Krankheit verschlafen
Schlafen ist aktiv
Ausreichende Schlafdauer und natürliche Schlafqualität unterstützen das Immunsystem. Dabei beeinflussen sich Gehirn-, Darm- und Immunfunktionen wechselseitig.
Dämpfung überschießender Immunfunktionen
Im Schlaf löst sich der Alltagsstress. Schlafen konsolidiert neuronale Netzwerke und sorgt für einen Ausgleich (Homöostase) der Stoffwechselfunktionen (Watson 2015). Das begünstigt die Effektivität der Immunfunktionen.
Genügend Schlaf verbessert so die Fähigkeit, die Belastungen durch Infektionen zu überstehen und auch andere Krankheiten auszuheilen. Dagegen stört chronischer Schlafmangel das Gleichgewicht der Immunfunktionen. Damit erhöht sich das Risiko für die Entwicklung und Verstärkung von Krankheiten, bei denen Störungen der Immunregulation beteiligt sind: Herz-Kreislauf-, Stoffwechsel-, Autoimmun- und neurodegenerative Erkrankungen. (Caroll 2015, Hsiao 2015, Basedovsky 2019)
Das Zentralnervensystem, der Darm (mit den darin befindlichen Viren und Bakterien) und das Immunsystem kommunizieren (Jäger 2020). Gesunder Schlaf sorgt dafür, die angeborenen und die erlernten (antiviralen) Immunantworten zu regulieren. Natürlich vorkommender Schlaf führt zur Vermehrung von Immunkomponenten, die an der Immunabwehr beteiligt sind.
Tiefer Schlaf scheint auch eine einfache, aber wirksame Strategie zur Verbesserung der Herzgesundheit und zur Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu sein.
Wer jede Nacht für ausreichend erholsamen Schlaf sorgt, kann die Fähigkeit seines Körpers zur Heilung und zur Aufrechterhaltung einer optimalen Herzfunktion verbessern. Nach einem Herzinfarkt werden Immunzellen im Gehirn rekrutiert, um Schlaf zu begünstigen, der die Entzündung im Herzen dämpft und die Heilung fördert. Wird der Schlaf unterbrochen, verschlechtert sich die Herzfunktion durch die überschießende Entzündung und die Heilung wird verlangsamt.
Die Gründe dafür sind: Verbesserung der Reparaturfunktionen im Herzmuskel, Regulierung des Herzrhythmus (HRV), Senkung des Blutdrucks, Dämpfung von Autoimmunreaktionen, Absenkung des Blutdrucks u. a.) (Rowe Nature 2024)
Gesunde Schläfer:innen leiden seltener unter Virusinfektionen
Die Risiken, an Grippe zu erkranken oder gar zu versterben, sind umso höher, je ineffizienter das Immunsystem mit Influenza-, Corona-, Rhino- und ähnlichen Viren umgehen kann.
Schlafmangel hat eine Auswirkung auf die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von (grippeähnlichen) Atemwegs-Infektionen. (Prather 2015, Basedovsky 2015, Bhat 2013).
Während des physiologischen Schlafs kommt es zu einem Rückgang der Botenstoffe des Immunsystems (Zytokine). Untersuchungen des Verhältnisses von pro- und anti-inflammatorischen Zytokinen lassen zu Beginn der Nacht eher eine proinflammatorische Aktivität erkennen.
Eine kurze Schlafdauer scheint mit verstärkten entzündlichen Prozessen und einem erhöhten Infektionsrisiko verbunden zu sein. (Akkaoui 2023)
Chronischer Stress
Chronischer Stress stört die natürliche Reaktion des Immunsystems. Die lang dauernde Aktivierung der hormonalen Belastungsreaktion verändert das Immunsystem so, dass es ineffizienter mit viralen Bedrohungen umgeht. Besonders dann, wenn die Beruhigungssignale über den Vagus-Nerven gebremst werden.
Dann verschieben sich die Schlafmuster: Eine niedrige Entzündungsbereitschaft bei Stressfreiheit erhöht die Gesamtschlafdauer, die Schlafkontinuität und den Traum-(REM)-Schlaf. Dagegen scheinen Entzündungs-Zustände die Schlafdauer eher zu verkürzen, einen Schlaf zu fragmentieren und den Traum-(REM)-Schlaf auszudehnen. (Irwin 2019, Rowe 2024)
Das aktivere Immunsystem jüngerer Erwachsener (und Kinder) reagiert empfindlicher auf Schlafentzug als das ohnehin vermindert aktive Immunsystem älterer Menschen (Caroll 2015)
Schlussfolgerung
Körperrhythmen sind ein wesentlicher Aspekt eines genussvollen und erfüllten Lebens. Ein gestresstes Gehirn sollte nur innere Körpersignale hören. Dann spielt sich der Rhythmus von Aktivität und Ruhe von selbst ein.
Literatur
- Akkaoui MA et al: Neuroinflammation, Gut-Brain Axis and Immunity in Neuropsychiatric Disorders Advances in Experimental Medicine and Biology, vol 1411
- Basedovsky L et al: The Sleep-Immune Crosstalk in Health and Disease, Physiol Rev. 2019; 99(3): 1325–1380. www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC6689741/
- Basedovsky L: Sleep, Don’t Sneeze: Longer Sleep Reduces the Risk of Catching a Cold, Sleep 2015, 38 (09) .
- Bhat N et al: A prospective study of agents associated with acute respiratory infection among young American Indian children Pediatr. Infect Dis J. 2013 Aug;32(8):e324-33
- Brandon O et al.: Sleep, Memory & Brain Rhythms. 2015; American Academy of Arts & Sciences doi:10.1162/DAED_a_00318
- Carroll J et al: Sleep Deprivation and Divergent Toll-like Receptor-4 Activation of Cellular Inflammation in Aging, Sleep 2015, 38(2)205ff
- Hsiao YH et al: Sleep Disorders and Increased Risk of Autoimmune Diseases in Individuals without, Sleep 2015, 38 (04)
- Irwin M: Sleep and inflammation: partners in sickness and in health, Nature Reviews Immunology 2019, 19:702–715, www.nature.com/articles/s41577-019-0190-z
- Jäger H: Die Entwicklung des Ökosystems Mensch. Gynäkologische Praxis 2020, 46(2)187-197
- Prather A et al: Behaviorally Assessed Sleep and Susceptibility to the Common Cold, Sleep, 2015, 38(09)
- Rowe C et. al.: Nature Deep sleep helps the heart to heal. 30.10.2024 – Sleeping Laboratory Boulder University
- Watson B et al: Sleep, Memory an Brain Rhythm. Dædalus, J Am. Acad. of Arts & Sci, 2015, 144(19)67-86