teile Afghanistans, Pakistans und Nordindiens verbreitet.

Die Geschichtsschreibung Europas ignorierte (oder vergaß) Menanders Bedeutung. Vielleicht, um seine Bedeutung für das Christentum zu verschleiern?

Ohne ihn (und die vielen Anhänger der neuen Lehre in seinem riesigen Herrschaftsbereich) wäre die Religionsgeschichte in China, Indien, Europa und Arabien anders verlaufen.

Dieses Bild hat ein leeres Alt-Attribut. Der Dateiname ist Menanders-Muenze.png
Menanders Prägung des Dharmachakra, indisch quadratischer Münztyp, ~140 v.u.Z,

Milinda hinterließ einen zwölfjährigen Sohn (der mit seiner Mutter) als ‚Strato der Erretter‘ bis 110 v.u.Z. regierte. Ein späterer König zählte als ‚Heliocles der Gerechte‘ bis etwa 80 v.u.Z. zu den letzten griechischen Königen Nordindiens.

Das von Menander geprägte, buddhistische Staatsgebilde muss unter unterschiedlichen indischen Herrschern kulturell relativ stabil überlebt haben. Erst nach 100 n.u.Z, ging es dann im buddhistischen Großreich der Kuschan auf.

Die Kushan (eine Volksgruppe der Yuezhi) beherrschten die (für den Welthandel zentrale) Weltregion, zwischen Europa, Asien und China bis etwa 200 n.u.Z. Sie förderten die Gandhara-Form des Mahayana (महायान mahāyāna, ‚großes Fahrzeug‘). Sie ließen sie erblühen und sorgten für ihre Verbreitung nach China, Südostasien und Europa.

Bild von Liang Kai: Der sechste Patriarch (Hui Neng 7. Jhh. n.u.Z.) zerreißt eine Sutren, und verwirft den verschnörkelten Ballast und verknoteten Wirrwarr alten Denkens. „Viele Worte, viele Gedanken. Je mehr es sind, desto weniger treffen sie!“ Seng-ts-an um 606 n.u.Z.

Während bei anderen Buddhismus-Varianten das eigene Leiden überwunden werden soll, um sich von dem ewigen Kreislauf von Wiedergeburten zu lösen, ist Mahayana mehr diesseits bezogen. Das zentrale Konzept ist die spirituelle Führung durch den Boddhisatva. Einen Erlöser, der (obwohl erleuchtet) sich aus Mitleid um die Führung des Lebens kümmert, und sich selbstlos aufopfert.

Ohne den Einfluss des Gandhara gäbe es keinen Cha’an (jap. Zen), einer Misch-Religion aus Mahayana und Dao. (Wohlfahrt: Zhuangzi)

Und vermutlich auch keine Religion, die sich auf die Lehre eines Jesus berufen könnte:

  • Weder die von Paulus geschaffene Religion des am Kreuz gestorbenen und auferstandenen Gottessohnes,
  • noch der spätere Islam, der sich auf den Menschen Īsā ibn Maryam bezieht, der die Folter am Kreuz überlebte. (s. Fried 2019, 2021)

Im Kulturraum der Seidenstraße muss es vor zweitausend Jahren von Missionaren und Propheten gewimmelt haben. Dennoch war die historische Person des Jesus (oder Isa) etwas besonders: Er verband den zelotisch-kriegerischen Anspruch des gottgesandten Messias (s. später: Simon Bar Kochba) mit ‚mahayana-inspirierter‘ Barmherzigkeit.

Ökonomie der Bescheidenheit

Die Ethik der frühen Buddhisten stand dem Gewinnstreben entgegen. Aus dieser Einstellung können kluge Ansätze ökologischen Wirtschaftens entstehen, wie die Ökonomie der Zufriedenheit.

„What is GNH?“ Animiertes Video: www.youtube.com/watch?v=7Zqdqa4YNvI

Mit Blick auf die gesellschaftliche Transformation stellen buddhistische Ansätze fest, dass Degrowth und positive gesellschaftliche Veränderung nicht ohne individuellen Wandel möglich sei.

Für eine Transformation hin zu einer Postwachstums-Ökonomie müsse erkannt werden, wo das gesellschaftliche Streben nach mehr Wachstum, Geld, Status oder Macht auch auf persönlicher Ebene verwurzelt ist. Und was die psychologischen Ursachen für den Wachstumsdrang seien.

„Dadurch könnten Diskrepanzen zwischen ethischen Werten und tatsächlichem Verhalten überwunden werden. Der Fokus auf innere Transformation ist notwendig, um zu vermeiden, dass sozial-ökologisches Verhalten allein von finanziellen Anreizen abhängt oder ein vergänglicher Trend ist. Auch könnten Rebound-Effekte verringert werden. …“ (Hirschsprung 2014)

Brutto Sozialglück

In dem kleinen Land Bhutan wird versucht, die Lehren des Mahayana-Buddhismus praktisch und konkret auf die Ökonomie anzuwenden. Die Regierung verfolgt seit Jahrzehnten eine qualitative, nachhaltige, ressourcen-schonende Entwicklungsstrategie. Der Erfolg der Politik soll an der Zufriedenheit, dem Gemeinwohl und der Lebens-Qualität der Bevölkerung gemessen werden (OPHI 2023).

Das Streben nach einem nationalen „Brutto-Glücks-Produkt (GNH)“ soll in Bhutan nachhaltige Entwicklung sichern, die Kultur erhalten, die Umwelt schützen und von Werten geleitet sein: von Frieden, Gewaltlosigkeit, Gerechtigkeit und kommunalem Gemeinwohl. (Thinley: Rede vor der UN, 28.09.2012)

Tatsächlich scheint in Bhutan die Qualität der sozialen Gemeinschaft stärker im Mittelpunkt zu stehen, als umwelt- und Gesellschaft-zerstörendes, kapitalistisches Wachstum toter Geld-Werte. (van Norren 2023)

Zumindest ist Bhutans Vorbild ein Denkanstoß. Er könnte mithelfen, die globale Ideologie des „Immer mehr“ durch „Sinn-volles“ zu ersetzen.

Kann sich der Buddhismus entwickeln?

Vielleicht.

Die meisten der vielen buddhistischen Varianten sind aber ähnlich krank wie andere Weltreligionen und Dogma-Systeme. Sie erreichen die Jungen nicht mehr. Sie vergreisen, erstarren in Ritualen, sterben aus.

Wie jede Religion konnte und kann der Buddhismus missbraucht werden. Er hat Schattenseiten:

Auch in seinem Bereich waren die Herrschenden oft getrieben von Machtsucht, Geldgier, Missbrauch und Größenwahn:

Allerdings ist die Zahl der Scheußlichkeiten, die im Namen des Buddhismus begangen wurden, immer noch deutlich geringer als bei den großen monotheistischen Religionen (Assmann 2013, Deschner 1986)

Um passende Antworten für die Neuzeit zu bieten, müsste sich der Buddhismus auf seine ursprüngliche, schlichte, bescheidene Ethik zurückbesinnen. Und seine esoterischen, verquasten, dogmatischen, gold- und prunk-überladenen Erinnerungen den Museen für Kunstgeschichte überlassen.

Anleitungen zu Stille, Achtsamkeit und Konzentration sind bei gestressten Menschen nachweisbar wirkungsvoll. (Metzinger 2023, McGilchrist 2024) Das Staunen über die Unendlichkeit dessen, was unseren bescheidenen Sinnen nicht zugänglich ist, stimmt bescheiden. Regelmäßig Meditierende berichteten über Zustände wie Frieden, Stille, Wachheit, Klarheit, Dichte, Stimmigkeit, Nicht-Dualität, So-Sein, Präsenz, Nichtbewerten, Einfachheit, reines Gewahrsein und Fluss. (Metzinger 2023) Das gilt sicher auch für andere Meditationsformen wie klassisches Yoga oder Advaita Vedanta:

„Yoga ist ein zur Ruhe kommen der Bewegung des Bewusstseins“ Pantanjali.

Oder für bewegte Riten, Tänze oder die Drehungen der Sufis (deren Zentrum ruht, während die Welt sich bewegt): Video: youtube.com/watch?v=OVmCGiNsX00

Der Buddhismus könnte sich weiterentwickeln, indem er sich von Fehlentwicklungen trennt. Er könnte sich an der Entwicklung von Visionen für das nächste Jahrtausend beteiligen. Er könnte Menschen helfen, in einer wahnsinnig gewordenen Welt zu leben, ohne selbst wahnsinnig zu werden.

Gerade die Form des Mahayana, mit der Hoffnung vermittelnden Heilslehre, ist dazu möglicherweise gut geeignet. Das Mitleid-Konzept könnte erweitert werden zu echter empathischer Verbundenheit mit den konkreten Alltagsproblemen der Menschen:

  • Mitleid empfindet ein Glücklicher (oder „Erleuchteter“), der anderen Ratschläge erteilt und ihnen Almosen zusteckt.
  • In empathischer Verbundenheit wird aber ein „Ich“ (das Mitleid haben könnte) zum „Wir“, in einem größeren, sinnvollen Zusammenhang.

Deshalb ist ‚Ethik ist wichtiger als Religion‘. (Dalai Lama)

Dieses Bild hat ein leeres Alt-Attribut. Der Dateiname ist ox-herding-pictures-1024x443.png
Bild von Tokuriki (16. Jh.). Da sucht einer etwas: Sein Selbst (1). Er entdeckt Fußstapfen: er spürt und erfährt (2). Er sieht einen Ochsen: Das Unbewusste (3). Er fängt ihn und kämpft (mit sich selbst) (4). Und zähmt ihn, beruhigt das innere Team (5). Er reitet, flötend, auf ihm heim: Er ist mit sich selbst im Reinen (6). Der Ochse ist plötzlich verschwunden: Ruhiges Betrachten, ohne es zu bewerten. (7). Erkenntnis des Nichts, des ursprünglichen Chaos. (8). Wahrnehmen des Lebensflusses in seinen Beziehungen ohne ein „Ich oder Selbst“ (9) Bescheiden, widerstandslos, natürlich und zufrieden tätig sein (10).

Bhutan’s Brutto-Sozial-Glück ist ein hoffnungsvoller Ansatz.

Allerdings hat Zufriedenheit als Ziel für Jugendliche an Bedeutung verloren. Jeder Zweite fühlt sich einsam (Bertelsmann, und BMFSJ 2024). Die natürliche (Dopamin-getriebene) Sturm- und Drang-Phase junger Menschen zu neuen Horizonten ist Erschlaffung und Erschöpfung gewichen. (Esche 2022)

Im Westen wird zurzeit (visionslos) alles Mögliche bekämpft, damit alles so bleiben soll, wie es ist. Damit alles ungebremst weiterwächst und Profite abwirft. Ein Sinn ist für viele nicht mehr erkennbar.

Coronoia, Kriege, Umweltzerstörung, Krisen haben das Selbstvertrauen junger Menschen erschüttert. Körper und Denken müssen heute zur Social-Media-Norm passen. Sie werden gnadenlos getrimmt und optimiert. Folglich steigt die Zahl psychischer Erkrankungen rapide an. (DAK 2024)

Wie soll stilles Sitzen und Mit-Leiden in der Vorstellung Jugendliche erreichen, die erschlafft sind, sich ohnmächtig fühlen und sich nach Leben und fröhlicher Kommunikation sehnen? Wie soll eine pessimistische Negativ-Philosophie die Menschheit heute aus dem Jammertal locken?

Ist Buddhismus heute nur noch eine gute Strategie, um den Sterbenden die Angst vor dem Tod zu nehmen?

„Einige einfältigte Menschen glauben, dass sie Gott sehen sollen, als ob er dort stünde und sie hier. Das ist nicht der Fall. Gott und ich sind eins“.

Das Zitat stammt von Eckhardt, einem Christen (1260–1328 n.u.Z.). Der Zen-Buddhist Daisetsu Teitaro Suzuki (1870–1966) teilte die Ansichten Eckhardts ebenso wie die des antiken Phyrrhon von Elis, der meinte „Nicht-Unterscheidung führe zur Seelenruhe.“

Offenbar kann das Erkennen ähnlich sein, wenn es sich Verstehen-wollen einem wesentlichen Kern annähert: Alles bewegt sich. Nichts ist. Trennung ist Illusion. Alles wird.

Damit es auch gut wird, könnte auch ein sich erneuernder Buddhismus beitragen.

Mehr

Vortrag

Literatur

Video-Links

Jay Wardan Singh: The king who ruled India (Menander)

Abhijit Chavda: Who was Menander (Milinda)

Letzte Aktualisierung: 07.10.2024